Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 26.04.2009




Endlich erreichten wir den Strand und die Felsen, wo ich unser Gepäck zurückgelassen hatte.

Erleichtert rutschte ich aus dem Sattel, schüttete Wasser in Salvadors Eimer und fiel zu Boden. Dicht an den warmen Felsen gedrängt, der wenigstens ein Bisschen Schatten bot, schlief ich ein. Ich schaffte es noch nicht einmal Salvador vorher abzusatteln.
Ich schlief den Schlaf der Erschöpfung, traumlos und tief und erwachte erst in den frühen Morgenstunden. Das Meer prallte heftig auf die Felsen auf, Gischt spritzte in die Höhe. Ich rappelte mich auf und sah, dass das Wasser schon auf der Höhe meiner Füße angelangt war. 'Na toll, an die Flut hätte ich ja auch vorher denken können.' schnaubte ich ärgerlich. Das Gepäck lagerte Gott sei Dank ein Stück weiter den Strand hinauf, in der Nähe des Baches. So musste ich nur mich selbst in Sicherheit bringen. Salvador war nirgends zu sehen. Laut rief ich seinen Namen in die Dämmerung, doch der Wallach schien wie vom Erdboden verschluckt.
Während es langsam heller wurde und das Meer immer noch mit geballter Kraft auf dem weißen Strand aufprallte, wartete ich ungeduldig. Irgendwann erkannte ich am Horizont einen kleinen dunklen Punkt, der sich schnell als Salvador herausstellte. Mit hoch aufgerichtetem Hals und geblähten Nüstern preschte er im seichten Wasser dahin. Schlug übermütig nach hinten aus, hüpfte über die Wellen. Es war ein herrlicher Anblick!
Irgendwann trabte er schwer atmend und mit steil gespitzten Ohren auf mich zu. Die Steigbügel schlackerten an seinen Seiten, die Zügel hatte er irgendwo zerrissen. Es war mir gleich. Es war ein so erhabenes Bild, wie glücklich und gelöst das starke Pferd nun vor mir stehen blieb. Fast ehrfürchtig streichelte ich seine Nüstern, seinen schweißnassen Hals. Dann nahm ich ihm Sattel und Zaum ab und begann sein Fell mit einem Tuch abzureiben. Seltsam ruhig genoss er die Prozedur eine Weile, dann stieß er mich energisch mit der Nase an. Lachend schob ich seinen Kopf zur Seite, aber er ließ nicht locker, wieherte auffordernd. Immer wieder fasste er mit den Lippen nach meiner Hosentasche. Endlich begriff ich was er von mir wollte und holte das Silberkettchen heraus. Salvador warf den Kopf auf und wieherte wieder. Ich sah von ihm zum Meer, zuckte mit den Schultern und nickte.
Von einem Felsen aus kletterte ich auf den blanken Rücken des großen Braunen. Etwas mulmig war mir schon zumute dabei, schließlich konnte ich das Pferd ja noch nicht einmal mit Sattel und Trense zuverlässig kontrollieren. Aber irgendetwas sagte mir, dass das was ich tat richtig war. Kaum war ich oben setzte sich Salvador in Bewegung. Zielstrebig schritt er zum Wasser, ging immer tiefer hinein. Als ich spürte wie die Wellen kräftig gegen Salvadors Rumpf schlugen, nach meinen Schenkeln fassten, schlug mein Herz schneller. Leicht legte ich die Schenkel an und saß tiefer ein. Salvador reagierte nicht im Geringsten, sondern schritt unbeirrt weiter voran. Die Flut hatte derweil nichts an Kraft verloren und das Wasser reichte mir mittlerweile bis zu den Oberschenkeln, gerade noch Salvadors Rücken ragte aus dem Wasser, auch wenn hin und wieder eine Welle über ihm zusammenschlug. Ich war vollkommen durchnässt und verängstigt. Aber Salvador stand nun ganz ruhig, schwankte kaum und drehte sich mit leuchtenden Augen zu mir um. Ich hatte das Silberkettchen noch immer in der linken Faust eingeschlossen. Ich erwiderte den Blick aus Salvadors Augen und schleuderte es dann ins Meer hinaus. 'Hilf' flüsterte ich dabei und dachte an Luìs. Sobald das Kettchen im Meer versunken war machte Salvador kehrt und trug mich sicher zurück zu unserem Rastplatz. Ungläubig und reichlich zittrig ließ ich mich in den Sand fallen. Salvador schüttelte sich und die unzähligen winzigen Tropfen, die von ihm weg flogen, glitzerten im warmen Licht der aufgehenden Sonne.

Nach drei Tagen am Strand, waren Salvador und ich vollkommen ausgeruht. Zwar schmerzte mein Körper noch bei bestimmten Bewegungen, aber im Vergleich zu den vorherigen Tagen, fühlte ich mich großartig. So langsam musste ich aber in Betracht ziehen allein weiter zu reiten. Ich hatte die Strecke von der Schlucht bis zur Grenze rasch geschafft, aber Luìs war noch immer nicht aufgetaucht. Am vierten Morgen rief ich schließlich Salvador zu mir, der in den letzten zwei Tagen wieder auffallend nervös und unberechenbar war.
Unwillig ließ er sich zäumen, schlug ärgerlich mit dem Schweif, als ich den Sattel auf seinen Rücken hievte, und schnappte nach den Satteltaschen. Seufzend verschnallte ich sie. Ich war traurig, aber mir blieb nichts anderes übrig, als abzureiten. Mein Bruder würde sich sicher schon Sorgen machen. Es war noch ein ganzes Stück bis nach Hause. Vielleicht sollte ich im nächsten Dorf nach einem Telefon fragen. Sicher würde Raul mir einen Pferdehänger schicken.
Nach ein paar fruchtlosen Versuchen, schaffte ich es auch endlich den Fuß sicher in den Steigbügel zu stellen und mich am Sattel festzuhalten. Denn, wie gewöhnlich, sprang Salvador gleich an. Rasch zog ich mich hoch. Salvador war heute kaum zu bändigen. So lange wir am Strand waren hatte ich ihn wenigstens noch annähernd unter Kontrolle. Aber sobald wir den Weg landeinwärts einschlugen, bockte und stieg er, als hätte ich ihm eins mit der Peitsche übergezogen. Eisern klammerte ich mich fest, auch wenn ich Angst hatte. Denn teilweise stieg der Wallach so hoch, dass ich meinte, er müsse hinten über kippen. Nachdem er eine Weile so getobt hatte, stieß ich ihm die Fersen in die Seiten. Ich hatte keine Chance ihn zu kontrollieren, aber wenn er rannte, konnte ich wenigstens ordentlich oben bleiben und hoffen, dass er irgendwann müde wurde. Zugegeben, diese Hoffung war relativ klein, denn der große Braune war ausgeruht und ich hatte in den letzten Wochen gemerkt, wie viel Ausdauer er hatte. Er konnte Stunden galoppieren, ohne zu ermüden. Zuerst ging mein Plan auf und Salvador schoss vorwärts. Irgendwann wurde er langsamer, ich trieb ihn wieder an. So ging das ein paar Mal, bis er schließlich abrupt stehen blieb. Er stemmte die harten Hufe in den staubigen Weg und rührte sich nicht vom Fleck. Egal wie sehr ich ihm die Hacken in die Seiten schlug - er bewegte sich nicht. 'Was hast du denn heute nur?' fragte ich ihn und lockerte die Zügel. Er zitterte und drehte sich zu mir um. Die Ohren hatte er nicht mehr angelegt, sondern beide auf mich gerichtet. Aus klugen Augen sah er mich an und wieherte leise. Während ich noch nachdachte, was er mir sagen wollte, setzte er sich wieder in Bewegung, wendete und trabte leichten Schrittes den Weg zurück. Seufzend setzte ich mich zurecht und gab die Galopphilfe. Ehe ich das Risiko einging mir bei einem Sturz auf den trockenen Boden den Hals zu brechen, liess ich ihm seinen Willen. In einem langsamen Kanter näherten wir uns schließlich wieder dem Strand.







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