Sag, was du fühlst Teil 8

Autor: ***BlackHope***
veröffentlicht am: 08.04.2009




Kapitel 7

'Was ist denn jetzt kaputt? Ich glaub, ich fass es nicht! Wie kann diese dumme Kuh es wagen...?' Ungläubig starrte Tonja auf das Bild, das sich ihr von ihrem Platz auf der Pavillonbank bot.
Danielle, Anne und Janet folgten ihrer Blickrichtung und sahen Mark Hand in Hand mit einer dunkelhaarigen, unbeschwert mit ihm lachenden Schönheit die Auffahrt zu Schule heraufkommen.
'Hm, sieht ganz so aus, als wäre Marks Freundin aus Deutschland überraschend aufgetaucht', sagte Danielle gleichmütig.
Tonja warf ihr einen giftigen Blick zu. 'Bist du jetzt nicht nur fett, sondern auch noch blind, oder was? Das ist keine Freundin aus Deutschland, das ist Ce-silly. Unser Dorftrottel. Die dämliche, unterbelichtete, bescheuerte Cecilia. Und sie vergreift sich an meinem Mark. Sie muss doch wissen, dass sie damit niemals durchkommt. Ist sie denn jetzt lebensmüde, oder was?'
'Nicht so laut, meine Liebe, sonst hört dich vielleicht noch dein Finn', bemerkte Danielle und deutete mit dem Kopf auf den blonden Jungen, der mit seinen drei Kumpels zwei Bänke weiter saß. Nicht nur er, sondern alle schauten auf einmal zu Mark und Cecilia hinüber, wobei ihre Blicke eindeutig an Cecilia hingen.
Sie trug die Haare offen, und sie flatterten in der leichten Brise um ihr Gesicht. Auch mit den Augen hatte sie wohl irgendwas gemacht, denn sie wirkten noch größer und blauer als sonst.'Ich fass es nicht, sie hat sich geschminkt', fauchte Tonja.
'Na ja, ich würde mal sagen, nur ein bisschen Wimperntusche. Mit deiner Kriegsbemalung nicht zu vergleichen', kommentierte Danielle.
'Jedenfalls bedeutete das Krieg', giftete Tonja. 'Wenn sie glaub, dass sie mich ausbooten kann, hat sie sich geschnitten. Sie wird schon sehen, was sie davon hat.'
'Ja. Mark', bemerkte Danielle trocken.
'Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?' Tonja bedachte Danielle mit einem wütenden Blick. 'Und glaub bloß nicht, dass du dir alles herausnehmen kannst, nur weil … Du weißt ja, Ce-sillys Freunde sind meine Feinde. Wer mir in die Quere kommt, hat schon verloren. Also pass gut auf, dass du es nicht zu weit treibst.'
'Hier, nimm´nen Keks, das beruhigt', erwiderte Danielle und hielt Tonja schnell die Packung hin. Die nahm einen Keks legte ihn in ihre Handfläche und schloss die Finger darum. Dann öffnete sie die Hand wieder und ließ die Brösel langsam auf den Boden fallen, um sie dann mit der Schuhspitze weiter zu zertreten.
'So geht des jedem, der gegen mich ist', warnte Tonja mit plötzlich leiser Stimme. 'Ich an deiner Stelle würde mir das gut überlegen. Ce-silly jedenfalls ist schon so gut wie erledigt.'Damit drehte sie sich um und rauschte hoheitsvoll davon.

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Marks Mail vom Freitag, 10. September:

Hallo Toby,
eigentlich wollte ich dir gestern schon schreiben. Ich war so aufgekratzt, dass ich gar nicht schlagen konnte. Aber es ist wohl besser, wenn ich dir heute erst berichte, wer weiß, was sonst dabei rausgekommen wäre.
Ich bin also gestern in das Tal gefahren und habe auf Cecilia gewartete. Sie hat sich etwas verspätete und ich wollte schon fluchend umkehren als sie plötzlich vor mir stand. Ich habe ihr die Geschichte mit Sylvia erzählt, und sie hat einfach zugehört.
Sie ist wirklich ein süßes Mädchen, Toby.
Was soll ich dir da viel zu sagen. Ich glaube, ich altes Trottelgesicht habe mich unsterblich verliebt.
Heute bin ich in der Schule nur rumgehumpelt, weil ich mir gestern den Zeh verstaucht habe - bei dem untauglichen Versuch, einen Stein, der noch fest mit dem Untergrund verankert war, als Fußball zu benutzen. Hör auf zu lachen du Depp.
Cecilia war jedenfalls die ganze Zeit an meiner Seite. Sie ist richtig aufgeblüht, sieht umwerfend aus und trägt die Haare jetzt offen. Ich habe ihr gesagt, dass mir das so gefällt. Ja, sie stellt sogar Miss Cortez in den Schatten. Tonja sieht neben ihr aus wie ein Mauerblümchen. Ich bin jedenfalls so froh, dass sie gestern wirklich gekommen ist.Viele Grüße und ein schönes Wochenende.
Mark

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Cecilias Tagebucheintrag:
Freitag, 10. September, abends
Was für ein Tag! Ich konnte es gar nicht glauben, als ich heute Morgen zum Frühstück kam und Mark mich tatsächlich fröhlich anlachte und mir zuzwinkerte - irgendwie hab ich wohl immer noch geglaubt, dass es nur ein Traum war oder es er sich über Nacht anders überlegt hat.
Vor Mum und Dad hat er sich natürlich nicht getraut irgendwas Auffälliges zu machen, aber auf dem Weg zu Schule nahm er dann ganz selbstverständlich meine Hand. Und so sind wir dann in der Cortez High angekommen wie ein ganz offizielles Pärchen.
Beinahe hätte ich ja meine Hand noch weggezogen, als wir in Sichtweite der Schule kamen, und auch die Haare hätte ich mir am liebsten wieder zum Knoten gesteckt.
Aber Mark hat gleich draußen vor der Haustür gesagt das er es toll findet, wenn ich es offen trage, und er hätte vielleicht gedacht, es stimmt was nicht, wenn ich es wieder hoch stecke. Oder meine Hand wegnehme.
Trotzdem konnte man deutlich merken, dass uns alle Blicke folgten, als wir zu Schule kamen. Die von Tonja und Co. Natürlich sowieso. Himmel, wenn Blicke töten könnten, wäre von mir jetzt nur noch ein Häufchen Asche übrig.
Es hat mir richtig Angst gemacht, wie Tonja mich anstarrte. Deshalb bin ich auch den ganzen Tag kaum von Marks Seite gewichen.
Er humpelt noch, weil ihm der Zeh von gestern wehtut, das war also eine gute Ausrede, aber ich hätte mich auch sonst kaum getraut, mich allein irgendwo blicken zu lassen.
Und das nicht nur wegen Tonja und Co. Noch viel komischer ist, das plötzlich die anderen Jungs auch von mir Notiz nehmen. Also Finn zum Beispiel, Tonjas Freund, der hat mich die ganze Zeit angestarrt, als wollte er unter mein Top gucken oder weiß ich wohin. Das war richtig unangenehm.
Und Clive hat mich sogar angesprochen, in der halben Minute wo Mark mal auf dem Jungenklo war. Ich wusste erst gar nicht, dass er mich meint, und hab nur irgendwas gestottert.
Na ja, was anderes hat er vom Dorftrottel ja auch wohl nicht erwartet. Er hat aber gar nichts Fieses gesagt, sondern nur freundlich gelächelt und ist dann abgezogen, als Mark wiederkam.Jedenfalls war ich froh, als die Schule vorbei war. Am Nachmittag haben wir nämlich zusammen Hausaufgaben gemacht und sind danach noch ein bisschen rumgeradelt. Ich hab schon überlegt, ob ich Mark mein Geheimversteck zeige, hinten im Tal, aber dafür ist es vielleicht noch ein bisschen früh. Aber es gibt ja genügend andere Stellen.
Am Sonntag wollen wir nach Mesa Verde, Mom und Dad fahren uns hin und holen uns ab, aber wir haben den ganzen Tag alleine da, weil sie bei der Gelegenheit noch ein paar Kunden in der Gegen besuchen. Ich freu mich schon so!
Und bis Montag haben sich die Gemüter in der Schule bestimmt wieder beruhigt...

Sonntag, 12. September, abends
Wir sind gerade aus Mesa Verde zurückgekommen, und ich bin immer noch ganz hin und weg. Na ja, als die Cliff-Dwellings kannte ich ja schon, obwohl es immer wieder beeindruckend ist, welche riesigen Bauten die Indianer dort unter den überhängenden Felsvorsprüngen errichtet haben. Aber Mark, Mark war einfach so … so süß und lieb und wunderbar!
Wir sind Hand in Hand über die Trails gelaufen und in den Ruinen herum geklettert, und als wir zu einem der Cliff-Dwellings kamen, das etwas abseits von den Haupttouristenroute liegt, zog mich Mark durch den schmalen Durchgang.
Drinnen sagte er dann, ich sollte mich hinsetzten und die Augen zumachen. Ich hörte ihn in seinem Rucksack kramen, und schließlich streifte er mit etwas über meine Lippen, was eindeutig nach Schokolade roch.
Er fütterte mich mit dem kleinen Stückchen, und es war Schokolade, wie ich sie noch nie gegessen hatte, aus Deutschland. Mark sagte, er hätte sie für eine besondere Gelegenheit mitgebracht und extra aufbewahrt, und nun sei eben dieser spezielle Moment. Und dann küsste er mich. Wir blieben noch eine ganze Weile in der Ruine, in der es schön kühl war. Das halbe Dach fehlte, und wir lagen im Schatten und konnten trotzdem in den Himmel schauen, wo Raubvögel kreisten.
Ich muss wohl eingedöst sein, denn ich wachte davon auf, dass Mark meinen Hals und meine Schultern streichelte und dabei den Finger immer wieder unter die Träger meines Tops schob. Ich hab aber die Augen zugelassen und so getan, als schliefe ich noch, und er wurde immer mutiger.
Als er schließlich die halbe Hand unter meinem Top hatte, hat ihn der Mut dann aber wohl verlassen. Also hab ich so getan, als würde ich mich im Schlaf bewegen, so dass seine Hand auf meinem Busen rutschte.
Als ich unter den Augenlidern durchspähte, sah ich, wie erschrocken er auf einmal aussah, wie ein kleiner Junge der mit der Hand in der Keksdose erwischt wurde. Er saß ganz still da und rührte sich nicht, ich glaube, er hat nicht einmal gewagt zu atmen. Da musste ich lachen, und er wurde knallrot und zog die Hand schnell weg, aber ich hab sie festgehalten.Am Ende haben wir beide gelacht, dass ein Ranger vorbeischaute und uns ein bisschen böse anschaute, weil er dachte wir würden irgendeinen Blödsinn machen. Aber nachher war er dann doch ganz nett und hat uns die Bedeutungen von den Felszeichnungen weiter unten im Tal erklärt.
Jedenfalls stelle ich mir jetzt immer vor, was wohl passiert wäre, wenn der Ranger nicht gekommen wäre....

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Marks Mail vom Sonntag, 12. September, spätabends:

Hallöle Toby,
wir sind aus Mesa Verde zurück. Das war ein Tag! Es war alles noch viel beeindruckender, als ich mir es vorgestellt hatte. Ich wünschte, man könnte die Zeit zurück drehen, einfach um zu sehen, wie die Ureinwohner damals gelebt haben. Für mich bleibt es immer ein Rätsel, wie diese Bauwerke einstanden sind!
Cecilia hat sich mit der Geschichte intensiv beschäftigt, und sie hat mir so viel erzählt. Sie kann so total begeistert von was sein und gleichzeitig so anschmiegsam, so voller Wärme. Wir sind auf verschlungenen Pfaden in die entlegensten Winkel gekommen, und dort hat mir Cecilia deutlich gezeigt, dass sie überhaupt nicht schüchtern ist. Ganz im Gegenteil!Jetzt bin ich ganz schön müde und werde gleich schlafen gehen. Machs gut und viel Glück bei der Mathearbeit nächste Woche.
Liebe Grüße
Mark

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8.Kapitel

'Wow.' Mark stand im Flur und blickte Cecilia bewundert entgegen.
Sie trug enge dunkelblaue Samthosen und dazu ein raffiniertes gehäkeltes Oberteil in Hellblau und Silber. Schulterfrei, mit einem geknoteten breiten Streifen aus dichteren Maschen über der Brust. Der Rest bestand jedoch aus mehr Zwischenräumen als Lurexgarn. Richtig zu sehen war aber auch nichts, weil das Gewebe bei jeder Bewegung schimmerte und sich bewegte.
Es war ein unglaublicher optischer Effekt, der es Mark schon in den ersten pacar Sekunden ziemlich heiß werden ließ.
'Du wirst die Queen der Herbstdisco werden', prophezeite er und half ihr dabei, die gehäkelte Stola umzulegen, in dem er ihre langen Haare vorsichtig hochhob.
Erschrocken hob Cecilia den Kopf. 'Findest du es zu auffällig? Ich will nicht, dass irgendjemand denkt, ich wollte ihr Konkurrenz machen.'
Sie beide wussten, wen sie mit 'irgendjemand' meinte. In den vergangen zwei Wochen hatte sich Tonja bemerkenswert ruhig verhalten, doch trotz Marks gutem zureden, dass Cecilia von ihr nichts mehr zu befürchten hätte, konnte die sich in der Nähe von Miss Cortez nie ganz entspannen.
Auch der Herbstdisco sah Cecilia mit gemischten Gefühlen entgegen. Solche Ereignisse hatte Tonja sonst immer jede Menge Zündstoff für ihre gemeinen Attacken geliefert, so dass Cecilia schließlich gar nicht mehr teilgenommen hatte. Aber darauf verzichten, mit Mark zu tanzen - wenn auch nur im Discostil? Auf keinen Fall!
Wagemutig hatte Cecilia also auch gleich zu den heißen Klamotten gegriffen, die sie bei einer der seltenen Einkaufsbummel mit ihren alten Freundinnen in Denver einmal gekauft, dann aber in der hintersten Schrankecke verstaut hatte.
Sie nahm ihre zierlichen Riemchensandaletten in die Hand und schlüpfte in die Turnschuhe, die sie für den Weg zur Schule brauchen würde. Mark bot ihr galant den Arm, und so verließen sie unter den verstohlenen, aber äußerst zufriedenen Blicken von Mr. und Mrs. Coulter das Haus.
Der Abend war ein voller Erfolg. Mark und Cecilia tanzten fast die ganze Zeit, und in den wenigen Pausen saßen sie zusammen und stillten ihren Durst mit dem alkoholfreien Punsch.'Ich muss mal eben wohin', sagte Cecilia in einer der Tanzpausen. 'Bin gleich wieder da.''Beeil dich. Ich will keinen Tanz mit dir verpassen', erwiderte Mark.
Auf dem Gang zum Mädchenklo kam ihr Janet entgegen. 'Tolles Oberteil', meinte die anerkennend. 'Aber ich glaube, da ist was verrutscht, man sieht jedenfalls ziemlich viel. Warte, ich helfe dir.'
Sie folgte Cecilia ins Mädchenklo, und Cecilia warf einen Blick in den Spiegel. 'Wo denn?' fragte sie und zupfte an den Maschen, die ihrer Meinung nach perfekt saßen. 'Hier drin', hörte sie hinter sich Annes Stimme, dann packten Janet und Anne sie rechts und links und schoben sie in eine der Klokabinen. Bevor sie überhaupt Zeit hatte, zu realisieren, was vor sich ging, war Cecilia schon allein in der Kabine, und sie hörte, wie draußen an der Tür gewirtschaftet wurde.
'Hey, spinnt ihr? Was soll denn der Blödsinn?' Cecilia versuchte, die Klinke hinunter zudrücken, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Die beiden hatten sie doch wohl nicht im Klo eingesperrt?
'Tut mir Leid', hörte sie Anne etwas kleinlaut von draußen. 'Aber es bleibt uns nichts übrig. Wer nicht für Tonja ist, ist gegen Tonja.'
Tonja also. Cecilia schluckte, als ihr die Tränen in die Augen schossen. Sie hätte sich ja denken können, dass ihre Erzfeindin sich nicht so einfach geschlagen geben würde, wie Mark behauptet hatte. Hilflos blickte Cecilia sich um. Die Trennwände zwischen den Kabinen gingen bis zur Decke, und unter den zehn Zentimetern Spielraum am Fußboden passte sie beim besten Willen nicht durch. Als sie die Tür draußen zuklappen hörte, rüttelte sie auch wieder wie wild an der Klinke und trat sogar dagegen, doch es bewegte sich nichts. Ergeben hockte sie sich auf den Spülkasten, stellte die Füße auf den Klodeckel und wartete darauf, dass jemand hereinkommen würde. Was eine Weile dauern könnte, weil Tonja ja bestimmt auch daran gedacht hatte.

Mark hatte inzwischen die Punschgläser gefüllt und an den Tisch getragen. Es wurde wieder Musik gespielt, und er blickte ständig zur Doppeltür der Aula, durch die Cecilia verschwunden war. Als er schließlich eine Hand auf seiner Schulter spürte drehte er sich erfreut um - doch es war Tonja, die hinter ihm stand, nicht Cecilia.
'Würdest du mit mir tanzen?' fragte Miss Cortez erstaunlich zahm. Umso wilder war ihr Outfit. Sie trug einen hautengen Satinoverall mit Leopardendruck, und die blonden Haare hatte sie zu einer Wahnsinnsmähne gestylt. Der Ausschnitt vorne ging bis zum Bauchnabel, in dem ein Bauchnabelring mit einem großen gelben Stein glitzerte.
'Tut mir Leid, ich warte auf Cecilia', sagte Mark freundlich. 'Sie müsste jeden Augenblick zurück sein.'
'Darauf würde ich nicht wetten', meinte Tonja und setzte sich unaufgefordert auf den freien Platz neben Mark.
'Wie kommst du darauf?'
'Na ja ...' Tonja schlug die Augen nieder und zierte sich. 'Ist ja auch nicht so wichtig. Jedenfalls hast du bestimmt Zeit, mit mir zu tanzen. Ein Stück nur, ja?'
'Was soll das heißen, es ist nicht so wichtig? Was ist denn mit Cecilia?' Marks Stimme klang lauter als beabsichtigt.
'Es geht ihr gut', sagte Tonja schnell. 'Sehr gut sogar, würde ich sagen. Wir beide dagegen sitzen gerade im selben Boot und wurden ganz klar abserviert.'
'Abserviert? Wovon redest du eigentlich?'
Mark blickte demonstrativ an Tonja vorbei zur Tür. Wo bleibt bloß Cecilia?
'Na ja, Finn lässt mich in letzter Zeit ziemlich links liegen, ist dir das noch nicht aufgefallen? Okay, du hast sowieso nur Augen für Cecilia, aber dann müsstest du doch eigentlich gemerkt haben, dass er auch ständig an ihr klebt, oder? Und jetzt gerade klebt er besonders an ihr. Buchstäblich sozusagen.'
'Was?' Mark schüttelte energisch den Kopf.
'Du spinnst doch.'
Tonja verzog den Mund. 'Glaub, was du willst. Aber wenn du dich selbst überzeugen willst, kannst du dich ja mal auf die Suche nach deiner hoch geschätzten Cecilia machen. Oder stattdessen mit mir tanzen.'
War das wieder nur eine von Tonjas Intrigen?
Mark betrachtete Tonja jetzt zum ersten Mal richtig, und er sah, dass in ihren Augen Tränen schimmerten. Und wenn er es recht bedachte, hatte sich Finn in letzter Zeit tatsächlich ständig in Cecilias Nähe herumgetrieben. Jedes Mal, wenn er selbst Cecilia mal für ein paar Minuten aus den Augen ließ, hatte er sie hinterher mit Finn im Schlepptau angetroffen, manchmal sogar in ein Gespräch vertieft.
Mit Macht kehrte die Erinnerung an Sylvia und einen anderen Schulball zurück, und bevor Mark irgendwas dagegen tun konnte, wurde er richtig wütend. Mädels eben, sie waren ja doch alle gleich!
'Also gut, tanzen wir', stieß er hervor, packte Tonja am Handgelenk und zog sie hinter sich her auf die Tanzfläche.
Es hatte gerade ein neues Stück angefangen, das er sogar besonders mochte, aber er bewegte sich rein mechanisch zur Musik. Nach der Hälfte fiel ihm auf, wie selbstzufrieden Tonja auf einmal wieder in die Runde blickte.
Unvermittelt blieb er stehen. 'Du ich hab keine Lust mehr', sagte er. 'Sorry, ich setz mich lieber wieder hin.'
'Du willst mich doch wohl nicht hier mitten im Tanz stehen lassen', zischte Tonja.'Tanz doch alleine weiter.' schlug Mark vor. Das blöde Gefühl, das ihn schon seit einigen Minuten nicht mehr losließ, wurde immer stärker. Er stellte sich vor, wie Cecilia an Finn 'klebte', und hätte auf etwas einschlagen können - am liebsten auf Tonja, die versuchte, ihn am Ärmel festzuhalten.
'Lass mich los, ich will nicht tanzen', rief er. Dummerweise hatte die Musik auch gerade aufgehört, so dass so ziemlich jeder in der Aula seine Worte hörte. Alle Gespräche und Geräusche verstummten wie auf Kommando, und gleichzeitig schienen sich alle Blicke auf die Tanzfläche zu richten.
Tonja stand einen Augenblick wie erstarrt dann schaffte sie es tatsächlich, ein mitleidiges Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Mark kam es vor wie eine Fratze, aber bei allen anderen hatte es wohl die gewünschte Wirkung.
'Na ja, das kann ich ja auch verstehen, wo du doch gerade erfahren musstes, dass Cecilia sich mit Finn vergnügt', sagte sie in einem Ton, den sie wahrscheinlich für Mitfühlend hielt, ließ Mark stehen und ging auf den Rand der Tanzfläche zu, wo die Umstehenden sofort für sie einen Gang bildeten.
Mark blieb einen Moment länger stehen, stieß dann einen Fluch auf Deutsch aus und stürmte in Richtung der Aulatür.
Auf dem Gang lief ihm beinahe Cecilia in die Arme. Sie wirkte außer Atem, und ihre Wangen waren gerötet, und unwillkürlich musste Mark an das Bild denken, das Sylvia ihm auf dem Schulball geboten hatte.
'Na, wars schön?' fragte er sarkastisch.
Verständnislos blickte Cecilia ihn an. 'Schön? Von Tonja auf dem Klo eingesperrt zu werden, meinst du?'
Nun war Mark, der nur noch Bahnhof verstand. 'Du willst doch nicht etwas behaupten dass Tonja dich auf dem Klo eingesperrt hat.'
'Hab ich doch gerade gesagt. Ich wusste doch, dass sie nicht so einfach aufgibt und irgendwas Fieses vor hat.'
Es war das Zittern in Cecilias Stimme, das durch Marks Gefühlssturm drang, und er zog sie in eins der leeren Klassenzimmer und dort in seine Arme. 'Himmel, es tut mir Leid, ich wollte dich nicht so anfahren. Tonja hat mir erzählt, dass …'
Cecilia hob den Kopf. 'Was hat sie dir denn erzählt?'
Beschämt, dass er Tonjas Worten überhaupt Glauben geschenkt hatte, druckte Mark herum. 'Nichts, ist nicht so wichtig.'
'Sie hat dir etwas Gemeines über mich erzählt erzählt, und du hast ihr geglaubt?' hauchte Cecilia entsetzt.
'Es tut mir Leid, es tut mir Leid', murmelte Mark. 'Ich bin solche intriganten Schnepfen nicht gewohnt, ehrlich. Sie wirkte absolut überzeugend, hat sogar halb geheult und so.''Geheult? Aber wieso …' Dann fiel bei Cecilia der Groschen. 'Sie hat behauptet, dass ich gerade mit Finn rummache, oder?'
Unglücklich nickte Mark. 'Und er ist dir in letzter Zeit auf ziemlich nachgelaufen, das musst du zugeben. Und du hast auch nicht so ausgesehen, als ob es dir unangenehm wäre.''Nein, unangenehm war es mir nicht', gab Cecilia zu. 'Nach drei Jahren als Dorftrottel hier, nach drei Jahren, wo mich die Mädchen gepiesackt und die Jungs wie Luft behandelt haben, nach drei Jahren Hölle ist es mir nicht unangenehm, dass noch andere Schüler dieser Schule mich als Person wahrnehmen und vernünftige Gespräche führen. Im Gegenteil, ich genieße es sogar. Sorry wenn es dir gegen den Strich geht.' Jetzt wirkte auch Cecilia ein bisschen durch den Wind.
'Nein, tut es ja nicht. Es war nur, weil … na ja, die Situation kam mir nicht ganz unbekannt vor, und ich …'
'Ich bin nicht wie deine Sylvia', fauchte Cecilia. 'Wenn du MIR nicht vertraust, weil SIE dich mies behandelt hat, dann kann ich ja wohl nichts dafür.'
'Sie ist nicht MEINE Sylvia', gab Mark zurückgekommen. 'Es tut mir Leid, das hab ich ja schon gesagt. Was soll ich denn noch machen?'
'Du könntest mich küssen', schlug Cecilia vor. 'Dann würde ich vielleicht merken, wie Leid es dir wirklich tut. Und danach könntest du mich nach Hause bringen. Ich habe auf diese Veranstaltung hier keine Lust mehr.'
'Also, Vorschlag Nummer eins ist einstimmig angenommen', sagte Mark, zog Cecilia eng an sich und küsste sie stürmisch. Was war er doch für ein Idiot!
Als sie sich atemlos voneinander lösten, fuhr er fort: 'Aber nach Hause gehen wir jetzt noch nicht. Damit würden wir Tonja ja klein bei geben und ihr sozusagen den Sieg zugestehen. Ich will jetzt wieder mit dir da reingehen und allen Hinterwäldlern zeigen, dass du die absolut größte für mich bist, okay?'
Cecilia strich sich durchs Haar und lächelte ihn tapfer an. 'Okay. Aber weich mir bloß nicht von meiner Seite, ja? Für heute reicht es mir mit den Überraschungen.'
'Versprochen. Ich werde dich nicht aus den Augen lassen und vor Tonja und Co. Sowie Finn und allen anderen heldenhaft verteidigen. Wie bist du eigentlich wieder raus gekommen?'Cecilia hob die Brauen. Misstraute er ihr etwa immer noch? Doch sein Ton hatte eher nach Besorgnis geklungen. 'Keine Ahnung. Also, ich meine, ich weiß nicht, wer mich befreit hat. Anne und Janet haben irgendwas unter der Klinke verkeilt, und ich hörte irgendwann, wie jemand sich daran zu schaffen machte und die Tür danach wieder aufging. Aber als ich rauskam, war niemand mehr da.'
'Na, Hauptsache wir haben uns wieder', sagte Mark, legte seinen Arm um sie und führte sie zurück in Richtung Aula.







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