Märchen oder wie jetzt?

Autor: Amy
veröffentlicht am: 26.01.2009




'Aber Emma, du kannst doch jetzt nicht zu einer wilden Meute Piraten gehen! Oh, nichts für Ungut Lucien, aber du weißt wie ich das meine!', beteuerte Emily. 'Schon okay, ich weiß was du meinst…Du hast ja Recht. Aber Emma wird nichts passieren. Sie ist viel zu wichtig für Hook. Und wenn ich sage, ich will bei ihr die Wache sein, dann passt das schon!' - 'Wir kommen, so schnell es geht, auch ins…ins…na da hin halt!', bemühte Warren sich, die Wörter herauszubringen.
'Keine Sorge, ich pass auf deine Freundin auf!', versicherte ihm Lucien noch mal. 'Ehm…Lucien, Warren und ich sind kein Paar…nur so am Rande…', flüsterte ich ihm schnell zu. 'Natürlich…', flüsterte er mit dem sarkastischsten Ton zurück, den ich je gehört hatte.
Emily nahm mich kurz zur Seite, um mich mit ihrer Umarmung beinahe zu erdrücken. 'Oh man, Emma. Ich hab jetzt schon total Angst um dich! Aber wir werden alles versuchen, um dich daraus zu bekommen, ja?! Ach und…meinst du Lucien steht auf Blondinen?' - 'Äh…' - 'Naja, wenn nicht, wird ers halt, nachdem er mich richtig kennen gelernt hat. Er ist genau mein Typ! Groß, nicht zu schmal oder zu dick, schönes Gesicht, tolle Haare und auch einfach höflich und nett…du erinnerst dich doch noch, als wir uns unseren Traumtypen überlegt haben oder?'
Ohja, das wusste ich noch zu gut, obwohl im Grunde nur sie sich einen überlegt hatte. Genauer als bei ihr ging es jedenfalls wirklich nicht mehr.
Das war vor ungefähr zwei Monaten oder so gewesen, als wir auf dem Schulhof waren und die Jungs unserer Schule betrachtet hatten. Sie meinte etwas wie:
'Ach, weißt du Emma, hier findest du eh nicht DEN Traumprinzen. Schon gar nicht in unserer Stufe! Schau dir zum Beispiel den mal an, der sähe ja nicht schlecht aus, aber er ist nur wenige Zentimeter größer als ich und ich glaube sein Charakter ist auch nicht der tollste. Weißt du, eigentlich müsste ich eine Liste zum abhaken führen und dann alle Typen abklappern…' - 'Du könntest dich auch einfach erobern lassen. Und das Äußere zählt doch auch nicht so sehr. Natürlich ist es nicht schlimm, wenn er toll aussieht, aber das wichtigste ist doch, wenn ihr euch gut versteht, du ihn liebst und er dich ebenso.', war meine Antwort gewesen, worauf sie nur mit den Augen gerollt hatte. 'Emma, du kannst das nicht beurteilen! Wann war noch mal deine letzte Beziehung? Oh richtig, noch nie. Hör mal, ich weiß, Was und vor allem Wen ich brauche! Matt war nicht der Richtige, also muss ich jetzt Kriterien anstellen, damit ich nicht wieder enttäuscht werde! Ich zähl mal ein paar Sachen auf okay?' - 'Tu dir keinen Zwang an…', hatte ich nebenbei erwähnt und es mir auf der Bank bequem gemacht, wohlwissend, dass diese Unterhaltung länger dauern konnte.
'Also, zuerstmal das Äußere', hatte sie begonnen, 'am liebsten wären mir hellbraune bis dunkelblonde Haare, dann nicht zu kurz, aber natürlich auch nicht so lang wie meine Haare! Ein hübsches Gesicht und nicht zu bleich. Die Augenfarbe ist mir eigentlich egal, nur nicht eklig oder so…und mindestens 1,85m groß. Und bitte nicht so ein Schrank, aber auch kein schlaksiger Kerl. Natürlich einen guten Klamottenstil, ansonsten kleide ich ihn neu ein. Übrigens müssten wir beide auch mal wieder…ach mist ich weiche ab. Also jetzt der Charakter: lieb, nett, treu, höflich, zuvorkommend, nicht zu anhänglich, lustig, keine Spaßbremse, kein Streber, kein Macho, mutig, aber er sollte sich nicht immer direkt mit Jedem prügeln wollen, warmherzig…ach und er sollte eine Granate im Küssen sein…' - 'Sonst noch was?' - 'Nein…ich denke das wars fürs Erste…'- 'Mensch, da bin ich ja beruhigt. Emily, du kannst eigentlich direkt ins Kloster gehen. So jemanden findest du eh nicht.' - 'Ein Mädchen darf doch wohl noch mal träumen oder?' - 'Solange du auch noch andere Träume hast, sicherlich.'

'Haaalloooo! Erde an Emma! Bist du noch da?', ich schrak hoch, als sie mir mit den Fingern vor der Nase rumschnipste. 'Äh sicherlich. Was hast du gesagt?' - 'Dass Lucien genau perfekt ist! Du willst doch eh keine Beziehung, oder? Oh man, ich muss ihn irgendwie…' - 'Emily, zuerst muss ich mit ihm zu Hook und alles erledigen! Halte dich einfach an den Plan und wenn alles vorbei ist, kannst du ihn ja fragen, ob er mal mit dir ausgeht!' - 'Ja du hast recht. Entschuldige bitte, aber ich bin ganz aufgeregt!' Es fehlte wirklich nicht viel und sie wäre hier im Kreis herumgehoppst.
Ich packte sie an den Schultern, drückte sie noch einmal so kräftig wie ich konnte und zerrte sie dann zu den Jungs zurück, die sich einfach nur anstarrten.

'Na endlich. Lucien, warum wart ihr solange weg? Waren ihre Freunde so Begriffsstutzig oder was war los?' - 'Nein, alles in Ordnung. Hat nur ein bisschen gedauert, bis sie sie gehen lassen wollten. Und jetzt bring ich sie wieder in den Raum, damit sie sich ausruhen kann, okay?!' - 'Ja, ist okay Lucien. Ach, hast du das Buch mitgenommen?' - 'Ja...'

'Welches Buch meinte er?', fragte ich Lucien mit gerunzelter Stirn, als wir in meinem 'Gefängnis' waren. 'Ehm…das hier…bitte sei nicht böse! Ich musste es mitnehmen.'Er hielt ruhig das Buch meiner Urgroßmutter hoch und reichte es mir dann über den Tisch. Ich merkte erst, dass ich wieder angefangen hatte zu weinen, als dicke Tropfen auf die Seiten des Buches fielen. 'Ich glaub ich lass dir mal ein bisschen Zeit für dich. Ruf mich, wenn du etwas benötigst, okay?' Ich nickte und Lucien erhob sich und verschwand durch die Tür.Den restlichen Tag verbrachte ich weinend auf dem Stuhl und dachte darüber nach, ob ich wirklich das Richtige tat. Was könnte Hook denn alles meiner Familie antun? Und meinen Freunden?
Das war, glaub ich, der Tiefpunkt an diesem Tag, denn es tat wirklich sehr weh über die Leute nachzudenken, die ich eigentlich ans Messer geliefert hatte, wenn ich die Wünsche des Käpt'n nicht erfüllte.

Ich hatte mich auf dem Stuhl klein gemacht, die Knie rangezogen und die Arme darumgeschlungen, starrte mit nassen Wangen auf das Buch vor mir und hoffte, es würde alles bald aufhören.
Ein Klopfen an der Tür holte mich aus der Starre zurück und ich richtete mich auf meinem Stuhl auf. Ein Mann mitte 30 trat durch die Tür und während er mich angrinste entblößte er seine gelben, halbverfaulten Zähne. Er trug nur eine einfache Hose und ein offenes Hemd, wodurch man erkennen konnte, dass es wirkliche keine Stelle an seinem Körper gab, die nicht mit Tattoos bemalt war. Das dürfte demnach dann Bill Jukes sein, er war auch im Buch erwähnt.
'Ich soll das kleine Fräulein holen. Die Crew isst jetzt.' - 'Oh, besten Dank auch. Wirklich freundlich.', oh wie sarkastisch ich klingen konnte, das war mir bisher nie so aufgefallen. 'Du kannst deinem ach so tollem Käpt'n sagen, dass ich keine Lust und keinen Hunger habe.' - 'Tja, er hat gesagt, du würdest so antworten und ich soll dir ausrichten, dass du dann das Deck schrubben wirst.' - 'Wo sind die Putzsachen?' - 'Und zwar gänzlich ohne Kleidung.', grinste Bill jetzt noch weiter, als er es zuvor schon tat.
Ugh, wie widerwärtig war das denn?!
'Schön.', und widerwillig erhob ich mich von meinem Stuhl und steuerte auf den Piraten zu, drehte jedoch noch einmal um und schnappte mir kurzentschlossen das Buch meiner Urgroßmutter Wendy. Man konnte ja nie wissen, schließlich war ich bei Piraten gelandet. Übrigens hatte ich mittlerweile auch festgestellt, dass ich schon längst auf ihrem Schiff war und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis wir ablegten. Allerdings war es mir noch unklar, wo das Schiff in London angelegt hatte, denn ein Schiff aus einer alten Zeit würde ja auffallen, und auf einem Luxusdampfer befand ich mich ganz sicher auch nicht.
Ich speicherte diese und meine anderen Fragen in meinem Hinterkopf ab und bereitete mich seelisch erstmal auf das Essen mit der Crew vor. Ich war wirklich nervös, denn was löste ich bei einer Horde Männer aus, die Ewigkeiten keine Frau sehen? Natürlich war ich in deren Sicht noch relativ jung, aber Frau ist Frau.
Ich schüttelte schnell meinen Kopf um die grausigen Gedanken loszuwerden, atmete noch einmal tief durch und machte den Schritt durch die Tür, die mir Bill Jakes aufhielt.

Kaum hatte ich den abgedunkelten Raum betreten, brach die ganze Mannschaft in Gejohle und Gegröhle aus, bis sich James Hook erhob und mit seinem Harken, den er statt seiner rechten Hand hatte, an etwas entlangkratzte, das so ein fieses Geräusch machte, wie Fingernägel an einer Tafel, wenn nicht noch schlimmer.
'Emma, wie schön dich hier anzutreffen.', begrüßte er mich mit einem süffisanten Lächeln. 'Hmpf.', war mein einziger Kommentar und ich verschränkte meine Arme abweisend vor der Brust. 'Aber, aber, nicht so unfreundlich. Setzt dich hier zu mir und Lucien.' Ich hatte schon den Mund geöffnet, um etwas Patziges zu antworten, besann mich aber eines Besseren und schloss ihn wieder. Bill Jakes gab mir einen ordentlichen Stoß in den Rücken, woraufhin ich vorwärts stolperte und beinahe auf den Schoß eines dunkelhäutigen Muskelprotz gefallen wäre, doch zum Glück hatte ich rechtzeitig eine Tischkante gefunden an der ich mich festhalten konnte.

'Hoppla Süße, nicht so eilig!', grinste mich ein Mann an, dessen Hände falschherum angewachsen waren und somit Noodler sein musste. Erschrocken fuhr ich zurück und schon fingen alle Männer an zu lachen. Ich schaute mich Hilfe suchend im Raum um, bis ich denjenigen gefunden hatte, den ich suchte. Zielsicher steuerte ich den Platz neben Lucien an, worauf einige der Crew enttäuscht maulte und Andere wiederum, in deren Nähe ich mich hinsetzte, begeistert klatschten.
'Holla, da hat's dir unser kleiner Freund ja wohl ordentlich angetan, was?' - 'Sie hatten gesagt, ich solle mich hierher setzen. Und jetzt würde ich gerne essen, wenn Sie nichts dagegen haben.' - 'Du gefällst mir immer mehr, Kleine.' - 'Ach, und nennen Sie mich nicht mehr Kleine. Auch wenn ich nicht sonderlich groß bin, haben Sie noch lange kein Recht darauf mich mit Kosenamen anzusprechen.' - 'Und auch noch schlagfertig. Zu Befehl Madam!', antwortete Hook sichtlich vergnügt.

Das Abendessen verlief relativ Ereignislos, wenn man es so bezeichnen konnte, wenn man mit Piraten zu Abend aß. Hier wurde mit der Hähnchenkeule geworfen, dort wurde das Bier über den Kopf geschüttet. Alles in allem ziemlich unzivilisiert, aber ich hatte es überstanden und war froh, als es endlich vorbei war.
Ich war wirklich ziemlich froh, als Lucien sich zu mir beugte und mir zuflüsterte, dass er mich jetzt zu einem Bett bringen würde.
Er führte mich zu einem anderen Zimmer, was ich zu meiner Erleichterung feststellte, denn somit musste ich nicht in dem ungemütlichen Zimmer von vorhin schlafen. Doch Lucien schaute so grimmig drein, dass sich meine Erleichterung wieder verkroch und ich ihn nur fragend ansah.







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