Kribbeln unter der Haut Teil 23

Autor: Yana
veröffentlicht am: 07.08.2009




Tut mir leid, dass ihr so lange warten musstet.Ich hoffe, dass euch dieser Teil gefällt :)

Kapitel 22
Es waren schon fünf Stunden vergangen und mittlerweile 15 Uhr. Doch er hatte noch immer nicht angerufen. Eigentlich müsste er schon längst zu Hause angekommen sein. Hatte er es sich vielleicht wieder anders überlegt? Hatte er vor, sein Versprechen zu brechen? Hatte Miri recht?
Ich schüttelte den Kopf und starrte weiter an die weiße Wand. Er würde anrufen. Bestimmt. Ich musste nur daran glauben.
'Cat? Ich muss jetzt leider los. Ich hab noch Training und muss meinen Bruder vom Kindergarten abholen…'
'Hm.'
'Du solltest anfangen, ihn zu vergessen, Cat. Er ruft nicht an, sieh es endlich ein.' Sie krabbelte auf mein Bett und umarmte mich fest. 'Ich hab dich lieb, Cat. Wenn was ist oder wenn du jemanden zum reden brauchst, dann ruf mich einfach an. Ich bin für dich um jede Zeit erreichbar.' Ein Kuss auf die Wange und weg war sie. Die darauffolgende Stille empfing mich wie ein dichter, undurchlässiger Nebel, der sich wie ein schwerer Umhang auf mich herabsenkte. Ich biss auf meine Unterlippe, um nicht aufzuschluchzen und wandte mich an den kleinen Welpen, der neben mir friedlich schlafend auf dem Bett lag.
Vielleicht hatte Miri Recht und ich sollte ihn einfach vergessen. Eine Fernbeziehung war sowieso viel zu anstrengend und… kraftraubend. Wenn ich Jerker vergaß, konnte ich wieder so weiterleben wie bisher. Doch wollte ich das überhaupt?
Die klare Antwort auf die Frage lautete Nein. Jerker hatte mir vieles gezeigt. Zum Beispiel, dass ich mich gegen meine Mutter wehren, mich behaupten musste. Und ich hatte von ihm gelernt, Spaß zu verstehen, ohne gleich eingeschnappt auszuflippen.
Ich wollte auf keinen Fall weiterleben, wie bis vor ein paar Wochen. Ganz davon zu schweigen, dass ich ihn niemals vergessen könnte. Mein Herz und meine Gedanken würden immer bei ihm sein, das wusste ich.
Es klopfte an der Tür. Mein erster Gedanke war, dass ich den Hund verstecken musste, bevor meine Mutter ihn sah und ausflippte. Wenn sie ihn sehen würde, würde sie ihn wahrscheinlich schnappen und aus dem Fenster werfen. Rücksichtslos, grausam und kalt.
Kurzentschlossen zog ich das Tier auf meinen Schoß und zog die Decke über ihn, soweit, dass nur noch seine Schnauze rausschauen konnte. Die Tür öffnete sich.
Mein Vater steckte den Kopf zur Tür hinein. Erleichtert atmete ich auf und lockerte den Griff um meinem Hund. 'Catherine, wir müssen reden.' Er klang entschlossen.
Viel zu entschlossen.
'Okay, Dad. Komm rein', sagte ich tapfer und schob die kalte Hunde Schnauze unter meine Decke. 'Was gibt es denn?' Ungeduldig wartete ich darauf, dass er sich setzte.
'Ich möchte mich mit dir über deine Zukunft unterhalten.' Ein Thema, über das ich mit meinem Vater schon so oft geredet hatte.
'Hat dich Mum geschickt?'
Anfangs schüttelte er den Kopf, doch dann nickte er seufzend. 'Aber jetzt flipp nicht wieder gleich aus. Deine Mum schickt mich nur, weil sie weiß, dass du ihr nie zuhören würdest. Und ich selbst würde nicht zu dir kommen, wenn ich nicht teilweise ihrer Meinung wäre.''Du teilst ihre Meinung? Das ist mal was ganz neues', bellte ich ihm plötzlich miesgelaunt entgegen. 'Vielleicht solltest du mal anfangen deine eigene Meinung durchzusetzen und nicht immer so zu tun, als wärest du mit Mum's Ideen einverstanden, nur um einen Streit aus dem Weg zu gehen.'
Eine tiefe Furche bildete sich auf seiner Stirn. Ein Zeichen, dass er wütend wurde. 'Rede nicht in so einem Ton mit mir, Catherine. Ich bin immer noch dein Vater!' Er klang ärgerlich. Sehr ärgerlich. 'Ganz davon zu schweigen, dass du mich und meine Meinung zu akzeptieren hast, solltest du schleunigst damit anfangen mir Respekt und Verstand entgegen zu bringen. Dein Betragen in letzter Zeit ist mehr als ungehobelt!'
Beschämt starrte ich zu Boden. Ich wusste, dass er Recht hatte. 'Tut mir leid, Dad', murmelte ich.
'Das wird dich nicht retten, Catherine. Du musst dich ändern. Du musst anfangen erwachsenen Menschen Respekt entgegen zu bringen.'
Ich schloss die Augen und nickte, obwohl mir klar war, dass ich mich nicht ändern würde. Dass ich mich nicht ändern WOLLTE. 'Wir wollten über meine Zukunft reden, Dad', wechselte ich das Thema.
Einen Moment schwieg er. Wahrscheinlich überlegte er, ob er das Thema vorerst auf sich beruhen lassen, oder weiter eine Predigt halten sollte. Er entschied sich für ersteres. 'Wie du dir wahrscheinlich denken kannst geht es um deinen künftigen Internatsaufenthalt.' Er hielt kurz inne uns ließ seinen Blick zu mir rüber schweifen. Er heftet ihn direkt auf meine Bettdecke, wo der kleine Hund anfing zu zappeln.
'Darüber haben wir doch schon tausendmal geredet, Dad', versuchte ich ihn abzulenken. 'Und ich habe dir bereits gesagt, dass ich keine Bilder sehen möchte.'
'Darum geht es gar nicht', er wandte seinen Blick wieder ab.
'Sondern?', hakte ich nach.
'Du wirst schon am Freitag dorthin gehen. Dann hast du zwei Tage Zeit, um dich einzugewöhnen. Um sechs Uhr morgens fahren wir hier los. Das heißt, dass du zeitig aufstehen musst.'
Frustriert starrte ich ihn an. 'Hättest du mir das nicht schon früher sagen können?'
'Ich erfuhr es erst heute.' Einen Moment schwiegen wir Beide, dann fuhr er fort. 'Ich weiß nicht, ob ich bereits erwähnt habe, aber das Internat liegt etwa fünfhundert Kilometer von hier entfernt…'
'Das dachte ich mir bereits', unterbrach ich ihn. 'Schließlich will Mum nicht riskieren, dass ich am Wochenende nach Hause komme.'
Zu meiner Überraschung stritt dies mein Vater nicht ab. 'Es ist südwestlich von unserer Stadt aus', erklärte er.
'Na und? Was macht das für einen Unterschied?'
'Familie Fox wohnt fünfhundert Kilometer südwestlich von uns.'
Als erstes verstand ich nicht, was er mir damit vermitteln wollte, doch dann machte es klick. 'Das heißt, in derselben Stadt?', fragte ich zaghaft.
Mit einem Nicken bestätigte er dies.
Ich schüttelte fassungslos den Kopf. 'Warum?'
Erst zögerte er, dann fing er langsam an zu erklären. 'Du weißt, dass es mir nicht leicht fiel diese Entscheidung deiner Mutter zu unterstützen. Du bist mein einziges Kind, meine einzige Tochter. Trotz deinem schlechten Benehmen in letzter Zeit liebe ich dich. Väter hängen an ihre Töchter. Sie wollen sie nicht unglücklich sehen. Daher entschloss ich mich, dich vor einigen Tagen von dem Mädcheninternat abzumelden und an einem gemischten Internat in der Nähe von Jerkers Stadt anzumelden. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war.' Er stand abrupt auf. 'Ich muss zurück in mein Büro. Wir sehen uns beim Abendessen.' Er ging zur Tür und öffnete sie. Doch dann hielt er nochmal kurz inne und wandte sich zu mir. 'Ich hoffe, dass du nicht vergessen hast, dass morgen der Zug zu deiner Oma um 11 Uhr fährt.' Er warf einen Blick zu meinem Kleiderschrank, als prüfte er, ob ich schon den Koffer gepackt habe.
'Ich denke daran, Dad', beteuerte ich ihm und schob den Hund zurück unter die Decke. 'Bis später.'
'Bis später.' Er verschwand aus meinem Zimmer.
Erleichtert atmete ich auf und ließ den schwarzen Wollknäul zurück an die frische Luft.

Zwei Stunden nach dem Gespräch mit meinem Vater konnte ich es immer noch nicht fassen: Ich würde in Jerkers Stadt auf ein Internat gehen. Das hieß, dass ich ihn mindestens jedes Wochenende sehen würde.
Doch bei dem Gedanken hielt ich inne, und starrte auf mein Handy, das immer noch keinen Anruf von ihm meldete. Und was war, wenn er gar keinen Kontakt mehr wollte?
Ich spürte eine kalte Hundeschnauze an meiner Hand. Sanft hob ich den kleinen schwarzen Knäul hoch, sodass er mit mir auf Augenhöhe war. In den letzten paar Stunden hatte ich mich damit beschäftigt, einen Namen für das Tier zu finden: Ska. Im Moment passte der Name nicht zu dem kleinen, unschuldigen Hund, der fast wehrlos war. Doch ich wusste, dass wenn er erst einmal ausgewachsen war, er seinem Namen alle Ehre machen würde.
'Was ist los Kleiner, hm?', fragte ich, als der kleine Hund die Schnauze nach vorne reckte und mich am Hals berührte. Beziehungsweise das, was ich dort trug. Ich senkte meinen Blick und betrachtete den Stein, der durch Magnete in der Fassung gehalten wurde. Leicht lächelnd setzte ich Ska zurück auf mein Bett und griff nach dem Anhänger. Er war angenehm warm.In diesem Moment klingelte mein Handy. Erschrocken zuckte ich zusammen und blieb wie angewurzelt sitzen. Doch dann griff ich gehetzt nach meinem Handy und drückte die Annahmetaste.
'Ja?', fragte ich mit zittriger Stimme.
'Hey, Kätzchen', gurrte eine tiefe, männliche und mir so sehr vertraute Stimme.
'Jerker', hauchte ich.
'Tut mir leid, dass ich jetzt erst anrufe. Ich hatte vergessen dir zu sagen, dass wir noch bei ein paar Freunden halt machen würden.'
'Ah', machte ich und versuchte das Misstrauen in mir hinunter zu schlucken. Den Gedanken, dass er lügen und stattdessen vielleicht mit einer anderen blonden Schönheit rumgemacht haben könnte, war unerträglich.
Fassungslos über mich selbst schüttelte ich den Kopf. Wenn ich mir dieses Misstrauen nicht bald abgewöhnen würde, würde diese Beziehung nicht lange heben.
'Du glaubst mir nicht', murmelte er.
'DOCH!', beteuerte ich hastig. 'Wie war die Fahrt?'
Er ging auf mein Ablenkungsmanöver ein. 'Anstrengend. Wir standen mindestens eine Stunde im Stau. Und das bei der Hitze.'
'Jetzt hast du es überstanden.'
Ich hörte ihn auflachen. 'Ja, da hast du recht. Was macht der Kleine?'
Ich brauchte einen Moment um zu verstehen, wen er damit meinte. Doch dann verstand ich und wandte meinen Blick lächelnd zu Ska. 'Er liegt glücklich und zufrieden auf meinem Bett und schnarcht.'
'Das ist gut.'
'Mhm.' Ein paar Minuten schwiegen wir uns an und hingen jeweils unseren Gedanken nach.'Cat?'
'Ja?'
'Ich muss jetzt auflegen.'
Enttäuscht sackte ich in mich zusammen. 'Warum?'
'Es gibt Abendessen. Aber keine Sorge. Ich ruf dich danach wieder an.'
'Lass es dir schmecken, Jerker.'
'Werde ich. Bis später, Kätzchen.' Ich stellte ihn mir vor, wie er das sagte und dabei seinen Mund zu meinem geliebten Lächeln verzog und sich dabei ein tiefes Grübchen auf seiner Wange bildete. 'Bis später', sagte auch ich und legte das Telefon zur Seite.
'Verflucht, Ska! Guck dir die Schweinerei an. Was hast du gemacht?', ich deutete auf eine Pisslache mitten in meinem Zimmer. 'Wir waren gestern extra draußen, damit du da pinkeln kannst. Was soll das bitte, hm?' Mit hängendem Kopf und Schwanz ließ Ska die Standpauke über sich ergehen. 'Jetzt muss ich sehen, wie ich die Schweinerei wieder wegbekomme, ohne dass meine Mum etwas davon mitbekommt!' Ich ging ins Bad und kam mit einem Waschlappen wieder. 'Ich hoffe, dass das nicht jede Nacht vorkommt. Sonst kann ich dich nicht mit zu meiner Oma, geschweige denn ins Internat nehmen.' Ich ließ den Waschlappen auf die Pfütze fallen. Zum Glück war sie nicht allzu groß. 'Und komm ja nicht auf die Idee, irgendwo hin zu kacken!' Ärgerlich putzte ich weiter. 'Wenn du das machst, musst du draußen schlafen, das sag ich dir!' Wieder ging ich ins Bad und wusch den Waschlappen aus, um anschließend nochmals über den Boden zu wischen. 'Sei froh, dass ich so ein weiches Herz habe und dich nicht jetzt schon rauswerfe. Andere würden das sicher sofort tun!' Ska fiepte bedrückt. Ich warf ihm einen kurzen Blick zu und bekam sofort Mitleid. 'Naja, ist jetzt auch egal. Hoffen wir mal, dass das nicht wieder vorkommt.'
Nachdem die Schweinerei beseitigt war, fing ich an, meinen Koffer zu packen. In drei Stunden würde mein Zug kommen und ich musste noch einiges erledigen. Am wichtigsten war wohl, dass ich noch einen Tierarztbesuch für den nächsten Tag bekam. Jerker hatte mir am vorigen Tag gesagt, dass Ska noch geimpft und durchgecheckt werden musste. Ein Halsband und einen Hundeausweis brauchte er auch, für den Fall, dass ich ihn mal mit in Urlaub nehmen würde. Außerdem brauchte ich dringend eine Hundeleine und Hundefutter, zwei Näpfe, einen für das Futter und einen für Wasser, und andere Kleinigkeiten wie Leckerlies, Knochen und wenigstens einen Spielball.
Und dann musste ich noch andere Sachen erledigen. Wie zum Beispiel mich von meinen Freunden verabschieden. Davor graute es mir am aller meisten. Vor allem vor den Tränen, die Miri und ich auf jeden Fall vergießen würden. Ich hasste Abschiede.
'Komm her Ska, wird müssen los.' Ich stellte den fertiggepackten Koffer neben die Zimmertür. 'Ska!', sagte ich streng, als er sich nicht vom Fleck rührte und einfach weiter liegen blieb.
Ergeben seufzte ich und ging zu ihm rüber. Wahrscheinlich durfte ich von einem Welpen nicht verlangen, sofort auf's Wort zu hören. 'Dann trag ich dich eben.' Ich hob ihn hoch und drückte ihn an meine Brust. 'Jetzt müssen wir nur noch ungesehen aus dem Haus kommen.' Zufrieden schmiegte er sein Köpfchen an meinen Hals.
Vorsichtig öffnete ich die Zimmertür und warf einen Blick auf den Flur. Alles still. Auf leisen Sohlen schlich ich die Treppe hinunter und hielt bei jedem Knarren inne und lauschte, ob jemand auf mich aufmerksam geworden ist. Doch es blieb jedesmal still.

Schließlich hatte ich es geschafft. Mit langen Schritten eilte ich zu der nächsten Bushaltestelle und studierte den Fahrplan.
Stöhnende stellte ich fest, dass der nächste Bus erst in knapp einer Stunde fahren würde. Das hieß, ich würde erst um circa halb zehn in der Stadt ankommen.
'Dann müssen wir eben mit dem Fahrrad fahren, Ska', stellte ich fest und eilte zurück in unseren Garten, durchquerte ihn und hielt schließlich vor unserem Schuppen, der an den Stall angebaut war, inne. Hastig holte ich mein altes Fahrrad heraus und stellte zufrieden fest, dass der Korb an meinem Lenker groß und stabil genug war, Ska zu transportieren.

In der Stadt heil angekommen, erledigte ich im rasenden Tempo die nötigsten Einkäufe. Ska benahm sich für einen Welpen ziemlich anständig und daher machten er und das Fahrradfahren keine Schwierigkeiten.
Als ich wieder zu Hause ankam, war der Himmel bewölkt. Dicke, schwarze Wolken säumten sich am Horizont und versperrten der Sonne den Weg. Ich konnte das drohende Unwetter schon riechen, dass da auf uns zu kam. Doch es störte mich nicht. Sollte es stürmen, so passte es zu meiner Laune. Seit Jerker nicht mehr hier war, lebte ich nur noch, um die Tage ohne ihn hinter mich zu bekommen und ihn dann endlich wiederzusehen. Ich gebe zu, dass das übertrieben klingen muss, da er erst seit knapp einem Tag fort war. Jedoch ist es die reine, harte Wahrheit.
'Ich bin gleich wieder zurück, Ska', sagte ich und band ihn mit der neuen Leine an den Schuppen.
Ich beeilte mich, meinen Koffer zu holen und die neuen Einkäufe darin zu verstauen, um anschließend wieder zu Ska zurückzukehren. Dort schnappte ich mir die Leine und trappte mit Hund und Koffer Richtung Bahnhof.

Mit donnernden Kufen rollte der Zug aus dem Bahnhof. Dazuzusagen ist: Genau vor meiner Nase fuhr er davon. Adios.
Fluchend stampfte ich mit dem Fuß auf und starrte dem Gefährt frustriert hinterher. 'Wieso fahren Züge immer pünktlich ab, wenn man etwas zu spät dran ist? Sonst sind sie doch auch immer unpünktlich?!' Mit treuen Hundeaugen wedelte Ska mich an. Er verstand wahrscheinlich kein Wort. 'Ach Ska!', seufzte ich. 'So wie ich den Tag einschätze habe ich Pech und es fährt kein Zug mehr.' Und damit hatte ich recht. Nach 11 Uhr fuhr kein Zug mehr dorthin, wohin ich wollte. 'Verdammte Scheiße!', zischte ich vor mich hin und überlegte, was ich nun tun sollte.
Nach langem hin und her entschied ich mich, ein Taxi zu nehmen. Das würde wahrscheinlich nicht gerade billig sein, aber besser als wieder heimzulaufen war es allemal.
Als ich schließlich ein Taxi aufgetrieben hatte, nannte ich mein Ziel, fragte nach dem wahrscheinlichen Preis für diese Fahrt und verstaute meinen Koffer im Kofferraum.
Anschließend nahm ich platz und zerrte Ska auf meinen Schoß.
Da der Taxifahrer wohl ziemlich gesprächig war, verlief die Fahrt sehr lustig. Zwischendurch starrte ich die ganze Zeit aus dem Fenster, in den platschenden Regen. Zu blöd, dass ich nicht an einen Regenschirm gedacht hatte.
'Wie lange werden wir fahren?', fragte ich in die Stille hinein.
'Dreißig Minuten', antwortete er. 'Warum haben Sie nicht den Zug genommen? Das wäre um einiges billiger gewesen.'
'Er ist quasi vor meiner Nase davon gefahren', erklärte ich.
Der etwa ältere Herr lachte auf. Es klang nach einem höflich netten Lachen. 'Ich glaube, das passiert jedem Mal. Besuchen Sie Verwandte?'
Ich nickte. 'Ich bin bei ihnen für einen Tag zu Besuch.'
'Enge Verwandte?'
Ich fand diesen Mann sympathisch, schon vom ersten Moment an. Daher störte es mich nicht weiter, dass er so neugierig war. 'Genauer gesagt meine Oma und meinen Opa, die ich bisher noch nicht kennenlernen durfte.'
Er nickte lächelnd und hakte nicht weiter nach. 'Dein Hund scheint noch ziemlich jung zu sein', stellte er fest, um wahrscheinlich das Thema zu wechseln.
'Ja, er ist ein Geschenk. Ein Abschiedsgeschenk sozusagen.'
'Darf ich fragen, was für eine Rasse in ihm steckt?'
'Wenn ich könnte, würde ich ihnen diese Frage gerne beantworten.'
Ich sah ihn im Spiegel lächeln. Dann schwieg er.

Knappe dreißig Minuten später hielt der Wagen vor einem kleinen, schnuckligen Haus, das von Efeuranken umgeben war. Der Regen perlte von den Blättern ab und tropfte zu Boden. Grauer Rauch stieg aus einem Schornstein, empor in den dunklen Himmel. Insgesamt wirkte das Haus unheimlich, aber freundlich. Es lud förmlich ein, einzutreten.
Doch das seltsame war, fand ich, dass keine Lichter branden. War meine Oma überhaupt zu Hause?
'Wären Sie so nett und würden hier warten, bis ich weiß, ob jemand zu Hause ist?', fragte ich und drückte dem Herrn die verlangte dreißig Euro für die vergangene Fahrt in die Hand.'Aber natürlich.'
Lächelnd klemmte ich mir Ska unter den Arm, kletterte aus dem warmen, trockenen Wagen ins kalte Nass und zerrte den Koffer aus dem Kofferraum hinterher. Mit großen Schritten eilte ich durch den kleinen Vorgarten und hielt vor der Eingangstür inne. Mein Blick huschte zum Klingelschild. 'Mathilde und Bernd Braun.' Ich stockte kurz. Irgendwo hatte ich den Namen schon einmal gehört. Oder gelesen. Ich wühlte in meinem Gedächtnis und dann machte es klick. Mir stockte der Atem. Konnte das wirklich wahr sein? War das möglich? Oder war es nur Zufall?
Entschlossen wirbelte ich herum, rannte die Stufen runter und zurück zum Taxi. Dabei riss ich mein Handy aus der Tasche und drückte die Kurzwahltaste. Während ich dem Duden zuhörte, öffnete ich die Wagentür, schleuderte Hund und Koffer hinein und ließ mich selbst auf einen Sitz fallen.
'Niemand zu Hause?', fragte mich der Taxifahrer.
Ich schüttelte verneinend den Kopf. 'Fahren sie mich bitte zurück an den Hauptbahnhof.'Ungeduldig wartete ich, dass jemand am anderen Ende der Leitung das Telefon abnahm. 'Mach schon…', murmelte ich.
Zwei Sekunden später, meldete sich eine vertraute Stimme. 'Ja?'
'Jerker?', fragte ich, obwohl ich sicher war, dass er es war.
'Kätzchen.' Ich hörte ihn förmlich lächeln. 'Was…'
'Hör mir zu Jerker, was ich gerade entdeckt habe. Ich habe dir gestern doch erzählt, dass ich heute meine Oma und meinen Opa besuchen würde, nicht wahr?' Ich ließ ihm keine Zeit zum antworten. 'Rat mal wie sie mit Nachnamen heißen?' Wieder fuhr ich sofort weiter. 'Braun. Kommt dir der Name irgendwie bekannt vor? Mir ist es auch erst nach ein paar Sekunden eingefallen.' Diesmal hielt ich inne. Einen Moment schwieg er, da er anscheinend nachdachte. Doch dann kam ein erkennendes 'Ah'. 'Du meinst, die Geschichte mit dem verschwundenen Mädchen?'
Ich nickte eifrig. 'Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie genau so hieß.'
'Meinst du nicht, dass es einfach Zufall ist?'
'So ein großer Zufall? Niemals, Jerker.'
'Okay. Ich nehme an, du bist schon wieder auf dem Weg nach Hause?', fragte er.
Ich kicherte überdreht. 'Da hast du Recht.'
'Wann bist du da?'
'In dreißig Minuten. Wieso fragst du?'
'Gut. In circa drei Stunden bin ich bei dir.'
'Was? Wie?', fragte ich verwirrt.
'Wir müssen doch überlegen, was wir als nächstes tun. Oder willst du nicht wissen, was damals passiert ist?'
'Doch, natürlich!'
'Na siehst du. Bis nachher, Kätzchen', er legte auf.
Mit offenem Mund starrte ich auf mein Handy. Er nahm extra deswegen so einen weiten Weg auf sich? Auf einmal bekam ich Gänsehaut vor Freude. Ich würde ihn heute widersehen.'Das war wohl Ihr Freund, was?', fragte der Taxifahrer lächelnd.
Wieder kicherte ich und teilte ihm mein Glück mit. 'Er will mich besuchen kommen.''Fernbeziehung?'
Ich bestätigte. Er nickte wissend. 'Meine Tochter hatte auch einen Freund, der mehr als dreihundert Kilometer entfernt wohnte.'
'Und was ist nun mit den Beiden?', wollte ich wissen.
'Nun wohnen sie glücklich zusammen.' Lachfältchen bildeten sich um seine Augen.
Nachdenklich zog ich Ska auf meinen Schoß. Neugierig stemmte er seine Vorderpfoten gegen das Fenster und starrte hinaus.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20 Teil 21 Teil 22 Teil 23 Teil 24 Teil 25


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz