Sag, was du fühlst Teil 5

Autor: ***BlackHope***
veröffentlicht am: 08.11.2008




Vor der Haustür blieb er wieder unschlüssig stehen.
Cecillia wartete untätig in ihrem Zimmer, bis sie sicher sein konnte, das Marc gegangen war. Jetzt würde sie sich ganz schön beeilen müssen, um nicht zu spät zu kommen. Den Spiegel ließ sie beim Rausgehen links liegen. Da gab es ja sowieso nichts zu sehen, außer ihren verwaschenen Jeans, dem blauen Trägertop und ihren wie immer zum Knoten aufgesteckten Haaren.
Sie vermied es bewusst, zu allem Überfluss auch noch teuere, auffällige Klamotten zu tragen, obwohl ihre Mutter sie ständig zu Einkaufstrips nach Denver mitschleppen wollte. Aber wenn man schon in einem unanständig riesigen Haus wohnte, musste man ja nicht noch durch seine Kleidung auffallen, oder?
Sie öffnete die Haustür und prallte dabei fast mit Marc zusammen, der offenbar gerade wieder auf dem Weg nach drinnen war. Einen eigenen Schlüssel hatte ihm Mr. Coulter schon am ersten Tag in die Hand gedrückt.
'Ich dachte, ich hätte was vergessen', sagte Marc etwas verlegen.
'Und jetzt ist dir wieder eingefallen, dass du falsch gedacht hast, oder was?' fragte Cecillia.'Genau. Müssen wir uns nicht etwas beeilen, damit wir nicht zu spät kommen?'
Cecillia verdrehte die Augen, ging an Marc vorbei und marschierte ohne ein weiteres Wort los.
'Nun warte schon, ich komme ja mit, ich muss auch in diese Richtung', rief Marc und holte sie mit wenigen Schritten ein.
Schweigend lief Cecillia neben ihm her.
'Schöne Gegend hier übrigens', bemerkte Marc beiläufig. 'Der Blick aus meinem Zimmer ist ja traumhaft. Siehts bei dir auch so toll aus?'
Überrascht blickte Cecillia auf. Ehe sie etwas sagen konnte, fuhr Marc fort: 'Das darf ich zwar keinem erzählen, aber ich finde so unberührte Natur echt toll. Dafür lasse ich jede Großstadt links liegen. Na ja, sie sollte allerdings noch in erreichbarer Nähe sein, man will ja auch mal ins Kino oder so.'
Marc warf Cecillia einen Seitenblick zu, doch sie ging wieder mit gesenktem Kopf neben ihm her.
'Oder vielleicht ein Eis essen? Gibts hier eigentlich sonst noch was, was man machen kann? Eine Bowlingbahn oder so? In Deutschland sind die nicht so dich gesät, aber ich habe gehört, dass das hier so eine Art Volkssport ist.'
Als Cecillia immer noch nichts sagte, versuchte er es noch einmal mit dem ersten Thema. Immerhin hatte sie da ja so etwas wie eine Reaktion gezeigt. 'Wie ist denn der Herbst hier eigentlich so? Gibts hier auch einen Indian Summer? In echt hab ich das noch nie gesehen, aber schon viel davon gehört.'
'Nein, Indian Summer ist eher an der Ostküste', erwiederte Cecillia, und Marc, war so überrascht, das er beinahe stolperte. 'Hier sieht es aber toll aus, wenn das Birkenlaub gelb wird. Im richtigen Licht wirkt das dann, als ob die Bäume in Flammen stehen, vor allem bei Sonnenuntergang.'
Das musste der längste Satz sein, den Marc bisher von Cecillia gehört hatte. 'Kann man das von deinem Zimmerfenster aus sehen?' fragte er vorsichtig.
'Nein, da steht die Sonne nicht richtig. Aber es gibt ein paar Stellen, wo gleichzeitig mit den Bergspitzen die Birken zu glühen anfangen. Ich versuche es jedes Jahr, aber bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft...' Unvermittelt brach sie ab. 'Ach, ist ja auch egal.'
'Nein, ist es nicht. Erzähl doch weiter. Was hast du noch nicht geschafft?'
'Nichts, was dich anginge.' Cecillias Visier war sichtlich wieder heruntergeklappt. 'Ich würde das ja gerne mal sehen', meinte Marc. 'Das mit den Birken, die in Flammen stehen, meine ich', ergänzte er. 'Ist das sehr weit weg?'
'Mit dem Fahrrad zehn Minuten', sagte Cecillia.
'Oh.'
'Wenn du meinen Vater fragst, stellt er dir bestimmt gleich morgen ein nagelneues Mountainbike hin, damit ich dir die Gegend zeigen kann. Das ist schließlich der Sinn dieser ganzen Aktion, nicht? Cecillia braucht Anschluss. Cecillia braucht Kontakte. Dabei ist das Einzige, was Cecillia wirklcih braucht, ihre Ruhe. Auch und vor allem zu Hause.' Bei den letzten Worten überschlug sich ihre Stimme beinahe.
'Oha.' Marc verschlug es angesichts dieses heftigen Ausbruchs erst mal die Sprache. 'Das mit dem Gastschüler war demnach wohl nicht deine Idee, oder?'
'Nein, das haben sich mal wieder meine Eltern ausgedacht. Sie sind Innenarchitekten, weißt du? Sie planen die tollsten Häuser auf dem Papier, und nachher richtet es der Kunde dann genauso ein, wie sie es sich ausgedacht haben. Und so stellen sie sich das auch bei mir vor. Die Tochter vom Reißbrett. Cecillia sollte dieses, Cecillia sollte jenes, und dann wäre Cecillias Leben so erfolgreich und perfekt, wie unsere Einrichtungen. Dass mir mein Leben so gefällt, wie´s ist, aktzeptieren sie einfach nicht.'
'Verstehe.' Nachdenklich blickte Marc sie an.
Nun war es Cecillia, die beinahe stolperte. Verstehe? Dieses Wort hatte sie schon lange von niemandem mehr gehört. Jedenfalls nicht, seit sie aus Denver weggezogen waren.'Na ja, wenn du´s verstehst, dann kannst du mich ja in Zukunft in Ruhe lassen', meinte sie, aber es klang nicht mehr so abweisend und angriffslustig wie vorher.
'Ich meinte, ich verstehe, dass es dir auf den Keks geht, wenn andere für dich dein Leben planen', sagte Marc. 'Aber meinst du, ich dürfte mit die Birken trotzdem mal angucken? Du musst ja nicht mitkommen wenn du nicht willst.'
'Das findest du alleine sowieso nicht', murmelte Cecillia.
'Na, dann muss ich wohl auf den Indian Summer verzichten.' Marc zuckte die Achsel. 'Es sei denn, du überlegst es dir noch mal. Vielleicht.'
Wieder warf er ihr einen Seitenblick zu. 'Das mit dem Fahrrad ist aber trotzdem keine schlechte Idee. Hättest du was dagegen, wenn ich deinen Vater mal frage?'
'Nein, nur zu. Er wird überglücklich sein, wenn er dir den Aufenthalt hier versüßen kann. Wenn ich es schon nicht tue. Aber da vorne stehen Tonja und Co., die übernehmen die Aufgabe sicher auch gerne.'
Sie hatten das Gelände der Cortez High erreicht, und Cecillia legte einen Zahn zu.'He, warte doch', sagte Marc. 'Warum hast du´s denn auf einmal so eilig? Und was meinst du damit, die übernehmen das gerne?'
'Wirst du schon merken. Mit Tonja hast du dich ja offenbar schon bestens angefreundet.''Die sieht aber nicht so aus, als könnte sie Fahrrad fahren', bemerkte Marc. 'Da fällt sie ja bestimmt aus ihrer Hosel. Und wo Birken in Flammen stehen, weiß sie bestimmt auch nicht. Aber wenn du willst, kann ich sie fragen.'
Cecillia zuckte die Achseln. 'Nur zu. Und viel Spaß. Ich muss jetzt rein, noch was kopieren.' Damit ließ sie ihn stehen und verschwand in Eingang.
'Blöde Kuh', murmelte Marc, aber auf Deutsch und so, das Cecillia es nicht mehr hörte. Dann schwebte auch schon Tonja mit strahlendem lächeln auf ihn zu.
'Hast du ein Fahrrad?' fragte Marc, bevor sie ihren Mund öffnen konnte.
Tonja blickte ihn verständnislos an. 'Ein Fahrrad?'
'Ja, das ist so´n Ding mit Pedalen in der Mitte und einem Rad vorne und hinten', sagte Marc. 'Ich brauche nämlich eins.'
Mit einem gekünstelten Lachen legte Tonja ihm die Hand auf den Arm. 'Na, du bist ja heute Morgen ulkig drauf.'
'Ich hatte einen anstrengenden Schulweg', sagte Marc.
Tonja verdrehte die Augen. 'Oh, du Armer, das kann ich dir nachfühlen. Wenn ich den ganzen Tag mit Ce-silly verbringen müsste, würde ich auch drunter leiden.'
'Hm', machte Marc.
'Na komm erst mal mit. Ich wollte dir Janet vorstellen, die vierte in unseren Bunde. Sie ist im Cheerleader-Team und hatte noch einen auswärtigen Wettbewerb, deshalb ist sie heute erst wieder da. Sie waren in Salt Lake City, stell dir vor, und unser Team hat auch noch gewonnen. Und Janet hat sich dort ein Top gekauft, mit Pailletten und...'
'He, vergiss nicht Luft zu holen', brummte Marc.
'...einem Spitzeneinsatz, der letzte Schrei, sag ich dir. Aber sowas gibts hier bei uns in Cortez ja nicht, wenn man hier richtig einkaufen will, dann muss man schon mindestens nach Denver, obwohl das ja auch noch fast Provinz ist. Ich wünschte...'
'Tonja...' Marc unternahm einen weiteren verzweifelten Versuch, ihren Redeschwall zu unterbrechen, doch sie ging gar nicht drauf ein.
'Also, das hier ist Janet', stellte sie übergangslos das schlanke rothaarige Mädchen vor, als sie das Grüppchen von Danielle, Anne und der Cheerleaderin erreicht hatten. 'Janet, das ist Marc, unser Gastschüler aus Deutschland. Er wohnt bei Ce-silly, der Arme, wir müssen unbedingt alles dafür tun, ihn drüber wegzutrösten.'
Danielle warf einen viel sagenden Blick auf Tonjas Hand, die noch immer auf Marcs Arm lag. 'Wir müssen aber nicht alle vollen Körpereinsatz leisten, oder?'
fragte sie trocken.
Marc nutzte die Gelegenheit, machte sich von Tonja los, nickte Janet freundlich zu und fragte Danielle: 'Hast du eigenlich Kekse mit? Ich musste mein halbes Frühstück stehen lassen.'Sofort holte Danielle eine angebrochene Kekspackung aus der Tasche und hielt sie ihm hin. Marc nahm sich einen und grinste sie an. 'Wow, danke. Auf dich ist Verlass. Wie heißt es so schön auf Englisch: You just made my day.'
Tonja hob die Augenbrauen, sagte aber nichts, was wahrscheinlich daran lag, dass es in diesem Moment zur ersten Stunde klingelte. Marc, der Tonjas missbilligen Blick aufgefangen hatte, musste unwillkürlich an eine zweite englische Redensart denken, an die er sich aus dem Unterricht erinnerte: Saved by the bell.


Cecillias Tagebuch:
Dienstag, 31. Augsut, abends
Heute hat Marc mich auf dem Weg zur Schule abgefangen. Ich dachte erst, er wollte sich beschweren, weil er mitbekommen hatte, das ich ihm vorgestern eigentlich die Gegend zeigen sollte, aber er fing nur davon an, dass ihm die Natur so gefällt und er den Indian Summer sehen wollte.
Ziemlich ungewöhnlich für einen Jungen. Oder überhaupt für jemanden, den ich kenne. Sogar meine Eltern scheinen die Landschaft hier nur als Hintergrund für ihre fabelhaften Designs zu betrachten.
Na ja, jedenfalls hat er mich dann als Mögliche gefragt, und ich hätte mich beinahe verplappert und ihm erzählt, dass ich male. Und dann hab ich mich bei ihm auch noch über meine Eltern ausgeheult! Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist, dass ich ausgerechnet ihm mein Herz ausschütte.
Der absolute Hammer kommt aber noch. Statt mir zu erzählen, dass ich doch dankbar sein sollte, dass ich so besorgte Eltern habe oder so, hat er einfach nur gemeint, das er mich versteht. Und das hat er auch nicht nur so dahingesagt, sondern genau das, was ich sagen wollte, in eigenen Worten ausgedrückt.
Als wir dann zu Schule kamen, haben Tonja und Co. natürlich schon auf ihn gewartet. Erst hat er ja so getan, als könnte er mit Tonja nichts anfangen, weil sie nicht Fahrrad fahren kann (haha), aber als sie dann mit ihrem superengen Top auf uns zukam, fielen ihm doch wieder die Augen aus dem Kopf.
Na ja, ich bin dann so schnell wie möglich abgehauen.
Aber seltsam war es schon irgendwie, auf dem Schulweg klang es schon so, als würde er sich ernsthaft mit mir unterhalten wollen, und dass, obwohl Tonja und Co. ihm bestimmt schon ihre ganzen Gemeinheiten über mich erzählt haben.
Ich meine, er müsste ja nicht, wenn er nicht wollte...Vielleicht ist er ja doch anders als die anderen?


Marcs Mail vom Freitagabend, 3. September:
Hi Toby,
lange nichts gehört voneinander. Die Woche ist wie im Fluge vergangen. Der Schulstress hat mich voll erwischt. Habe ganz schön Probleme mitzukommen, obwohl es immer noch Wiederholungen aus dem vergangenen Schuljahr sind, wie die Lehrer pausenlos betonen.Alle anderen haben aber auch so ihre Probleme mit dem Unterricht, außer Anne, die schlaue Schwarzhaarige, die die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Aber saie hat die angeboten mir zu helfen. Ich muss es nur sagen.=)
Passiert ist diese Woche auch nichts Erwähnenswertes, außer am Dienstag. Cecillia war wortkarg wie immer. Ein Morgemuffel, wie ihre Mutter meinte. Sie hatte alles verswucht um den Schulweg nicht mit mir gehen zu müssen. Ich hab aber auf sie gewartet.
Es hat eine Weile gedauert, bis das Eis ein klein wenig zu schmelzen begann. Ich glaube, sie ist so verschlossen, weil sie sich noch nicht richtig eingelebt hat in Cortez, obwohl sie schon drei Jahre hier wohnt. In der Schule hat sie tatsächlich keine Freunde, und ihre Eltern setzten sie ganz schön unter Druck.
Jedenfalls hatte ich ein Gesprächsthema gefunden, und dann hat sie auf einmal ihren Frust abegelassen. Sie will einfach in Ruhe gelassen werden. Und das kann ich sogar verstehen.Schade, der Schulweg war zu kurz. Sie hat ziemlich schnell wieder zugemacht und die Kühle, Abweisende gespielt. Dabei möchte ich gerne mal mit ihr in die umliegenden Berge fahren. Ich glaube, man kann sich mit Cecillia gut verstehen, wenn das Eis erst mal gebrochen ist. Ich weiß nur nicht, wie ich es anstellen soll.
Immerhin sind wir jeden Tag gemeinsam zu Schule gegangen. Wir haben zwar meist gar nicht geredet oder über belanglose Dinge, aber immerhin. Ich habe allerdings bewusst vermieden, über Tonja und die anderen Mädels aus der Klasse zu sprechen,da scheint sie ziemlich empfindlich zu sein.
Na, mal sehen, vielleicht bringe ich ja morgen oder am Sonntag den Mut auf, sie einfach zu fragen, ob sie mit mir in die Berge fährt. Ein Fahrrad könnte ich mir ja vielleicht von der Haushälterin hier borgen, die kommt jeden Tag mit dem Rad. Ach so, und dann hat mir Tonja am Dienstag noch Janet vorgestellt. Janet ist im Cheerleader-Team und ungeheuer sportlich, sieht gut aus und ist die vierte in der Tonja-Clique. Aber wie Tonja mich dabei wieder mit Beschlag belegt hat, war eine einzige Schau.
Diese Tonja, ich sage dir, Alter, ein Mundwerk wie ein Presslufthammer. Sie kann ohne Unterbrechung reden und muss nicht mal Luft holen dabei. Aber ich glaube, sie war am Dienstag etwas sauer, weil ich sie einfach stehen gelassen und stattdessen Kekse von Miss Piggy gegessen habe.
So, nun wollen wir mal sehen, wie das Wochenende so wird. Wer hätte das vor einer Woche gedacht, dass es mir hier mal so richtig gefallen könnte! An Sylvia habe ich jedenfalls schon eine Ewigkeit nicht mehr gedacht. Machs gut, mein Alter.BB Marc


5. Kapitel

Der Sonnabend begann wie immer. Lina hatte Frühstück gemacht, und die Familie war um neun um den Frühstückstisch versammelt -
Mr. Coulter mit dem Börsenteil der Zeitung, Mrs.Coulter Marc pausenlos damit löchernd, ob es ihm denn gefalle und ob er irgendetwas vermisse. Er wollte grade den Mund öffnen, umd zu sagen, das er tatsächlich ein Fahrrad gebrauchen könnte, als Cecillia ihm zuvorkam, ihn direkt anblickte und sagte: 'Marc, ich würde dir gerne etwas zeigen. Hättest du Lust naher mit mir eine kleine Tour zu machen?'
Ihre Worte hatten in etwa die selbe Wirkung, als wenn am Tisch plötzlich ein Yeti aufgetaucht wäre. Mr. Coulter ließ die Zeitung sinken und starrte seine Tochter ungläubig an. Mrs Coulter unterbrach sich mitten im Satz und ließ ihren Mund offen stehen, bevor sie sich an ihre guten Manieren erinnerte und ihn eilig schloss.
Lina, die gerade dabei war, eine Platte mit frischen Pfannkuchen aufzutragen, konnte sich ein zufriedenes Grinsen nicht verkneifen.
Nur Marc blieb völlig cool. Als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, er lächelte Cecillia an und sagte: 'Klar, gerne, warum nicht?'
Sie nickte und nahm sich einen weiteren Pfannekuchen, als wäre nichts gewesen, und Mr. und Mrs. Coulters beeilten sich zur Tagesordung überzugehen, als könnte jede falsche Bewegung das kleine Wunder sofort wieder gefährden.
Nach dem Frühstück stand Cecillia auf, nickte freundlich in die Runde und sagte: 'Komm.'Neugierig und ein wenig ungläubig folgte er ihr, besonders, als sie nicht den Weg zu dem Trakt mit den Zimmern nahm, sondern im Flur in eine Richtung abbog, die er nocht nicht kannte. Diese riesige Villa hatte für Marc immer noch etwas von einen Labyrinth.Schließlich standen sie in einer Garage, die andere als Tennisplatz genutzt hätten, und Cecillia deutete auf ein funkelnagelneues Mountainbike.
'Hier, du wirst ein Rad brauchen', sagte sie. 'Auf dem Gepäckträger kann ich dich schlecht mitnehmen.'
Marc sah sie groß an.'Wie jetzt?'
'Na, Rad fahren kannst du doch, oder?'
'Ja klar. Und wo kommt das Rad auf einmal her?'
'Mom und Dad hätten langsam Komplexe bekommen, wenn sie nicht endlich wieder was für dich hätten besorgen können. Der Computer ist schließlich schon eine Woche her. Die waren richtig dankbar für den Tipp.' Cecillia grinste.
'Wow.' Marc ging um das Rad herum und bewunderte die Details.
'Wollen wir los?' fragte Cecillia.
'Wo wollen wir denn hin?'
'Lass dich überraschen', sagte Cecillia.
'Ich liebe Überraschungen', erwiderte Marc grinsend. 'Das wird jetzt schon die dritte.''Na, ist wohl dein Glückstag.' Cecillia drückte einen Knopf an der Wand, und das riesige Garagentor rollte lautlos hoch. Sie selbst fuhr auch ein Mountainbike, und sie schwang sich geschickt in den Sattel und sauste den Hügel hinunter, ohne sich nach Marc überhaupt einmal umzusehen.
Doch kurz darauf bog sie in einen kaum sichtbaren Trampelpfad ein, auf dem es recht bald wieder bergauf ging, und Marc musste ganz schön strampeln, um mitzukommen. Nach etwa zehn Minuten blieb Cecillia auf einer Anhöhe stehen und stieg ab.
'Hier lassen wir die Räder stehen, das letzte Stück müssen wir klettern.'
Sie lehnte ihr Rad an eine Felswand und kraxelte an einem großen Felsblock hinauf, der etwa doppelt so hoch war wie sie selbst. Als Marc ihr folgte, merkte er, dass es in den richtigen Abständen kleine Vorsprünge gab, auf die man die Füße setzen konnte.
Als er oben angekommen war, war Cecillia plötzlich verschwunden. Suchend blickte er sich um. Das Plateau war nur etwa drei Meter breit und tief, und er fürchtete schon, sie wäre abgestürzt, als er vor sich aus einer Felsspalte eine Stimme hörte. 'Hier durch!'
Sie stand in einer Felsspalte, die gerade breit genug war, dass man halb seitwärts durchschlüpfen konnte. Der Durchgang war nur etwa vier Meter lang, und am anderen Ende lag ein kleines Bergtal, zu dem eine mit Wildblumen bestandene Wiese sanft abfiel. Am anderen Ende des winzigen Tals rauschte ein Wasserfall in die Tiefe, und am Ufer des Bergbaches, in den er stürzte, stand eine Reihe Birken.
'Wir sind da', sagte Cecillia.
Marc blickte sich bewundernd um. 'Wow! Hast du das Tal entdeckt?'
'Ja, ich klettere gerne in den Bergen rum', erwiderte sie. 'Das ist der einzige Vorteil gegenüber Denver, wo wir früher gewohnt haben.'
'Dann fühlst du dich nicht so wohl hier?'
'Na ja, es ist anders als früher. In Denver hatte ich eine eigene Clique, mit der ich viel unternommen habe. Jetzt mache ich halt andere Dinge, das ist auch okay.'
Marc blickte sie abwartend an, und sie zuckte die Schultern. 'Na ja, zum Beispiel hier durch die Berge streifen. In Tälern wie diesem hier, wo nie jemand hinkommt, kann man noch richtige Schätze finden. Also, von den Ureinwohnern, meine ich, Pfeilspitzen und so. Da kann man sich so richtig vorstellen, wie die einmal gelebt haben.'
'Du meinst die frühzeitigen Indianer, die auch in Mesa Verde diese Cliff-Dwellings gebaut haben?'
Überrascht blickte Cecillia auf. 'Du kennst Mesa Verde?'
'Na ja, das haben wir in der Schule gehabt, aber ich finde das Thema unheimlich interessant. Vor allem, weil man ja nicht weiß, warum diese Höhlendörfer von einem Tag auf den anderen aufgegeben wurden. Und als ich dann sah, das Cortez nicht weit weg ist vom Mesa Verde Nationalpark, hab ich noch ein bischen drüber gelesen.'
Cecillia schüttelte den Kopf. 'Nicht zu fassen. Die meisten Jugendlichen hier im Dorf waren da noch nicht, obwohl es nur eine halbe Stunde weg ist und, und ihr in Deutschland lernt das in der Schule. Es gibt übrigens mehrere Theorien, warum die Ureinwohner so plötzlich verschwunden sind. Hast du von der gehört, dass...'
Die nächsten paar Stunden verbrachten sie damit, im Tal nach Überresten der Indianer zu suchen und sich dabei über alles Mögliche zu unterhalten.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz