Auf der anderen Seite der Nacht

Autor: Nacomi
veröffentlicht am: 17.04.2009




Lauwarmer Wind kam vom Landesinneren und wehte mir die Haare ins Gesicht. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und das Licht noch fahl. Fröstelnd stand ich auf dem Wellenbrecher und blickte aufs Meer. Weiße Schaumkronen schmückten die Wellen. Sanft aber kraftvoll brachen sie an den kühlen Steinen unter meinen nackten Füßen. Ich umschlang meinen schmalen Körper mit beiden Armen und drehte mich zum Strand um. Die Pferde standen dösend bei der verfallenen Hütte, Luìs schlief auch noch. Lächelnd wand ich mich ab und sprang ins Wasser. Es war eiskalt, doch ich tauchte so tief hinab, bis alle Luft aus meinen Lungen gewichen war. Erst als der Druck auf den Ohren unaushaltbar wurde, tauchte ich auf und atmete gierig die frische salzige Luft. Eine warme Strömung umspülte mich und ich spürte wie alle Lebensgeister in meinen Körper zurückkehrten. Lächelnd schwamm ich immer weiter hinaus, mit ruhigen kraftvollen Zügen. Weitaus langsamer kehrte ich schließlich zurück, kletterte aus dem Wasser und legte mich auf die flachen Steine. Die Sonne schien jetzt schon viel wärmer. Genießerisch schloss ich die Augen, fühlte wie sich mein rasender Atem langsam beruhigte und die Sonne begann heiß auf der Haut zu brennen. Ein Schatten fiel über mich, blinzelnd schlug ich die Augen auf - die Sonne blendete. 'Guten Morgen' meinte Luìs, grinste schief und warf mir das Handtuch zu. 'Du solltest dir was anziehen.'. 'Morgen' erwiderte ich, verdeckte meinen Körper und sprang auf, etwas zu übermütig vielleicht, denn in meinem Kopf drehte sich alles. Nachdem der Schwindel nachgelassen hatte, eilte ich Luìs nach, der schon wieder auf dem Weg zum Lagerplatz war. Es gefiel mir ganz und gar nicht, dass er mich halb nackt gesehen hatte. Während ich den Pferden jeweils eine Handvoll Kraftfutter gab, entfachte er ein kleines Feuer und setzte Kaffee auf. 'Du warst schon schwimmen?' fragte er mit einem Seitenblick auf mein noch feuchtes Haar, das an meinen Schultern klebte. Ich nickte nur und wand mich dann wieder der Schimmelstute zu, die ihre Portion manierlich aus meinen hohlen Händen fraß. Wenig später stieg mir der Duft von frischem Kaffee und geröstetem Brot in die Nase. Jetzt erst bemerkte ich, dass ich vor Hunger ganz zittrig war. Ungeduldig wartete ich, dass auch der dunkle Wallach aufgefressen hatte, dann huschte ich zum Feuer, wischte die Hände am Handtuch ab und setzte mich zu Luìs. Er lächelte, als ich mich heftig am heißen Brot verbrannte. 'Langsam. Es ist genug da…' Ich bedachte ihn mit einem bösen Blick und versenkte das Gesicht in der Kaffeetasse. So frühstückten wir schweigend, während die Sonne langsam höher stieg. Dann ging ich hinüber zu den Sätteln, die bei einem Felsblock lagen. Ich wollte kontrollieren, ob ich beim überhasteten Aufbruch gestern an alles gedacht hatte. Viel hatte ich nicht mitnehmen können. Zwei Paar Satteltaschen, ein Plastikeimer, zwei Decken, eine Feldflasche. Ich setzte mich in den Sand und öffnete die Taschen, um zu sehen, mit was ich die nächsten Wochen auskommen musste. Das Angebot war recht übersichtlich: Jeans, 2 T-Shirts, Socken, Shampoo, Haarbürste, ein kleiner Spiegel, Handtuch, Hufkratzer, Striegel, Halfter, Strick, ein paar Lederriemen, Bandagen, Moskitospray, ein kleines Erste-Hilfe-Paket, ein Messer, ein dickes Bündel blassgrüner Geldscheine Dann hatte ich noch einen gut gefüllten Beutel mit Pferdefutter dabei, sowie einen Bund Karotten, einen Apfel und ein paar Schokoriegel. Aus meinen zahlreichen Wanderritten hatte ich gelernt, was auf einem längeren Ritt hilfreich war. Dennoch machte ich mir Sorgen, ob ich es schaffen würde. Unwillig schüttelte ich die dunkeln Gedanken ab, nahm die Tasche mit meinen Sachen und verzog mich noch einmal ans Meer. Ich wollte wenigstens einigermaßen ansehnlich ausschauen. Ein paar Minuten hatte ich meine Ruhe, aber als ich gerade meine Haare bürstete, hörte ich schon seine Schritte hinter mir. Schnell stopfte ich die Bürste in die Satteltaschen, schlüpfte in die Schuhe und lief ihm entgegen. 'Wir müssen weiter.' Ich antwortete nicht, sondern eilte an ihm vorbei zu den Pferden. Er hatte schon gesattelt, die Decken hinter den Sätteln verschnallt, die Feldflaschen baumelten vom Sattelhorn - ich brauchte nur aufzusteigen. Schon das ärgerte mich. Als er mir dann auch noch den Bügel halten wollte, wurde es mir zu viel. 'Lass das gefälligst!' fuhr ich ihn an, schlug seine Hand weg und schwang mich hoch. Energisch trieb ich das Pferd vorwärts. Der Wallach schnaubte und trat gehorsam an. Nach ein paar Metern riss ich ihn abrupt herum - ich hatte meine Satteltaschen vergessen. Luìs schwenkte sie in der Hand und dirigierte seine Stute geschickt um ein paar Steinbrocken. Ärgerlich brachte ich meinen Wallach nah an sie heran und nahm die Satteltaschen an mich. Ich nahm mir nicht die Zeit sie festzuschnallen, sondern wendete, schnalzte mit der Zunge und galoppierte los. Sein leises Lachen blieb rasch hinter uns zurück. Nach ein paar Metern ließ ich mein Pferd wieder in Schritt fallen, ich hatte Magenschmerzen. So viel Aufregung am frühen Morgen, dachte ich und ließ die Zügel fallen, um die Satteltaschen hinter dem Sattel zu befestigen. Als ich wieder nach vorn blickte, sah ich dass Luìs und seine Stute schon ein gutes Stück voraus waren. Ich seufzte. Es war wirklich eine doofe Idee gewesen, mich darauf einzulassen den Weg mit ihm gemeinsam zu machen. Mein Wallach verlängerte seine Tritte, die Stute war ihm zu weit weg. Ich ließ ihm seinen Willen.
Die nächsten Stunden ritten wir schweigend nebeneinander. Hin und wieder verjüngte sich der Weg und dann ließ ich ihm den Vortritt. Ich mochte seinen Blick in meinem Rücken nicht. Gegen Mittag hatten wir die Küste erklommen und ritten auf einer schmalen Straße hoch über dem Meer. Die Sonne brannte unbarmherzig auf uns herab und sehnsüchtig warf ich immer wieder einen Blick aufs Meer, das verführerisch glitzerte. Luìs war schweigsam, was mir nur Recht war. Mit einer Handbewegung gab er mir zu verstehen, dass wir weiter hinten an den knorrigen Bäumen Rast machen würden. Ich wollte schon aufbegehren, weil er allein entschieden hatte. Doch ich entschied mich dagegen, es hatte ja keinen Zweck. Wenn ich die Strecke bis zur Grenze schnellstmöglich hinter mich bringen wollte, war ich auf seine Führung angewiesen. Seufzend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn. Ich hatte an alles gedacht, außer daran einen Hut mitzunehmen. Natürlich - irgendetwas musste ich ja vergessen haben. Die Pferde trotteten gelassen durch die Mittagshitze, das gleichmäßige Klappern der Hufe hallte laut in meinem Kopf. Endlich erreichten wir die Bäume. Sie spendeten nur leidlich Schatten, aber es war besser als nichts. Luìs spannte eine der Decken zwischen zwei nah beieinander stehenden Bäumen, sodass die Pferde ausreichend Schatten hatten. In tiefen Zügen tranken sie Wasser, was ich ihnen aus den Feldflaschen in den Eimer geschüttet hatte, eher lustlos begannen sie anschließend das verdorrte Gras auszurupfen. Rasch sattelte ich ab und bürstete über die verschwitzten Sattellagen, was die Beiden mit zufriedenem Schnauben dankten. Als Luís mit Feuerholz wiederkam, hatte ich schon Brot geschnitten und eine der Konservendosen mit Ravioli geöffnet, die Luìs in seinen Satteltaschen hatte. Schweigend warteten wir, dass das Essen heiß wurde. Auch wenn mir in dieser Hitze alles Warme zuwider war, brauchten wir die Stärkung. Heute Nachmittag hatten wir noch ein gutes Stück vor uns. Wir würden bis in den Abend reiten müssen, um die verlorene Zeit der Mittagsstunden aufzuholen, in denen es zu heiß zum Reiten war.Nach dem Essen gönnten wir uns ein paar wenige Schlucke Wasser (wir mussten sorgsam haushalten) und machten es uns so gut es eben ging auf dem Boden bequem. Es war zu warm zum Schlafen, aber zu heiß um sich zu bewegen. Ich lehnte an meinem Sattel und kaute auf einem Grashalm und blickte über verdorrtes Gras soweit das Auge reichte. Der Himmel war von einem so intensiven Blau, dass ich nicht länger als ein paar Sekunden hinaufschauen konnte. Grell schien die Sonne, die Hitze umschloss alles, verschluckte jeglichen Laut, das Licht flimmerte über den Hügeln. Ich stöhnte auf, wenn doch wenigstens ein Bisschen Wind da wäre. Unsere Pferde standen einträchtig nebeneinander, mit halbgeschlossenen Augen und entlasteten Hinterbeinen. Hin und wieder schlug eines mit dem Schweif oder schüttelte den Kopf, um die Fliegen zu vertreiben. Luís lag mit geschlossenen Augen flach im Gras, er atmete gleichmäßig und ruhig. Ich konnte nicht sagen ob er schlief oder nur so tat als ob. Ich betrachtete ihn in Gedanken versunken. Warum konnte ich ihn eigentlich nicht leiden? Wir kannten uns kaum, er war immer freundlich gewesen und er hatte mir ohne zu zögern seine Hilfe angeboten. Dennoch: irgendetwas an ihm war mir unheimlich. Er seufzte im Schlaf und runzelte die Stirn, was seinem ebenmäßigen Gesicht einen mürrischen Ausdruck verlieh und mir ein Lächeln entlockte. Innerlich beschloss ich mich ihm gegenüber nicht mehr ganz so feindselig zu verhalten, so lange es keinen triftigen Grund dafür gab.

Anmerkung: Dies ist mein erster Beitrag in diesem Forum und ich freue mich auf zahlreiche Leser, Kommentare, Kritik und Anregung.







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