Kribbeln unter der Haut Teil 13

Autor: Yana
veröffentlicht am: 31.10.2008




Hallo ihr!
Tut mir leid, dass es diesmal etwas länger gedauert hat. So wird es auch in der nächsten Zeit sein. Aber nun viel Spaß beim lesen :)

Kapitel 12
Als ich am nächsten Tag aufwachte, hielten mich immer noch Jerkers starke Arme umklammert. Verschlafen hob ich den Kopf und schaute Jerker ins Gesicht, um zu überprüfen, ob er noch schlief oder nicht. Er war wach und hatte die Augen geöffnet.'Guten Morgen. Gut geschlafen?', er lächelte und gab mir einen Kuss auf die Stirn.'Hm.' Ich kuschelte mich wieder an ihn. 'Aber ich bin immer noch müde.'
'Kein Wunder. Es ist erst sechs Uhr morgens.'
'So früh?', fragte ich erstaunt. 'Seit wann bist du denn wach?'
'Seit einer halben Stunde.'
'Oh Gott.' Ich gähnte und schloss wieder die Augen, um weiter zu schlafen.
Doch plötzlich schoss mir der vorherige Tag als eine schreckliche Erinnerung durch den Kopf. Ein merkwürdiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.
Ich spürte Angst. Angst vor dem großen Unbekannten, vor der Wahrheit.
Waren wir Menschen nicht furchtbar… merkwürdig? Wir waren Lebewesen, die Angst vor der Wahrheit, Angst vor dem Verborgenen hatten. Wir töteten, wir schenkten anderen das Leben. Wir liebten, wir hassten. Wir waren glücklich und unglücklich.
So viele Emotionen in einem kleinen Körper.
Doch plötzlich spürte ich noch etwas anderes, als die bedrückende Angst: Neugier. Ein unbeschreibliches Gefühl, dass einen Wall Unruhe in mir auslöste.
'Über was denkst du nach?', fragte Jerker leise.
Wie hatte er bemerkt, dass ich nicht schlief? 'Ich weiß nicht… ich… ich kann einfach nicht mehr ruhig liegen bleiben. Am besten ich mach mich jetzt fertig.' Ich wollte mich aus seinen Armen befreien, doch er ließ mich nicht los.
'Es ist wegen gestern, nicht? Du willst ins Stadtarchiv.' Seine Stimme klang unendlich traurig.
Ich schwieg.
'Catherine ich…' Er hielt inne. 'Ich bleibe hier höchstens noch zwei Wochen. Lass uns die Zeit nicht damit verschwenden, irgendwelchen… Hirngespinsten nach zu laufen. Bitte es ist…' Er seufzte ver-zweifelt. 'Ich will die restliche Zeit mit dir genießen. Lass uns etwas unternehmen. Draußen scheint die Sonne.'
'Jerker…'
'BITTE!' In seiner Stimme schwang Wehmut mit. 'Tu mir den Gefallen, Catherine.'
'Warum ist dir das so wichtig? Wir können doch auch die Zeit miteinander verbringen, indem wir Nachforschungen anstellen.' Ich drückte mich ein paar Zentimeter von ihm weg, sodass ich ihm ins Gesicht schauen konnte.
'Wenn ich zu Hause bin, und auf die Zeit die ich hier verbracht habe, zurück schaue, dann soll es eine schöne Erinnerung sein. Eine Erinnerung, in der wir zusammen lachten und miteinander rumalberten.'
'Ich kann doch heute ins Stadtarchiv und morgen und übermorgen können wir etwas zusammen unternehmen…'
'Ein verlorener Tag.', murmelte er. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig.
'Jerker, ich bin so neugierig. Irgendetwas drängt mich zu forschen. Als ob jemand will, dass die Wahrheit ans Licht kommen soll.'
'Es gibt KEINE Wahrheit. Es ist ein Gespinst.'
'Nein!'
'Bitte, Cat!' Er flehte, zog mich fest an sich und vergrub sein Gesicht in meine Haare. Ich spürte seinen warmen Atem.
Wie hätte ich ihm in diesem Moment die Bitte abschlagen können?
'Reiten wir wieder an den See?', fragte ich als Antwort. Doch im Stillen beschloss ich, noch diese Woche ins Stadtarchiv zu fahren. Auch wenn Jerker sich flehend vor mir auf den Boden werfen und meine Füße küssen würde. Das würde mir dann egal sein.
'Danke, Cat.' Er klang erleichtert. 'Ich würde liebend gerne heute mit dir an den See reiten.'Ich spürte, wie seine Hände langsam und zärtlich über meinen Rücken wanderten. Ich seufzte wohlig und schloss die Augen.
Hier fühlte ich mich sicher. Geborgen. Wohl.
'Ich wünschte, ich könnte hier für immer wohnen bleiben.'
Ich antwortete ihm nicht. Was hätte ich ihm auch sagen sollen? Dass seine und meine Eltern das nie zu lassen würden? Dass er nicht sein ganzes vorheriges Leben aufgeben konnte? Dass seine Freunde auf ihn zu Hause warteten? Dass er hier nicht zu Hause war? Dass wir im Kontakt bleiben würden? Dass wir uns schreiben und miteinander Telefonieren könnten? Dass das Leben weiter gehen würde, auch wenn wir uns nicht mehr sehen werden? Dass wir uns treffen könnten? Dass wir schon eine Lösung finden würden?
Oder hätte ich ihm Mut machen sollen? Sagen sollen, dass wir es schaffen würden? Dass wir unsere Eltern überreden könnten?
Vielleicht hätte ich etwas sagen sollen. Doch alles, was ich hätte sagen KÖNNEN, kam mir falsch vor. Das Schweigen war passender.
Viel passender.

Zirka zwei Stunden später saßen Jerker und ich am Frühstückstisch draußen in der Sonne. Wir aßen die letzten Resten meines Geburtstagskuchens und schwiegen uns an. Als ich mir das letzte Stück Kuchen in den Mund schob, hörte ich leise Schritte auf uns zu kommen. Fragend schaute ich zu Jerker, der prompt das Gesicht verzog.
'Guten Morgen, ihr Beiden.', zwitscherte meine Mutter schon. Ich spürte, wie sie mir eine Hand auf die Schulter legte. 'Habt ihr gut geschlafen?' Sie wartete erst gar nicht auf unsere Antwort. 'Was habt ihr denn heute vor? Es ist so schönes Wetter, da wollt ihr doch sicher an den See oder sonst wohin ausreiten, oder?' Sie lächelte Jerker an. Jedenfalls stellte ich mir das so vor, denn da sie hinter mir stand, konnte ich ihr Gesicht nicht sehen. - Zum Glück. 'Ich habe unserer Köchin schon bescheid gesagt, dass sie euch ein Picknickkorb vorbereiten soll. Den könnt ihr dann mitnehmen.'
'Vielen Dank, Frau…', meine Mutter unterbrach ihn, als er sich bedanken wollte.
'Ach nenn mich doch einfach Adelheid.' Ich stöhnte entgeistert auf. Wie konnte sich meine Mutter mit ihrem schrecklichsten Namen vorstellen? War sie etwa STOLZ darauf, Adelheid zu heißen?
Einen Blick in Jerkers Gesicht sagte mir, dass er diesen Namen zum Schreien komisch fand. Doch er beherrschte sich, lächelte kurz und nickte. 'Danke, Adelheid.' Bevor ich es hätte verhindern können, prustete ich los. Meine Mutter warf mir einen vernichtenden Blick zu und Jerker starrte angestrengt auf dem Tisch, um nicht ebenfalls loslachen zu müssen.
'Catherine! Ich wüsste nicht, was daran lustig sein soll!', schnaubte meine Mutter empört und stemmte die Hände in die Hüfte.
'Tut mir leid, Mum.' Kichernd hielt ich mir die Hand vor den Mund und hielt die Luft an, um mein Lachen zu ersticken. 'Das will ich hoffen, Fräulein!' Sie starrte mich nieder, denn sie wusste genau, dass es mir ganz und gar nicht leid tat. 'Ach, und ehe ich es vergesse:
Catherine, dein Vater will dich heute Abend sprechen.'
Erstaunt runzelte ich die Stirn. 'Über was?'
'Das wirst du früh genug erfahren, Catherine!' Meine Mutter hasste Neugier, obwohl sie selbst immer alles sofort wissen wollte. 'Also kommt pünktlich zum Abendessen zurück!'Jerker grinste. 'Jawohl, Adelheid.'
Während meine Mutter uns noch einen mahnenden Blick zuwarf, fing ich wieder an zu kichern. Als sie dann endlich, endlich im Haus verschwunden war, prustete auch Jerker los.

Dreißig Minuten später saßen wir auf den Pferden und ritten durch den dunklen, jedoch freundlich wirkenden Wald und redeten darüber, wie wenig Geschmack mein Opa und meine Oma haben mussten, wenn sie ihr Kind ADELHEID nannten.
'Eigentlich kann deine Mutter froh sein, dass sie Adelheid heißt. Obwohl ich nicht genau sagen kann, was schlimmer ist: Adelheid, Gertrude oder Brunhild.' Er kicherte los. 'Ich glaube, scheußlichere Namen gibt es gar nicht.'
'Ich glaube, meine Großeltern sind altmodisch und haben meine Mutter deshalb so genannt.', meinte ich ernst.
'Glauben ist nicht wissen.'
'Ich kenn meine Oma und meinen Opa nicht.'
'Wieso nicht? Sind sie schon vor deiner Geburt gestorben?'
Ich schüttelte den Kopf, dann nickte ich. 'Meine Eltern haben sich mit ihnen verkracht, deshalb sind sie für mich tabu. Ich hab sie nie gesehen, weil meine Mum meinte, sie hätten einen schlechten Einfluss auf mich und mein Leben.'
'Verkracht?' Jerker überlegte kurz, dann kicherte er los (Jaaaa, Jungs kichern auch!!! Und wie!!!). 'Kein Wunder. Ich hätte mich auch mit meinen Eltern verkracht, wenn sie mir so einen sch… hässli-chen Namen gegeben hätten.'
Ich lachte mit. 'Ich glaube kaum, dass das der Grund gewesen war.'
'Weißt du ihn denn nicht?', fragte Jerker erstaunt und wurde ernst.
'Meine Eltern haben ihn mir nie verraten.'
'Irgendwie ist das unfair. Wenn du schon verboten bekommst, deine Großeltern zu sehen, dann solltest du auch den Grund gesagt bekommen.'
'Das habe ich meiner Mutter auch gesagt, doch da ist sie total ausgerastet und hat mich angeschrien, ich soll mich gefälligst raus halten und mich um meinen eigenen scheiß kümmern.'
'Und seitdem hast du niemals wieder nachgefragt?'
Ich verneinte und damit war dieses Gespräch beendet. Vorerst.
Zehn Minuten später erreichten wir den See.
Als unsere Pferde zum stehen kamen, saßen wir ab und banden sie an einen Baum fest.'Wo wollen wir uns hinsetzen?', fragte Jerker und ließ seinen Blick über den See schweifen.'Auf jeden Fall in die Sonne.', antwortete ich und lief voraus. An einer sonnigen Stelle, wo das Gras nicht all zu lang war, blieb ich stehen und ließ den Picknickkorb, mein Handtuch und die Sonnencre-me fallen. Jerker tat es mir nach.
Wir breiteten unsere Handtücher nebeneinander aus, sodass wir eine große Liegefläche hatten. Anschließend streiften wir uns die Kleider vom Leib (Die Badesachen ließen wir natürlich an!!!).
'Soll ich dich eincremen?' Jerker warf einen kurzen Blick auf meine leichtgebräunte Haut.

Einige Zeit später setzte ich mich schwitzend auf und schüttelte mir das Haar aus dem Gesicht. 'Mir wird es langsam etwas zu heiß.' Ohne auf eine Antwort von Jerker zu warten, erhob ich mich und machte mich auf den Weg, zum kühlen Nass.
Als ich den See kurz darauf erreichte, mich in das Wasser schmiss und mindestens Zehn Minuten geschwommen war, fing ich an zu frieren.
'Naja, kein Wunder. Das Wasser ist ja auch scheiß kalt.', murmelte ich zu mir selbst und schwamm zurück ans Ufer.
Bei unseren Handtüchern angekommen, sah ich Jerker friedlich schlummernd in der Sonne liegen. Plötzlich hatte ich eine Idee. Ich unterdrückte ein kichern, um Jerker nicht zu wecken und schmiss mich kurzerhand auf ihn. Mit einem erschrockenen Schrei fuhr Jerker aus dem Schlaf und stieß mich unsanft von sich.
'Verdammt, Catherine! Musste das sein?!'
Kichernd trocknete ich meine Hände an meinem Handtuch ab. 'Wie? Hab ich dich erschreckt?'
Finster musterte er mich. 'Nein, weißt du. Wenn etwas Arschkaltes auf einen drauf fällt, erschrickt man natürlich nicht!' Diese Ironie!
'Oh, tut mir leid, Jerker. Ich glaube, ich bin gestolpert.'
Plötzlich lachte er auf. 'Das glaubst du doch selber nicht!'
'Stimmt.'
'Das war echt mies, Cat.'
'Ich weiß.', gab ich zu. 'Aber ich kann ja auch nicht immer nur nett sein.'
'Wann bist du schon einmal nett?'
'Na, vielen Dank.' Gespielt beleidigt legte ich mich hin und verschränkte die Arme unter meinen Kopf. 'Das sagt grade der Richtige.'
Darauf antwortete Jerker nichts. Als ich gerade die Augen öffnen wollte, um zu schauen, ob er überhaupt noch da war, spürte, ich, wie er mich plötzlich mühelos hochhievte.
Erschrocken schrie ich auf und schlang meine Arme um seinen Hals. 'Lass mich runter Jerker!!!'
Lachend lief er Richtung See. 'Nein.'
'Jerker!' Wehe er ließ mich fallen. 'Setz mich ab!'
'Du hast gesagt, ich sei nicht nett. Dann muss ich auch etwas für das Nicht-nett-sein tun.'
'Das war doch gar nicht so gemeint!', jammerte ich.
'Und wenn schon.'
'Lass mich runter!'
'Okay, sofort. Du musst nur deine Arme und Hände zu dir nehmen.'
Erleichtert, dass er mich endlich wieder auf sicheren Boden ließ, löste ich meine Arme von seinem Hals. Doch als ich ihm ins Gesicht schaute und er hämisch grinste, wanderte mein Blick in Richtung Boden. Da, wo eigentlich hätte Boden sein müssen.
'Ich lass dich jetzt los.'
'NEIN!' Bevor ich hätte reagieren können, ließ er mich und meinen von der Sonne aufgewärmten Körper in das eiskalte Wasser fallen.
Wie ein Kartoffelsack tauchte ich unter.
Erst nach ein paar Sekunden gelang es mir, mich von dem Kälteschock zu erholen und mich an die Wasseroberfläche zu befördern.
'Jerker!!!', krisch ich und hielt nach ihm Ausschau. Er schwamm einige Meter von mir entfernt und lachte. 'Na warte.', murmelte ich und nahm die Verfolgung auf. Doch schon nach einigen Metern tauchte Jerker unter und ich verlor ihn aus dem Auge.
Ratlos hielt ich mit der Verfolgung inne und wartete darauf, dass er wieder auftauchte.Erst nach ein paar Minuten spürte ich, wie ich an den Füßen nach unten gezerrt wurde. Als ich unter Wasser die Augen öffnete, erkannte ich Jerkers verschwommene Umrisse und sein breites grinsen. Ich versuchte nach ihm zu schlagen, doch irgendwie ließ das Wasser das nicht zu. Leider.
Jerker machte in blubberndes Geräusch, was wohl ein Lachen sein sollte und strampelte zurück an die Oberfläche.

'Das werde ich dir niemals verzeihen, Jerker!', sagte ich und stapfte durch das Gras zurück zu unse-ren Handtüchern. Frierend schmiss ich mich auf den harten Boden.
Lachend setzte er sich neben mich. 'Wetten doch?'
'Pf.' Ich warf ihm einen verärgerten Blick zu. Jedenfalls sollte er verärgert sein, doch scheinbar sah man mir meine Belustigung an, denn er grinste weiter.
'So wie ich dich kenne, hast du mir spätestens Morgen verziehen.'
'Dann kennst du mich aber schlecht.'
'Wetten nicht?'
'Wette angenommen!'
'Ich hab schon so gut wie gewonnen.' Zwar schaute ich ihn nicht an, doch irgendwoher wusste ich, dass er lächelte.
'Von wegen.' Ich schloss die Augen und genoss die warme Sonne, die meinen Körper langsam wieder trocknete.
Doch plötzlich legte sich ein Schatten über mein Gesicht. Als ich die Augen öffnete, hatte sich Jerker über mich gebeugt. Und ehe ich hätte reagieren können, spürte ich seine weichen, warmen Lippen auf den meinen.
Zuerst kam mir in den Sinn, ihn wegzustoßen. Doch dann besann ich mich etwas besseren und schloss die Augen. Ich spürte, wie er meine Lippen mit sanfter Gewalt öffnete und unsere Münder miteinander verschmolzen.
Ohne mir die Mühe zu machen, einen Seufzer zu unterdrücken, legte ich meine Hände in seinen Nacken und zog ihn näher an mich heran. Und als sich schließlich sein warmer, männlicher Körper an den meinen schmiegte, setzte mein Verstand endgültig und völlig aus. Hätte er in diesem Moment gesagt: 'Zieh dich aus' - ich hätte es getan.
Vielleicht würde das einigen etwas übertrieben vorkommen, wenn ich ihnen beschreiben würde, wie ich gerade dachte und fühlte. Dass ich mich so ähnlich fühlte, wie ein Gefangener, der nach vierzig Jahren Knast endlich wieder in die Sonne, in die Freiheit durfte. Dass ich mich fühlte wie ein Alkoholiker, der nach Stunden Entzug endlich wieder trinken durfte.Doch ich fühlte mich auch wie auf Wolken. Als würde ich fliegen. Als wäre ich frei. Meine Sinne schienen geschärft. Ich konnte alles doppelt so laut hören.
Und als ich Jerker noch fester zur mir zog, wusste ich, dass ich das einzig Richtige tat. Dass es kein Fehler war, ihn zu küssen, ihn zu berühren.
Und ich wusste, dass er mir niemals, NIEMALS absichtlich weh tun würde.
In dieser Weise, hatte ich zuvor noch nie Gefühlt. Bei keinem Jungen. Nicht einmal bei meinem letzten Freund, mit dem ich fast zwei Jahre zusammen gewesen war.
Und während er mich küsste… nein, falsch. Während WIR uns küssten - das war ein Unterschied - achtete ich auf jede Bewegung die er tat, auf jede Berührung seiner Hände auf meinem Körper. Nichts entging mir in diesem Moment. Auch der zimtartige Geruch seines Körpers nicht und auch nicht sein Geschmack.
Er schmeckte süß.
Himmlisch.
Hätte ich die Chance gehabt, die Uhr anhalten zu können, hätte ich es in diesem Moment sofort, ohne lange darüber nachzudenken, getan. Alles was ich zu diesem Zeitpunkt wollte, war, bis in alle Ewigkeit in Jerkers Arme zu liegen und seine Lippen auf den Meinen zu spüren.
Doch leider vernichtete Jerker diesen Wunsch prompt, indem er sich von mir löste. Als ich meine Lieder kurz darauf hob, schaute ich frustriert in seine hell leuchtenden,
smaragdfarbenden Augen.
Er lachte leise, als er meine Enttäuschung richtig gedeutet hatte, und drückte sein Gesicht leicht gegen meinen Hals. Ich hörte, wie er leise ein- und wieder ausatmete.
'Hätte ich gewusst, dass du so darauf reagierst, hätte ich es schon früher ausprobiert.' Er hob seinen Kopf und schaute mir in die Augen.
Ich antwortete ihm nicht. Worte waren in diesem Moment überflüssig. Dieser Moment war magisch.
Doch plötzlich musste ich innerlich den Kopf über mich selbst schütteln. Wie oft hatte ich das schon in Büchern gelesen? Diesen Satz, dass dieser Moment magisch sei? Und hatte ich nicht immer sofort gedacht, dass das alles nur Lügen seien? Das es solche Momente in der Realität nicht gab? Dass man so etwas einfach nur in Bücher schrieb, damit es sich besser las?
Und nun lag ich hier, und wusste, dass alles, was ich bisher in Büchern über die Liebe gelesen hatte, wahr war. Jedes Wort. Es waren keine Lügen, sondern Wahrheit.
Wäre ich in diesem Moment in der Lage gewesen, einen Ton von mir zu geben, hätte ich geschrien. Ich hätte in die Welt hinaus geschrien. Irgendetwas. Hauptsache geschrien.Doch dieses Glück, dieses unendliche Glück, das durch diesen einen, ersten Kuss meinen Körper durchschossen hatte, zerdrückte mich fast. Es raubte mir den Atem.
Und doch fühlte ich mich so unendlich leicht. Frei.
Meine Gedanken verfolgten den Gedanken, was wäre, wenn ich genau diese Worte in einem Buch zusammenfassen würde. Und dieses Buch später meine Kinder lesen, meinen Worten keinen Glauben schenken und kurz darauf genau dasselbe Glück erleben würden. Sie würden dann auch ihre Worte, ihre Gefühle in einem Buch zusammenfassen. Sie würden schreiben, dass sie MEIN Buch gelesen hatten und meiner Geschichte nicht geglaubt hatten, und dann dasselbe erlebt hatten. Dann würden die Kinder meiner Kinder, also meine Enkelkinder, unsre Geschichten lesen, unsren Worten keinen glauben schenken, dasselbe Glück erfahren und wieder Worte aufschreiben.
Es würde eine unendliche Kette entstehen. Tausend Geschichten mit denselben Gefühlen, mit denselben Beteuerungen, dass es dieses Liebesglück wirklich gab. Und doch würde niemals jemand Worten eine Beachtung, einen Glauben schenken, bevor sie es nicht selbst, am eigenen Körper, an der eigenen Seele erfahren hatten.
So war es, und so würde es immer bleiben. In der Liebe, und auch in anderen Dingen. Zum Beispiel wenn das Leben bergab ging. Dann würden die Freunde sagen: 'Das wird schon wieder. Lass den Kopf nicht hängen.' Man würde diesen Worten keine Beachtung schenken. Und dann, nach einigen Tagen, Wochen, Monaten, wenn man endlich wieder glücklich war, erinnerte man sich an die Worte seiner Freunde und dachte: 'Sie hatten Recht.'So war es mit vielen Dingen.
Meine Gedanken schweiften weiter. In vielen Büchern würde jetzt der Moment kommen, wo der Junge das Mädchen mit der Frage: 'Über was denkst du gerade nach?', aus den Gedanken riss. Doch dieser blieb aus. Jerker hatte sich über mich gestützt und beobachtete mich einfach. Er schwieg und akzeptierte MEIN Schweigen.
'Danke.', sagte ich. Er fragte nicht, für was, er sagte auch nicht ‚Bitte'. Er verstand mich.

'Lass uns zurück reiten.' Jerker strich mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.'Warum?', fragte ich. 'Es macht doch keinen Unterschied, ob wir zehn Minuten früher oder später losreiten. Wir werden so oder so nicht pünktlich zum Abendessen ankommen.'Er lachte leise. Worüber wusste ich nicht genau. Vielleicht über meine Logik. 'Aber macht es nicht einen besseren Eindruck, wenn wir so früh wie möglich erscheinen?' Ich brummte etwas Unver-ständliches. 'Und wer weiß: Vielleicht schaffen wir es doch noch rechtzeitig.''Hm.' Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte ich meine Wangen auf seine warme, nackte Brust. Leise lachend, schlang er seine muskulösen Arme um mich herum und strich sanft über meinen Rücken.
'Haargenau in zehn Minuten werden wir los reiten, Cat.', murmelte Jerker.
Zufrieden hob ich den Kopf und musterte ihn. 'Okay.' Ich stützte mich auf dem grasigen Boden ab und schob mich höher, in Richtung Jerkers Gesicht. Leicht lächelnd legte ich meine Lippen auf die seine.

Aus den zehn Minuten wurde eine halbe Stunde. Als Jerker merkte, dass es schon dunkel wurde, schob er mich sanft von sich.
'Sattel du die Pferde, ich pack unsere Sachen zusammen.', bestimmte er und sprang mit einer flie-ßenden Bewegung auf.
Leicht verschlafen und verträumt streifte ich mir mein T-Shirt über und zog meine Reithose an. Als ich mich ebenfalls erhob und auf unsicheren Beinen zu den Pferden ging, fiel mir auf, wie heiß der Kristall in der silbernen Herzfassung war.
War das nicht seltsam?







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