Der Schwur des Ritters

Autor: Feuerklinge
veröffentlicht am: 27.06.2003




Das Heilige Land, zur Zeit der Kreuzzüge
Die Pferde donnerten nur so über den Boden und hüllten die Eskorte in einestaubige Wolke ein. Die Wagen die von den Rittern bewacht wurden, enthieltenneben Lebensmitteln und Versorgungsgütern auch Waffen und Gold. Es war nichtmehr weit bis zu ihrem Ziel und langsam entspannten sich die Ritter. Derschwierigste Teil ihres Weges lag hinter ihnen. So nahe der Burg würden dieSarazenen ganz sicher keinen Angriff mehr wagen. Gerade eben wollte sich derAnführer zu seinen Männern herum wenden, als ein Pfeil seine Kehledurchbohrte. Von einer Sekunde zur nächsten war die Luft erfüllt vom Sirrender Pfeile und dem angstvollen Wiehern der Pferde. Arno zog sein Schwert,sein Pferd tänzelte unruhig hin und her, als auch schon die Sarazenen invollem Galopp auf sie zugeritten kamen. Arno stieß seinen Kampfschrei ausund preschte ihnen entgegen, die noch verbliebenen Ritter um sich scharend.Stahl traf auf Stahl. Die Schwerter prallten klirrend aufeinander.Mörderische Hiebe, wurden wieder und wieder ausgeteilt. Blut färbte den Sandunter ihnen. Die Sonne brannte erbarmungslos herab. Der Kampf wogte hin undher. Die Sarazenen waren in der Überzahl und Ritter um Ritter sank getroffenvon seinem Schlachtross. Arno schaute hinüber zu Wulfgar, seinem Bruder, dersich verbissen gegen zwei ihn bedrängende Sarazenen verteidigte. Dann mussteer seine Aufmerksamkeit wieder auf die Feinde richten, die ihn nicht minderhart bedrängten. Sein Schwertarm wurde müde und er blutete aus einerVielzahl von Wunden, doch er wusste, er durfte nicht nachlassen. Neben ihmsah er aus den Augenwinkeln, wie Graf Gunnar von einem Schwert getroffen aufseinem Pferd zusammensank. Arno schrie voller Wut und Schmerz auf. NichtGraf Gunnar, nicht der Mann, der wie ein Vater für ihn gewesen war, hier imHeiligen Lande, in diesem schier aussichtslosen Kampf gegen die Ungläubigen.Mit machtvollen Schlägen bahnte er sich seinen Weg zu Graf Gunnar, der sichverzweifelt an sein Schlachtross klammerte. Arno ergriff die Zügel von GrafGunnars Pferd, mit seiner freien Hand, in der er nicht sein Schwert hielt,und sein eigenes nur mit den Schenkeln lenkend, versuchte er den Ring derSarazenen zu durchbrechen. Wulfgar und noch einige andere Ritter formiertensich um ihn und mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung gelang esihnen die Strasse zu gewinnen und verfolgt von den Sarazenen strebten sieauf die Burg zu.


Mit letzter Kraft erreichten sie ihr Ziel, beschützt von den, ihnen aus derBurg entgegen reitenden Rittern. Arno ließ Graf Gunnar vorsichtig aus demSattel gleiten und bettete ihn auf den Burghof. Graf Gunnar blutete starkund er umklammerte Arnos Hand. Das Blut hatte seinen Waffenrock durchtränktund es rann ihm aus den Mundwinkeln.
„Ihr müsst…müsst etwas für mich tun, ich bitte euch, bei eurer Ehre alsRitter, ihr müsst etwas für mich tun. Ich flehe euch an…ihr müsst…müsst esmir schwören…“
Arno beugte sich herab, brachte sein Ohr ganz nahe an den Mund desSterbenden und lauschte seinen letzten Worten.


Süddeutschland, einige Monate später, mitten im Wald
Arno war erschöpft, bis auf die Knochen erschöpft, aber doch unglaublichdankbar wieder auf deutschem Boden zu sein, nachdem er ruhelos all die Jahredas Heilige Land durchstreift hatte. Mit einem kleinen Trupp Gefolgsleutenwaren sie durch Italien und über die Alpen gezogen, wobei sie sich alsBewacher von Reisenden und Händlern verdingt hatten.
„Warum seufzt du wie ein liebeskranker Schäfer?“ Wulfgars Blick, derschelmisch funkelte, traf sich mit seinem. „Du hast doch deine Dame noch garnicht getroffen.“
„Du hast einen ganz falschen Eindruck von mir.“
„Hast du Angst dass sie Biberzähne hat und schielt wie ein krummerGartenzaun?“ Wulfgar begann zu schielen, um seine Worte zu unterstreichen.„Nein, Bruder, hör schon auf Witze zu machen. Ich mache mir deshalb keineGedanken. Sie ist eine Erbin; das wird ausreichen müssen. Für einen armenRitter gibt es keine größere Ehre als eine Ehe die ihm Land und eine Burgeinbringt.“
„Warum bist du dann so niedergeschlagen? Ich war lange genug dein Knappe unddeine rechte Hand, um zu wissen, wann du besorgt bist.“
Arno hatte kein Bedürfnis seine dunklen Gedanken an so einem schönenSommertag zu besprechen. Außerdem würde ihn Wulfgar nicht verstehen. DieFeinheiten von Ethik und Gewissen hatte Wulfgar schon immer als einfältigeSorgen abgetan. Sein jüngerer Bruder war der Meinung dass man diePhilosophie getrost den Priestern überlassen könne.
Wulfgar sah sich und Arno als Männer der Tat, die keine Verwendung fürHöflichkeiten hatten. Vielleicht lag es daran das sie so ungebildet waren;keiner von ihnen konnte lesen und schreiben. Wenn Arno keine Fertigkeit fürden Kampf gezeigt hätte, wären sie heute noch bei ihrem Vater und würden dieStälle ausmisten und das für den Rest ihres Lebens, denn ihr Vater hatte soviele Söhne gezeugt, dass sie keine Aussicht auf die väterlichen Güterhatten. Deshalb hatten sie sich wohl auch dem Kriegshandwerk zugewandt undin verschiedenen Kriegen und Ländern sich ihr Brot verdient.
“Es ist ein warmer Tag. Ich möchte ein wenig im Fluss baden. Kehre zu denMännern zurück und sag ihnen dass sie das Lager für die Nacht herrichtensollen. Ich werde bald wieder bei euch sein.“
„Wir kennen diesen Wald nicht. Ist es klug das du alleine unterwegs bist?“„Ich brauche ein bisschen Zeit für mich. Außerdem muss ich mir unbedingt denReisestaub vom Körper waschen.“
Wulfgar lächelte. „Ah du denkst bereits daran wie du Eindruck schindenkannst bei deiner Braut.“ Sein Bruder ritt anzüglich pfeifend von dannen.Arno folgte weiterhin dem sanft dahinströmenden Fluss. Die Bäume standendicht genug beisammen um ein schattiges Halbdunkel zu erzeugen, welches zuseiner melancholischen Stimmung passte. Die Bäume waren alt und groß, siestrebten dem Himmel entgegen wie Säulen in einer Kathedrale. Das war die Artvon Kirche in der er sich am wohlsten fühlte. Sein gesamtes Leben hatte erzum großen Teil im Freien verbracht. Hier verspürte er den Frieden nach demer suchte.
Er ritt in ein Tal, wo sich der Fluss verbreiterte und statt des dämmrigenLichts unter den Bäumen heller Sonnenschein herrschte. Wildblumen blühtenhier, ihre roten, gelben und violetten Farben vermischten sich wie auf einemGemälde. Das Gras war von einem satten, kräftigen Grün. Die Jahre die er ineinem kargen Land verbracht hatte, wo Staub und Wüste vorherrschten, hattenihn fast vergessen lassen, wie großartig die deutsche Landschaft im Frühlingsein konnte. Er hörte das Rauschen von Wasser und sah vor sich einenherabstürzenden Wasserfall, dessen schäumendes Wasser von einematemberaubenden Weiß war. Solche Schönheit hatte er noch nie zuvor gesehen.Zufriedenheit erfüllte seine Seele und heilte sie auf ganz natürliche Weise.Das Sonnenlicht tanzte auf dem Wasser und schien ihn einzuladen. Er stiegvon seinem Schlachtross ab und begann sich hastig auszuziehen. Die weißeTunika mit dem roten Kreuz zuerst, dann sein Kettenhemd, die einzige Rüstungdie er an so einem heißen Tag trug. Er sprang ins Wasser, das so kalt war,das es ihn bis ins Mark durchfuhr. Aber es war ein gutes Gefühl; Arno fühltesich gereinigt und gleichermaßen getauft. Er tauchte für einen Moment wiederauf, um Luft zu holen, als er den unverkennbaren Klang eines Keuchensvernahm.
“Wer ist da?” rief er.
„Das ist die Frage die ich zu stellen habe, ihr Gauner.“ Die Stimme wareindeutig weiblich.
„Ist das etwa euer Fluss?“ rief er herausfordernd.
„Ja und auch mein Wald. Was macht ihr hier?“
Er konnte sie kaum ausmachen. Sie stand auf der anderen Seite, teilweise imSchatten der Sträucher am gegenüberliegenden Ufer und so seinen Blicken fastentzogen.
„Ich wollte euch nicht erschrecken.“ sagte er mit beruhigender Stimme.
„Ich habe vor niemandem Angst.“
„Dann seid ihr entweder sehr mutig oder sehr dumm.“ sagte er.
Sie richtete sich auf und kam hervor, so dass er sie genau sehen konnte. Sietrug ein dünnes Gewand aus feinstem Leinen, welches vom Wasser fastdurchsichtig gemacht worden war. Arno verschlug es förmlich den Atem. Soeine wundervolle Gestalt war einzigartig. Er hatte noch nie so ein Mädchengesehen. Seine Mutter hatte ihm Geschichten über Feen erzählt. SolcheGeschichten hatte sie aus ihrem Herkunftsland jenseits der Nordsee. Er hattenie solche Geschichten für möglich gehalten – bis jetzt. Ihr Haar war sogoldig wie die Sonne und ihre Augen blauer als der Himmel über ihm. Dasnasse Gewand klebte an ihrem zierlichen Körper und umschmeichelte ihre edlenFormen. Ihre Brüste zeichneten sich recht deutlich ab, was ihr anscheinendgar nicht bewusst war, denn ansonsten hätte sie wohl kaum so vor ihmgestanden.
„Ihr habt mir nicht gesagt, was ihr hier macht.“ Ihre Stimme klangärgerlich.
“Ich bin ein Ritter, der erst kürzlich aus dem Heiligen Land zurückgekommenist. Ich bin auf einer Suche. Ich suche … jemanden.“ Er war dabei ihr mehrzu erzählen, als gut gewesen wäre. Es war nicht weise seine Angelegenheitenvor Fremden auszubreiten, auch nicht vor solch einer wunderschönen Fremden.„Herr Ritter, ich muss wirklich darauf bestehen, dass ihr von hierfortgeht.“ Ihre Stimme klang kultiviert und sie sprach ihn offen undselbstbewusst an. Offensichtlich war sie keine Bedienstete, so wie sieklang, konnte sie durchaus eine hohe Dame sein. Sollten sie tatsächlichschon bis auf das Gebiet der Burg von Branstein vorgedrungen sein? Gehörtesie etwa zu dieser Burg? Aber das war eigentlich nicht möglich, denn ganzsicher würde keine Dame von dieser großen Burg ungeschützt hier im Waldesein.
„Ihr seit es, die nicht hier sein sollte.“ sagte er. „Es ist nicht sicherhier für eine Dame, allein in den Wäldern. Habt ihr keinen Beschützer?“
„Ich brauche keinen.“
Er schwamm zu ihr hin, durch das Wasser gleitend mit der natürlichen Anmuteines Kriegers.
„Kommt nicht näher!“
“Habt Vertrauen, ich will euch nichts tun, edle Dame.” sagte er. Er sprachauf beruhigende Art und Weise, so als wenn er zu einem scheuenden Pferdsprechen würde.
„Ihr seit so groß.“ Sie klang jetzt ängstlich, gar nicht mehr so bestimmendwie noch eben.
Obwohl das Wasser flach genug war, damit er stehen konnte, erhob er sichnicht, da er sie nicht noch mehr erschrecken wollte.
“Sprecht nur einige Augenblicke mit mir und ich werde euch verlassen. Ichmöchte wissen wo ich bin, so das ich weiß, wie weit ich noch zu reisenhabe.“
Sie betrachtete ihn ängstlich unter ihren unglaublich langen Wimpern hervor,die um einiges dunkler waren als ihre Haare. Konnte eine solche Schönheitwirklich existieren?
„Vielleicht seit ihr auch nur ein Trugbild meiner Fantasie, das ich mir inmeinem geschwächten Zustand erschuf?“ sagte er, seine Gedanken lautaussprechend.
„Ihr seht aber überhaupt nicht geschwächt aus, Herr Ritter.“ Ihre großen,azurblauen Augen glitten über ihn hinweg und dann errötete sie sichtlich.„Ich habe Wunden davongetragen, die noch nicht verheilt sind. Jede Nachtsuchen mich Fieberträume heim. Vielleicht träume ich jetzt auch gerade.“„Ihr seid ganz bestimmt wach, Herr Ritter.“
“Aber wie kann ich da wirklich sicher sein? Eine Schönheit wie die Eure istso selten wie arabische Rubine. Obwohl es natürlich eine Möglichkeit gebe,wie ich es herausfinden kann. Ich bitte um eine Gunst, edle Dame, einenKuss.“ Er stand auf und zog die Dame in seine Arme, ehe sie protestierenkonnte und küsste sie mit all der Inbrunst, die er verspürte.
Wenn sie versucht hätte sich zu befreien, wenn sie sich gewehrt hätte, dannhätte er sie auf der Stelle losgelassen, aber sie protestierte nicht.
Stattdessen reagierte sie auf die Berührung ihrer Lippen mit einem kehligenStöhnen. Ihre Hände legten sich um seinen Hals und fuhren streichelnd durchsein Haar. Er hatte schon Frauen geküsst, aber noch nie war es so ein Kusswie dieser gewesen. Sogar hier im kalten Wasser schien sein Blut zu kochen.Er spürte wie sie in seinen Armen zitterte und wusste dass sie dieses Gefühlganz sicher mit ihm teilte.
„Arno! Wo bist du?”
Sie lösten sich voneinander, als der Klang von Wulfgars Stimme sich näherte.Er schob die Dame sanft von sich, erfreut über den verträumten Blick inihren Augen, der ihn dahingehend beruhigte, dass auch sie der Kuss nichtkalt gelassen hatte.
„Ich muss wissen, wer ihr seid.“ sagte Arno mit erstickter Stimme.Wulfgar rief erneut nach ihm Arno, daran denkend, die Dame zu schützen,bewegte sich wieder auf das gegenüberliegende Ufer zu.
“Einen Moment noch Bruder.”
“Deine Suche muss warten. Unser Vater verlangt unsere Rückkehr. SeineVasallen werden von Gesetzlosen attackiert und die Dörfer überfallen. Erbraucht unsere Hilfe, sofort. Eben erreichte ein Bote von ihm unser Lager.Wir sollen so schnell es nur geht mit unseren Männern zu ihm stoßen.“Es gab keine Möglichkeit sich dem zu verweigern. Er schuldete seinem VaterLehenstreue und jeder der Männer die mit ihm ritten, stammte von denBesitzungen seines Vaters. Arnos Rüstung, sein Schlachtross, seine Waffen,all das war vom Geld seines Vaters bezahlt worden.
Als Arno sich wieder zu dem liebreizenden Mädchen herumdrehte, welches ergerade geküsst hatte, war er erschüttert darüber, das sie verschwunden war.Sie hatte sich in Luft aufgelöst, so als ob sie nie zuvor da gewesen wäre.Vielleicht war sie eine Königin aus dem Feenreich, etwas was ihm seineEinbildungskraft vorgegaukelt hatte. Wer konnte das schon wissen? Ernsthaftschwor er sich eines Tages hierher an diesen Ort zurückzukehren.


Die Burg Branstein, im nächsten Frühjahr
Mechthild lief auf gebracht durch das Turmzimmer. „Bei allen Heiligen, dasist nicht zu akzeptieren.“
„Reg dich nicht auf, mein Kind,“ sagte die alte Frau. „Alles wird gutwerden.“
„Thekla, selbst du kannst das nicht im Ernst glauben. Sie wollen mich dazuzwingen einen üblen, dummen Kerl zu heiraten. Sie lassen mir noch nichteinmal zu in Ruhe um meinen Vater zu trauern.“
Graf Walther betrat die Kammer ohne sich damit aufzuhalten vorheranzuklopfen. Sie war wütend. Er schien der beste Freund von Graf Gunnar,ihrem Vater, gewesen zu sein. Anderenfalls hätte sie nie erlaubt dieZugbrücke für ihn und seine Soldaten herunterzulassen. Doch statt ihrehrerbietig seine Aufwartung zu machen, hatten seine Männer im Handstreichdie schwach verteidigte Burg genommen, kaum das die Zugbrückeheruntergelassen war. Ihr den Tod ihres Vaters zu verkünden und sie dannsofort zu zwingen die Befehlsgewalt über ihre Heimstatt abzutreten, das warunverzeihlich.
„Edle Dame Mechthild, warum seit ihr noch nicht fertig? Das Turnier beginntbald. Als Ehrengast werdet ihr bei König Heinrich und mir sitzen.“
“Ich wünsche niemanden zu heiraten. Dieses Turnier ist ein Mummenschanz.“
„Es ist das, was Euer Vater gewollt hätte.“
„Er hätte mich nie dazu gezwungen zu heiraten.“
„Er war eine lange Zeit fort. Und ihr seid erwachsen geworden, bereit eineBraut zu sein. Und ihr seid die Erbin bedeutender Ländereien. Viele Ritterauf dem Felde wollen heute um die Ehre euch zu heiraten kämpfen.“
“Ihr meint die Ehre Burg Branstein und die fruchtbaren Ländereien ringsum zubesitzen.”
Graf Walther zog gedankenverloren an seinem Kinnbart. „Euer Vater starbwährend des Kreuzzuges. Er diente seinem Herrscher und seinem Lande gut.Wollt ihr weniger tun? Branstein grenzt ans Meer. Es war stets eine Festung,ein Außenposten. Unsere Feinde können keine Truppen hier anlanden, ohneBransteins Wissen. Eine starke Militärpräsenz ist notwendig.“
„Wir befinden uns nicht im Krieg mit anderen Ländern.“
„Nicht im Moment, aber niemand kann für die Zukunft sprechen.“
„Graf Gunnar überließ mir hier die Befehlsgewalt. Ich habe Branstein ohneZwischenfälle gehalten.“
„Ihr habt euch gut geschlagen, für eine Frau. Aber als die Erbin euresVaters habt ihr auch eine Verpflichtung.“ Es war offensichtlich dass er vonihr enttäuscht war.
“Ich will keines Mannes Habe sein.” Sie war die ganze Zeit über unabhängiggewesen und wollte das nicht ändern.
„Der König wartet auf uns, edle Dame. Es gefällt ihm nicht zu warten. AlteFrau, gebt ihr einen Mantel.“


Wenn er nicht die Krone oder die edle Kleidung getragen hätte, wäre KönigHeinrichs Gestalt in keiner Weise eine imponierende Erscheinung gewesen. Erwar weder groß noch geschmeidig. Sein dunkles Haar und seine Augen warenunscheinbar. Er lächelte sie mit einem dünnlippigen Lächeln an und sie hieltseinen Gesichtsausdruck für genauso unheimlich wie den einer Schlange. Nein,dieser Vergleich wäre eine Beleidigung für die Schlangen gewesen.
„Edle Madeleine, kommt setzt euch zu uns, so dass wir die Unterhaltungbesser genießen können, die euch zu Ehren gegeben wird.“
Sie war dazu gezwungen zwischen König Heinrich und Graf Walther Platz zunehmen. Auf der Tribüne hatten weitere Höflinge Platz genommen und sieerkannte die edle Dame Irmgard, Graf Walthers Frau, die dort mit ihrenTöchtern saß. Sie hätte es vorgezogen bei ihnen zu sitzen. Aber sie warnichts anderes als eine Gefangene.
„Viele junge Ritter werden heute ihre Kräfte messen. Und morgen, wird derRitter, der erfolgreich mit allen gerungen hat eure Hand gewinnen.“Und die Börse eurer königlichen Hoheit mästen. Der König drückte ihnen mitseinen Steuern immer weiter die Luft ab und schaute stets nach neuenMöglichkeiten, seine Schatztruhen zu füllen. Mechthild fühlte nichts weiterals Abscheu vor ihm und betete inständig es mögen bessere Zeiten im Reichanbrechen.
Mechthild schaute auf das Turnierfeld hinunter. Dort befanden sich vieleZelte mit farbenprächtigen Wimpeln, die im Wind flatterten. Ritter übtenihre tödlichen Fertigkeiten, ritten hin und her auf ihren paradierendenKriegsrössern, die Knappen und Pagen dicht um sich gescharrt. Bauern aus demUmland hatten sich hinter den Absperrungen versammelt. Händler bahnten sichihren Weg durch die Menge und priesen laut Fleischpasteten und verschiedeneandere Kleinigkeiten an. Es war ein gewaltiges Spektakel, aber sie wünschtesich von ganzem Herzen, das sie es sich nicht ansehen müsste.
Ein Ritter zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sein Waffenrock wies ihn alsKreuzfahrer aus, aber es gab keinen weiteren Hinweis, weder auf seinem Helmoder seinem Schild. Jeder andere Ritter trug ein Wappen. Konnte dieserRitter dort unten auf dem Feld der Fremde aus dem Wald sein, den derKrieger, der ihn vom Fluss weggeholt hatte, Arno genannt hatte?
Jeden Tag, seit er sie geküsst hatte, war erfüllt gewesen von Gedanken anihn. Sie sah ihn deutlich vor ihrem inneren Auge mit seiner kraftvollen,muskulösen Brust und seinen breiten Schultern, seine grünen Augen zwinkertenihr belustigt zu, sein dickes, schwarzes Haar wurde vom Wind zerzaust. IhreGedanken gingen zu den unmöglichsten Gelegenheiten zu ihm auf die Reise undsie wollte erneut das Vergnügen spüren, welches sie bei seinemleidenschaftlichen Kuss verspürt hatte.
Sie hatte nie zuvor so etwas erlebt. Von solch einem Mann geliebt zu werden,würde ihr nicht widerstreben. Aber er wusste nicht, wer sie war. Jagte ernicht irgendwo Gesetzlose? Genau das waren doch die Worte gewesen, mit denensein Bruder ihn aus ihren Armen gerissen hatte. Sie hatte den Wortwechselgehört dort am Fluss, verborgen hinter dem üppig wuchernden Ufergebüsch. Eswar lediglich ihre Vernarrtheit, die sie an ihn denken, sich nach ihm sehnenließ.
Ein weiterer kriecherischer Graf, der eine Audienz bei König Heinrich habenwollte, gesellte sich zu ihnen.
„Graf Rüdiger, ich hatte nicht erwartet euch hier zu sehen, an diesem Tag.“„In der Tat, doch es ist eine Angelegenheit großen persönlichen Schmerzes,die mich hierher führt. Mein Sohn und Erbe wurde vor kurzem bei einemJagdunfall getötet. Meine liebe Gemahlin grämte sich darüber zu Tode. Ichhabe keine weiteren Erben. Ich bin gekommen um die edle Dame Mechthild zuerringen.“
König Heinrich und Graf Walther wechselten einen überraschten Blick. Rüdigerder Rote hatte früher einmal leuchtendes, karottenrotes Haar gehabt, aberjetzt befand sich viel Weiß zwischen seinem flammendroten Haar; er wargebeugt und kränklich in letzter Zeit.
“Ganz sicher könnt ihr nicht auf dem Feld erscheinen,” sagte König Heinrich.„Nein, mein Graf. Ich habe einen Kämpfer, der an meiner Stelle kämpfenwird.“
“Ich billige es, wenn ihr den dafür erforderlichen Preis dafür zahlenwerdet.”
Graf Rüdiger lächelte und enthüllte seine verfaulenden Zähne. „Natürlich,eure Majestät, ich hatte nichts anderes erwartet.“
„Wer ist euer Kämpfer?“
„Ein erfahrener Krieger, aber ohne jede Bedeutung.“
„Wenn er gewinnt werdet ihr ihn uns vorstellen. Wir haben immer Bedarf anguten Söldnern.“
Graf Rüdiger beugte sein Haupt. Dann wandte er seine AufmerksamkeitMechthild zu und betrachtete sie mit unverschämter Gründlichkeit. Es kam ihrso vor, als ob der rohe Geselle auf genau dieselbe Art und Weise auch einPferd mustern würde.
„Ihr habt eine liebreizende Haut,“ sagte er.
Mechthild wandte sich verächtlich wieder dem Feld zu, wo die erstenWaffengänge gerade begannen. Bald war sie ganz versunken in den Anblickzweier Ritter, die einander mit Lanzen bekämpften.


Arno zog seinen schweißgetränkten Helm vom Kopf und betrachtete die Tribüne.Die Menge tobte vor Vergnügen und klatschte. Er hatte bisher jeden Kampfgewonnen. Kein anderer Ritter hatte mit dieser Kraft und Stärke gekämpft.Niemand auf dem Feld konnte es ihm an Fertigkeit mit der Lanze oder demBreitschwert gleichtun. Er schaute nun zur Tribüne und wartete darauf, dasssie ihn ansah.
Er hatte noch immer nicht ihr Gesicht gesehen. Graf Gunnars Tochter trugeinen dunklen Schleier und eine Haube, die einen Großteil ihres Gesichtesund ihr Haar verbargen. Aber er konnte sehen, dass ihre Augen von einemstrahlenden Blau waren, welche ihn an die Augen der wunderschönen,geheimnisvollen Dame erinnerten, die er im Wald geküsst hatte.
Die Dame erhob sich und starrte ihn an, so als ob der Anblick seinesGesichtes ihr Grund zur Überraschung bieten würde. Dann warf sie ihm ein mitfeiner Spitze umwobenes Taschentuch zu, ganz offensichtlich ein Zeichenihrer Zuneigung.
„Gut gemacht“, rief König Heinrich. „Ihr werdet uns Gesellschaft leisten undheute Abend mit uns im Burg speisen.“
Graf Rüdiger, obwohl er nicht sprach, hatte noch nie zuvor so erfreut undstolz ausgesehen. Mit sorgenerfüllter Miene wünschte sich Arno, dass würdeimmer so sein, aber er wusste das es sich ändern würde.
Standesgemäße Kleidung wurde vom Burg herab zu seinem Zelt gesandt. Nachdemer sich gewaschen hatte, kleidete sich Arno in eine edle Leinentunika, eineneue Hose und weiche Lederschuhe.
„Du siehst mehr wie ein König aus, als Heinrich selbst“, sagte Wulfgar.Arno verspürte nach den anstrengenden Kämpfen überall Schmerzen, aber erverbiss sie sich tapfer. Als er in der großen Halle der Burg angelangt war,fand er den König und die meisten seines Hofstaates bereits sitzend undlärmend zechend und speisend vor. Zum ersten Mal in seinem Leben wurde erzur Ehrentafel auf dem Podium geleitet. Es schien als ob die Ehrungen heutekein Ende nehmen würden. Er schaute sich um, bewunderte die farbenfrohenWandteppiche, die vor den grauen Steinwänden hingen. Aber er war enttäuscht,nicht die Dame Mechthild zu sehen. Dann, als ob von seinen Gedankenherbeigerufen, erschien sie. Es war, als ob sie das Sonnenlicht mit sichbrachte, denn der Raum erschien ihm auf einmal viel heller.
Sie war noch immer verschleiert, aber wundervoll gekleidet. Sie trug einblaues Seidenkleid, mit weiten Ärmeln und einem an den Seiten enggeschnürten Überkleid, welches ihre enge Taille betonte. Darunter blitzte abund an ein Unterrock hervor. Obwohl ihr Kleid schlicht gearbeitet war,konnte man deutlich erkennen, was für hochwertige Seide man dafürverarbeitet hatte.
“Ihr ehrt uns mit eurer Anwesenheit”, sagte Graf Rüdiger mit aufrichtigerAnerkennung. Dann wandte er sich an den König. „Ich möchte einen Trinkspruchauf meine zukünftige Braut aussprechen.“
„Eure Braut?“ fragte die Dame. „Aber ich werde seine Braut sein.“ Siedeutete auf Arno.
„Edle Dame, dieser Ritter diente mir als mein Kämpfer.“
“Vater, ich bin in Wahrheit nicht als euer Kämpfer erschienen. Wohl folgteich Eurem Wunsche hier auf dem Turnier auf Burg Branstein zu kämpfen, dochnicht für eure Farben, Herr Graf. Mein Sinnen war anderer Natur.”, sagteArno.
Das Gesicht von Graf Rüdiger lief knallrot an.
Arno zog einen Gegenstand aus seiner ledernen Börse und hielt ihn der edlenDame Mechthild hin. „Wisst ihr, was das ist, edle Dame?“
„Natürlich, das ist der Siegelring Graf Gunnars, meines Vaters. Er trug ihnimmer bei sich. Wie seit ihr in seinen Besitz gelangt?“
“Wir kämpften zusammen im Heiligen Land. Die Sarazenen überfielen uns, siewaren uns zahlenmäßig überlegen in der Schlacht. Euer Vater kämpfte tapfer,aber er wurde tödlich verwundet. Ich tat, was ich konnte, für ihn. Ehe erstarb gab er mir diesen Ring und befahl mir Burg Branstein aufzusuchen. Erbat mich um das Versprechen mich um seine Tochter zu kümmern. Es war seinWunsch, das wir heiraten.“
Graf Rüdiger erhob sich taumelt auf die Füße und trat auf Arno zu. „Ihr habtmich verraten!“
Arno schüttelte den Kopf. „Nein. Ich musste ein Versprechen erfüllen,welches ich bei meiner Ritterehre gab.“
Mechthild hob den Schleier von ihrem Gesicht und schaute Arno an, zuerstvoller Erstaunen, dann voller Freude. „Dieser Mann muss mein Ehemann sein,wie es mein Vater, Graf Gunnar, gewünscht hat. Er ist ein wahrer Ritter. Ichwill keinen anderen als Gemahl.“ Sie lächelte Arno an und er nahm sie inseine Arme.









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