Fullmoon - Der Fluch der Wölfe

Autor: Ally
veröffentlicht am: 18.08.2008




Da dies mein erster Versuch ist, eine Geschichte zu schreiben, bitte ich um etwas Nachsicht. Tips und konstruktive Kritiken werden gerne entgegengenommen ;).

----------------------------------------------------

In dichten Flocken fiel der Schnee vom winterlichen Himmel auf den Bahnsteig, auf dem ich auf die Ankunft meines Zuges wartete. Der Boden war mit dem kalten Weiss bedeckt, ebenso die Gleise und die Büsche, die neben der Strasse hinter dem Bahnhof wuchsen. In den unzähligen Bürogebäuden und Geschäften, die ich von hier aus sehen konnte, brannte noch Licht, aber schon bald würde es mit dem Gehen der letzten Arbeiter erlöschen. Würde ich wohl jemals wieder in diese, MEINE Stadt zurückkehren, in der mich alles an die traurigen Vorfälle der Vergangenheit erinnerte? Diese Frage hatte ich mir schon oft gestellt doch noch immer wusste ich die Antwort nicht.
Innerlich seufzend blickte ich zu Sarah, die schweigend neben mir stand und meine Hand hielt. Neben ihr stand mein Koffer, in dem ich meine wenigen Habseligkeiten verstaut hatte und eine kleine Reisetasche.
Sarah hatte sich während des letzten halben Jahres um mich gekümmert und zwischen uns hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt. Als mein Beistand hatte sie es ermöglicht, das ich zu meiner letzten noch lebenden Verwandten ziehen durfte. Das war anfangs keinesfalls klar gewesen, das Jugendamt hätte mich lieber in ein Heim gesteckt. Es sei doch ohnehin nicht mehr lange, bis ich volljährig würde. Läppische zwei Jahre. Doch für mich wäre es unerträglich gewesen, zwei Jahre, die mir so lange vorkamen, in einem Heim zu verbringen, zwischen drogensüchtigen, abgeschobenen Jugendlichen, mit denen ich mich nur meines Schicksals wegen identifizieren könnte.
Doch Sarah hatte sich durchsetzen können und so würde ich die Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen war, bald verlassen. Dankbar drückte ich ihre Hand und sie schaute mir ins Gesicht und lächelte traurig. Die letzten Stunden hatten wir viel geredet, nun gab es nichts mehr zu sagen.
'Einfahrt des Schnellzuges nach Gordon-Ville, Pimlitz, Akrea auf Gleis drei!', scholl eine blecherne Stimme aus den Lautsprechern. Schon konnte ich den Zug erkennen, wie er scheinbar langsam aus dem Schneegestöber auftauchte und auf den Bahnhof zuhielt. Sarah löste ihre Hand aus meiner und reichte mir meine Reisetasche. Traurig sahen wir uns an und plötzlich traten Tränen in meine Augen und kullerten über meine Wanfen. Sanft nahm mich Sarah in die Arme, 'Sei nicht traurig, Kathleen, wir werden und wiedersehen, das verspreche ich dir!', flüsterte sie in mein Ohr. Ich nickte bloss. Sarah suchte einen Augenblick, dann reichte sie mir ein Taschentuch.
In diesem Moment fuhr der Zug ein, wurde langsamer und kam mit einem durchdringenden Quietschen zum Stehen.
'Danke für alles, Sarah!', sagte ich zu ihr, nachdem ich mit zitternden Händen meine Tränen weggewischt hatte. Die Türen des Zuges öffneten sich und eine grosse Menschenmenge ströhmte hinaus. Ich nahm meinen Koffer, drückte Sarah einen Kuss auf die Wange und verschwand in den Zug. Ich zwängte mich die engen Sitzreihen entlang und fand schnell ein Viererabteil, welches ich belegte. Ich schaute aus dem Fenster und sah Sarah auf dem Bahnsteig stehen. 'Ruf mich an!', formte sie mit den Lippen und ich nickte. Ein lautes Pfeiffen kündete die Weiterfahrt des Zuges an. Sarahs Haare flatterten im kalten Wind und Schneeflocken verfingen sich darin, als der Zug zischend anfuhr. Ich winkte ihr zu und sie winkte zurück. Ihre Gestalt wurde immer kleiner, bis sie schliesslich hinter einer Biegung verschwand.
Seufzend liess ich mich tiefer in den Sitz sinken. Nun würde ich die ganze Nacht hindurch fahren, in eine fremde Stadt, ein fremdes Leben. Es war schwer für mich zu verstehen, warum das Schicksal nach den Leben jener Trachtete, die ich liebte. Vor drei Jahren starben meine Grosseltern, zwei Jahre danach meine Mutter. Vor sechs Monaten hatte mich mein Vater verlassen, mein letzter Verwandte, wie ich vor kurzem noch gedacht hatte. Meine Eltern waren an Krebs gestorben. Beide hatten unzählige Operationen und Therapien über sich ergehen lassen, wir hatte sogar unser Haus verkauft, um sie bezahlen zu können. Meine Mutter, die schon immer anfällig für Krankheiten gewesen war, starb dennoch bald. Mein Vater hätte es schaffen können, doch der Tod meiner Mutter hatte ihm schwer zu schaffen gemacht und ihn geschwächt. Schliesslich war auch er gestorben.
Ich spührte, wie meine Augen feucht wurden und schnell versuchte ich mich abzulenken. Ich musste ja nicht gerade vor all diesen Leuten im Zug losheulen. Ich zog meinen MP3-Player aus der Reisetasche und stöpselte ihn ein. Ich schloss die Augen und liess mich von den sanften Rythmen in den Schlaf tragen.

Vor mir erstreckte sich ein tiefer, dunkler Wald. Wolken verdeckten den Vollmond, der jeden Moment wieder zum Vorschein kommen könnte. Wind wehte durch meine Haare, während ich erwartungsvoll und doch voller Angst in den Wald blickte. Ein lautes Heulen durchbrach die Stille und ich rannte los, auf den Wald, das Heulen zu. 'Bist du verrückt?', schalt ich mich selbst, doch ich lief nur noch schneller auf den Wald zu. Einige Meter davor blieb ich abrupt stehen. Zwischen den Bäumen hatte sich etwas bewegt. Zwei gelbe Augen starrten mich an und aus dem Schatten des Waldes trat ein grosser, grauer Wolf. Der Mond tauchte hinter den Wolken auf. Rasch legte der Wolf den Kopf in den Nacken und heulte laut und durchdringend. Fasziniert beobachtete ich das Geschehen, als ich plötzlich hinter mir etwas hörte. Erschrocken drehte ich mich um...

Ich wachte auf. Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Ich war im Zug, der noch immer leisedurch die Nacht fuhr. Ich schaltete die Musik aus, die noch immer aus dem Kopfhörer drang und schloss die Augen. Der Traum war so real gewesen, vielleicht... Doch da schlief ich bereits wieder ein und bis zum nächsten Morgen war der Traum vergessen.

Es war schon hell draussen, als ich meine Augen aufschlug. 'Mist, hoffentlich bin ich nicht zu weit gefahren!', schoss es mir als erstes durch den Kopf. Schnell blickte ich auf meine Uhr und atmete erleichtert auf. Noch eine halbe Stunde Fahrt, dann war ich am Ziel. Mein Zeitgefühl hatte mich also nicht im Stich gelassen und mich rechtzeitig geweckt. Ich zog ein Buch hervor und begann zu lesen.

Eine halbe Stunde später packte ich meinen Koffer und die Tasche und stieg aus den Zug aus. Als ich auf dem Bahnsteig stand, klappte mein Mund auf und vor Schreck liess ich den Koffer los. Er schlug auf dem Asphalt auf und blieb liegen.
Wie war es möglich, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sich die Welt um mich herum verändert hatte? Warum fuhr ein Schnellzug überhaupt hierher?
Dieser Ort war von meiner Heimatstadt so verschieden, wie Feuer und Wasser. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, starrte nur noch in den dichten Wald vor mir. Es gab nur eine kleine Kiesstrasse, die in Kurven in den Wald verschwand, keine Häuser, keine Schnellstrassen. Ich war umzingelt von der Natur, die Bäume schienen bis in den Himmel zu reichen. Ich war die Einzige, die hier ausgestiegen war und schon fuhr der Zug weiter.Ich hob meinen Koffer wieder auf und erst jetzt viel mir auf, dass hier gar kein Schnee fiel. Auch sonst war es viel wärmer als Zuhause, obwohl ich meines Wissens ein ganzes Stück weiter im Norden sein müsste. Etwas zittrig setzte ich mich auf die einzige Bank, die es gab. Hier stand noch nicht einmal ein Kiosk!
Plötzlich musste ich grinsen. Irgendwie fühlte ich mich total wohl hier, obwohl ich mein Leben lang nur das Stadtleben gekannt hatte. Ich sog die frische, duftende Luft tief in mich hinein. Ja, es fühlte sich gut an, hier zu sein.
Allerdings fragte ich mich, wo meine Tante blieb. War mein Zug zu früh gekommen? Ich blickte auf die Uhr. Halb elf, nein, er war pünktlich.
Ich wartete noch ein paar Minuten, schliesslich nahm ich mein Buch und las weiter. Ich hatte kaum ein paar Seiten fertig, als ich ein Auto hörte, das über die Kiesstrasse auf den Bahnhof zu raste.
Ich steckte das Buch weg und stand auf. Es musste einfach meine Tante sein, ich war allein, und hier fuhr nur alle zwei Stunden ein Zug. Das Auto kam schlitternd zum Halten und die Fahrertüre wurde aufgerissen.
Ich hatte schon Fotos von meiner Tante, Tiffany, gesehen aber auch sonst hätte ich sie leicht erkannt: Sie hatte das selbe lange, braune Haar wie ich und ausserdem einen ähnlich kurvigen Körper. Sie war schlank und etwas grösser als ich, was aber nicht schwer war, da ich nur etwa 1.60 gross war. Mit schnellen Schritten kam sie auf mich zu. 'Kathleen!', rief Tiffany fröhlich. Als sie vor mir stand, reichte sie mir die Hand, die ich lächelnd schüttelte. 'Tag!', sagte ich nur. Etwas unschlüssig schaute mich Tiffany an, dann schien sie sich zu besinnen. Sie grinste mich an und meinte: 'Tut mir leid, ich bin zu spät, ich weiss, aber mein Auto ist nicht angesprungen, da musste ich das von Ben borgen. Ben ist unser Nachbar.' Sie nahm mich sanft am Arm und zog mich zum Auto. Es war ein ziemlich altes Modell und sah etwas schäbig aus. Ich öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Auch Tiffany stieg ein und fuhr los. Auf der Fahrt durch ausnahmslos dichten Wald redeten wir nicht viel, wir kannten uns ja noch nicht einmal. Mehrmals fragte ich mich, weshalb meine Mutter wohl nie von ihrer Schwester erzählt hatte.
Auf einmal öffnete sich der scheinbar undurchdringbare Wald und gab den Blick frei auf ein weitläufiges Tal. Grüne Wiesen, Felder und Flüsse erstreckten sich über das gesammte Tal, das rundum begrenzt war durch dichten Wald. Etwa in der Mitte des Tales gab es eine Ansammlung von Häusern, alte Bauernhäuser, grösstenteils aus Holz. Es war schlicht unglaublich, fast schon unwirklich. 'Wow!', hauchte ich. 'Ja, das hab ich damals auch gesagt, als ich das Tal zum ersten Mal sah.' Ich wandte den Blick vom Fenster ab und sah zu Tiffany. Ihre Augen schauten träumerisch während sie den steilen Weg hinab fuhr. 'Man denkt, dass so etwas heute gar nicht mehr existiert, nicht wahr? Wir geben uns die grösste Mühe, damit Verana unbekannt bleibt. Stell dir mal vor, wie viel Geld man hier mit Tourismus machen könnte! Wir leben zwar sehr einfach, die meisten Nahrungsmittel sind aus eigenem Anbau, doch niemals würden wir zulassen, dass die Idylle durch Besucherströme, Kinos und Imbissbuden gestört würde.' Es zerbrach mir fast das Herz als ich mir dieses liebliche Tal vorzustellen versuchte, zugemüllt, mit lauter Strassen, schreienden Kindern und eisessenden Menschen, die ihre Coladosen einfach auf den Boden warfen. Ja, ich konnte es gut verstehen, dass die Bewohner Veranas alles taten, um sein Geheimnis zu waren.









© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz