Amatory Angel Teil 2

Autor: Zoe
veröffentlicht am: 22.07.2008




Hallo ihr Lieben! Dieser Teil wird sich vielleicht so anhören, als hätte ich etwas gegen Real- und Hauptschüler. Das habe ich aber ganz und gar nicht! Ich habe selbst Freunde, die solche Schulen besuchen. Also an alle Realschüler, bitte nehmt mir den Teil nicht übel! Liebe Grüße Zoe

'Jetzt seit endlich ruhig!', zischte Frau Gilbert ihre Klasse an, die sich nach und nach beruhigte, 'wir haben eine neue Schülerin. Sie heißt Imogen Harrison und ist neu hier her gezogen. Bitte nehmt sie freundlich auf und macht ihr den Neuanfang nicht zu schwer.', bat die Lehrerin eindringlich.
Imogen ließ ihre Augen über die Schüler gleiten und erkannte sofort Tracy, die ganz hinten saß, ganz offensichtlich Kaugummi kaute und Imogen sofort verabscheuend anstarrte.'Dein Platz ist der Freie neben Fabian.', wendete sich Frau Gilbert Imogen zu. Imogen fühlte sich äußerst unwohl, als sie zu ihrem neuen Sitzplatz marschierte. Achtundzwanzig Köpfe waren auf sie gerichtet und beobachteten jede Bewegung. ‚Jetzt ja nicht stolpern!', bat sie sich selbst, kam auch glücklicherweise heil an ihrem Stuhl an und setzte sich, die Hände eingeschüchtert auf ihrem Schoß ruhend. Fabian drehte sich sofort zu ihr. 'Wie viele Jahrgänge hast du denn wiederholt?!', fragte er vollkommen ernst.
'G-gar keins. Warum?', antwortete sie verwundert.
'Du bist doch mindestens zwanzig!', er machte eine schnipsende Handbewegung und deutete schließlich mit großen Augen auf ihre Brüste, 'so einen Körper hat man doch nicht mit sechzehn, du musst sitzen geblieben sein.'
'Das geht dich gar nichts an!', sie spannte alle Muskeln an, wie konnte man nur so forsch sein?! Das schien diese Menschenwelt jedoch schon mit der Muttermilch zu sich genommen zu haben. Aber wenn sie es sich recht überlegte, war ein Engel mit zweihundert und zehn Jahren völlig ausgewachsen und ausgereift. Danach alterte er überhaupt nicht mehr. Das entsprach vom Aussehen einem einundzwanzigjährigem Menschen. Somit hatte Fabian gar nicht so unrecht. Sie musste wirken wie um die zwanzig. Daran hatte wohl keiner gedacht, dass ihr Alter ein Problem werden könnte.
'Jetzt klotz mich doch nicht an wie ein Auto!', feixte Fabian.
'Oh, tschuldigung…', entgegnete sie kleinlaut und holte Block und Stifte aus ihrer Tasche.'Mach doch deine Haare auf!', plötzlich versuchte Fabian den Dutt zu lösen, für den Imogen heute Morgen so viel Zeit gebraucht hatte.
'Ey, lass deine Finger da weg!', langsam fehlte ihr wirklich die Geduld.
'Macht mal bitte auf Seite 56 die Nummern 1-6. Ich werde mit Imogen noch die
Schuluniform holen gehen. Und bitte, bitte benehmt euch mal! Also kommst du Imogen?', forderte die Lehrerin freundlich und rettete sie damit ein stück weit vor ihrem tollen Sitznachbarn.
'Ja, natürlich.', sie stand auf und wollte nach vorne gehen.
'Du kannst deine Sachen ruhig hier lassen.'
'Na gut.', sie stellte ihre Tasche wieder ab und lief mit der Lehrerin nach draußen. Diese hatte rot-blondes kurzes Haar und eine schwarze große Brille. Dazu eine schiefe Nase und kleine Augen. Jetzt merkte Imogen erst, wie schön Engel doch waren. Natürlich sahen sie unterschiedlich gut aus, waren unterschiedlich groß, aber keiner war wirklich hässlich. Obwohl sie es auch hier verabscheute diese arme Frau als hässlich zu bezeichnen. Sie zog das Wort ‚speziell' liebevoll vor.
'Wieso trägt man hier denn Schuluniform?', fragte Imogen schließlich verwundert.'Nun ja. Der Direktor hielt es für besser. Hier gibt es ständig Prügeleien. Vor allem ging es oft um Klamotten. Ist eben nicht ganz so harmonisch wie auf einem Gymnasium.', Frau Gilbert blieb stehen und ging in eine Tür, 'Welche Größe hast du denn?'
'36', ‚gut, dass wir die gleichen Größen, wie auf der Erde haben.', sie war sichtlich erleichtert.
'Gut, dann warte hier.'
Imogen gehorchte und schaute sich ein wenig um. Ein langer Gang, dem sie eben einige Minuten gefolgt waren. Er wurde durch große Fenster großzügig beleuchtet, dennoch wirkte er fahl und grau. Als Imogen so in der Gegend herum stand, machten sich erste Zweifel in ihr breit. Sie war erst kurze Augenblicke bei ihrem Schützling gewesen, doch schon war die Schwere klar: zu Tracy durchdringen würde nicht leicht werden und sie würde Taten sprechen lassen müssen.
'So, hier hast du deine Uniform, passt dir hoffentlich, den Schlüssel für deinen Spinnt, dein Stundenplan und ein Gebäudeplan. Noch ein kleiner Tipp: Schließe am besten immer das Wichtigste ein. Hier gibt es nicht mal Garantie, dass Klassenkameraden dein Hab und Gut in Ruhe lassen.'
‚Und dann sollte ich meine Tasche im Klassenraum lassen?!'
'Geh hier rein und zieh dich um, danach kommst du wieder zurück in die Klasse, ja? Ich geh schon mal vor.'
'Ist gut.', murmelte Imogen und blickte ihren Kleiderhaufen vor sich an. Wenigstens endlich einen Rock! Hörig verschwand sie auf der Frauentoilette und zog sich um. Die Schuluniform bestand aus einem grünen Faltenrock, eine enge creme- bis gelbfarbene Bluse und lange Kniestrümpfe in der gleichen Farbe. Erinnerte sie ein bisschen an alte japanische Zeiten, aber süß fand sie es trotzdem. ‚Am besten pack ich meine anderen Sachen in meinen Spinnt. Nur wo ist der?', überlegte sie und zog den Plan heraus. Mit einem blauen Punkt machte sich ihr Ziel kenntlich. In Null Komma nichts hatte sie ihr Ziel erreicht, ihre Aufgabe erledigt und nahm wieder Platz neben ihrem neuen 'Freund' Fabian. Doch ihre Tasche war tatsächlich verschwunden. Durch ihre vierhundert Jahre Lebenserfahrung hatte sie wenigstens gelernt relativ ruhig zu bleiben und schüttelte lediglich innerlich ihren Kopf über die Kindsköpfe mit denen sie in einem Raum saß. Sie hatte sowieso nichts außer Schreibsachen in der Tasche gehabt, da sie so etwas wie Handy und Geldbeutel nicht mal besaß. Das war im Wolkenreich einfach nicht notwenig gewesen. Verständigen konnte man sich übers Amulett und Geld wurde nicht gebraucht, da jeder jedem geholfen hatte. So war sich niemand etwas schuldig und hätte Geld verlangt. Es war im Grunde genommen nutzloses Papier ohne Bedeutung. Und das war eigentlich auch gut so. Als sie so da saß, war sie überrascht, wie ruhig sie blieb. So machte es den Klassenkameraden sowieso keinen Spaß, vermutete sie hoffnungsvoll.

Als die Pausenglocken ertönten, stürmte die Klasse im Sturm raus und artete im lauten Getöse aus. Imogen lief gemäßigten Schrittes nach draußen und betrachtete das fröhliche Treiben der Mitschüler. Doch Tracy schien aus ihrem Blickfeld geraten zu sein. Sie musste sich langsam wirklich mit ihr befassen und versuchen wenigstens ein vernünftiges Gespräch aufzubauen. Planlos irrte sie auf dem großen Pausenhof umher. Schlecht war dieser keinesfalls ausgerüstet. Für die jüngeren gab es ein Klettergerüst mit Rutsche, Schaukel und Sand. Sitzbänke unter großen Bäumen für die hungrige Gesellschaft und ein Basketballfeld für die Sportfanatiker. Wirklich nicht schlecht, empfand Imogen und suchte weiter die Gegend ab, bis sie Tracy tatsächlich fand. Sie stand mit mehreren vermutlich Freunden in einem Kreis. Mehr konnte sie nicht erkennen. Imogen atmete einmal tief ein und versuchte so entschlossen wie möglich zu wirken, als sie sich der Gruppe näherte.
Doch umso kleiner der Abstand zwischen ihnen wurde, desto größer wurden ihre Zweifel. Was sich ihren Augen dort bot, war keinesfalls ein Anblick, den Engel bevorzugten. Tracy schubste ein Mädchen, machte sich über sie lustig und entriss ihr irgendeinen Zettel, den sie vor ihren jubelnden Zeugen oder auch Fans, zerriss. Das andere Mädchen kniete neben den Papierschnipseln und sammelte sie kleinlich auf. Wieder stieß Tracy sie kräftig, worauf die junge Schülerin sie flehend anblickte. Langsam konnte Imogen auch verstehen was sie sagten. Tracys dominante Stimme ragte deutlich hervor: 'Du kleines Stück Scheiße! Jetzt klotz nicht so! Hättest du mich nicht verpfiffen, hätte diese Woche nicht ganz so schlimm für dich ausgesehen!'
'Selbst Schuld!', stimmte Fabian zu und verschränkte nickend die Arme.
'Ihr Gymnasiasten kotzt mich an! Wenn du es morgen noch mal wagst, ohne die Aufgaben anzukommen, dann polier ich dir so richtig die Fresse!'
Imogen hatte genug gehört. Sie musste eingreifen, den inneren Konflikt besiegen. Aus einer kurzen Mutwelle heraus trat sie nach vorne und hob ihre Stimme: 'Lass sie ihn Ruhe, Tracy.', sprach sie so gefasst, wie möglich.
'Verpiss dich, Kleine!', wurde sie noch gereizter, ihre Hände ballten sich zu Schlagfreudigen Fäusten, als sie sich zu Imogen umdrehte.
'Meinst du dadurch lösen sich deine Probleme?'
Tracy schlug noch mehr in Rage ihre gespannten Hände aneinander. 'Du suchst echt ein blaues Auge, da bist du bei mir genau an der richtigen Stelle!'
Ein komisches Gefühl machte sich in Imogen breit, sie bereitete sich schon auf Schläge vor, wobei sie so nicht damit rechnen könnte, dass Tracy ihr eines Tages vertrauen würde. Nun war sie so aufgeputscht, dass wohl alles an ihr vorbei ging. Der Kreis um sie herum war gewachsen, genauso wie Imogens Zweifel. Wäre es besser gewesen, sich selbst so zu geben wie Tracy?
'Schon schweigt sie!', triumphierend hob Tracy die Hände, 'Große Klappe, nichts dahinter, was?'
Imogens Instinkt verriet ihr, dass sie nun zu schweigen hatte. Ihre Gebete schienen erhört. Tracy ließ von ihr ab. Das zeigte ihr jedoch, dass sie nie vor hatte, sie grün und blau zu schlagen. Die Menschenmasse verschwand, leere um sie herum entstand. Imogen hockte sich zu dem vorherigen Opfer Tracys.
'Alles O.K.?', fragte sie sanft.
'Ja, geht schon. Danke.'
'Was hat sie gegen dich?', sie reichte ihr die Hände und zog sie hoch.
'Ich habe sie mal verraten, als sie in einen Laden eingebrochen ist. Ich habe sie gesehen. Sie hat viel Geld mitgehen lassen. Wegen mir musste sie Sozialstunden leisten. Aber ich schwöre, das war die schönste Zeit meines Lebens, sie hatte mich schon vorher immer auf dem Kicker. Aber vor dir hat sie Angst.'
'Wie kommst du darauf?'
'Sie hat dich nicht mal geschubst. Du warst so mutig, dass sie Angst bekommen hat.',
erklärte sie, während sie sich den Staub von der Uniform klopfte.
'Ich bin Ramona, und wie heißt du?'
'Imogen.'
Ramona nickte verstanden und hob winkend eine Hand, 'ich muss jetzt zum Unterricht. Und danke noch mal! Mach's gut!'
'Gerne. Du auch.', Imogen sah ihr nach, bis sie verschwunden war.
Wie bestellt und nicht abgeholt stand sie nun da und wusste nicht, was sie tun sollte.
Irgendwie musste sie doch an Tracy rankommen. An ihr war so deutlich der Zorn und die Enttäuschung zu spüren. Oh, was musste dieses Mädchen wohl alles durchgemacht haben? Erneut verspürte Imogen Mitleid in ihrer Brust. Sie musste mehr über das Mädchen raus finden und zwar so schnell wie möglich!

Der restliche Schultag sauste so ziemlich an Imogen vorbei. Sie hatte Glück, dass sie nicht einfach dran genommen wurde, denn sie hatte die meiste Zeit keine Ahnung gehabt, wovon die Lehrer sprachen. Gut, so was wie Mathe konnte sie im Schlaf. Aber Deutsch, Biologie, Physik….völlig nutzlos. Sie hatte bisher auch überlebt, ohne zu wissen, dass Pflanzen Photosynthese betreiben.

Entschlossen trat Imogen aus dem Schulgebäude und sah sich um. War sie heute Morgen von links oder von rechts gekommen? O.K. sie hatte sich mal wieder durchgefragt, und war nun genauso hoffnungslos, wie am Morgen.
'Imey! Komm, steig ein!', rief ihr eine bekannte Jungenstimme zu. Martin stand in der Tür eines Busses und machte eine rufende Handbewegung. Ah, wieder was neues. Wozu ein Bus war, wusste sie ja. Eine praktische Erfindung, wenn man schon nicht fliegen darf. Sie lief auf das große Ungetüm zu und trat durch die Tür, um Martin zu folgen.
'Moment junge Dame! Wo wollen Sie denn hin?', der Busfahrer, ein kräftiger Mann, mit strenger Mine, hatte sie am Ellenbogen gepackt und starrte ihr ungeduldig in die Augen.'EH, Sudetenstraße!', hauchte Imogen irritiert. Der unfreundliche Mann tippte ein wenig auf seiner Gerätschaft herum.
'1,90, bitte.'
'Eins neunzig, was?', Imogen verstand nicht, wovon zum Teufel sprach er?
'War das zu schnell? E-I-N E-U-RO N-E-U-N-Z-I-G', stöhnte er gereizt.
'Schlechte Laune gehört hier wohl zum Alltag. Schrecklich, kein Wunder, dass die Menschen nicht glücklich zu sein scheinen.'
'Na, wird's bald? Oder soll ich dir jetzt erklären, was das ist?', drängte er weiter.
'I-ich habe so etwas nicht.', antwortete sie ehrlich.
'Aussteigen!', kam prompt zurück.
Ein klackendes Geräusch löste die Stimmung jedoch wieder. Martin hatte das Geld auf die Kasse gelegt und strahlte Imogen mit leuchtenden Augen an. Sie erwiderte sein Lächeln und lief ihm nach.
'Setz dich zu uns, wir sitzen ganz hinten.', er zeigte auf die letzte Reihe und sie erstarrte innerlich. Tracy saß dort mit hochgelegten Beinen. Eigentlich war das ihre Chance.
'DU?!', der Schock war ihr sofort anzusehen, als sie Imogen entdeckte.
'Ihr kennt euch?', fragte Martin überrascht.
'Sie wird sich nicht zu uns setzen!', befahl Tracy mit knirschenden Zähnen.
'Doch, sie ist neu hier. Sie heißt übrigens Imey.', erzählte Martin ruhig. Imogen jedoch zögerte ein wenig.
'Hock dich hin!', Martin klang so fröhlich. Sie war unglaublich froh, dass er da war. 'Sag mal, Tracy, wir könnten Imey doch morgen mit in den Skaterpark nehmen. Sie ist neu hier, das muss sie also gesehen haben, bevor sie lernen kann sich hier wohl zu fühlen.', kicherte er.'Du bist ja doch nicht nur Sonntags nett.', stellte Imogen erleichternd fest.
'Doch. Bei dir mach ich eben eine kleine Ausnahme. Welpenbonus könnte man sagen.
Schließlich bist du höchstens 1,60m.'
Sie lächelten sich erneut an.
Tracy passte es überhaupt nicht in den Gram, dass Imogen sich so gut mit Martin verstand. Martin war für gewöhnlich der Drahtzieher allen Übels, den ihre Clique so verzapfte. Doch jetzt redete er wie ein geschwollenes Weichei, ekelhaft! Genauso rümpfte sie auch die Nase.'Hier müssen wir raus.', verkündete Martin und drückte die Stopp-Taste.
Zu dritt waren sie wieder auf dem Bürgersteig und schlenderten die paar Meter bis zum Wohnhaus.
'Tracy, kannst du Mathe jetzt eigentlich?', fragte Martin plötzlich.
'Scheiß auf Mathe.', antwortete sie trocken.
'Hey, komm, versuch es wenigstens.'
'Wie kommst du mir denn vor?! Sonst gehen dir Klausuren auch am Arsch vorbei.'Martin schaute sie besorgt an: 'Bei dir geht es aber um etwas. Du musst auf Haupt, wenn du diese Arbeit schlechter als drei schreibst, das ist dir klar? Und du hast in Mathe seit drei Jahren nicht mehr besser als fünf geschrieben.'
'Eben, seit drei Jahren! Was lohnt es sich jetzt noch Zeit zum Lernen zu verschwenden, ich pack's eh nicht!', langsam wurde sie wieder lauter.
'Wenn dir jemand helfen könnte, schon.'
'Und wer sollte das tun? Der Osterhase vielleicht?', sie verdrehte ihre Augen und drückte den Knopf des Fahrstuhls.
'Ich könnte dir helfen.', warf Imogen in ihre Unterhaltung ein.
'Ja, wirklich?', Martin war hell auf begeistert und klatschte in die Hände.
'Klar, Mathe ist gar nicht schwer.', versicherte sie nickend.
'Verschon mich, da könnt ihr mich gleich den Fischen zum Fraß vorwerfen. Ich werde mich nicht mit DER in einen Raum setzen!', fauchte Tracy sofort.
'Dann ist das wirklich deine Schuld.', Martin zuckte mit den Schultern und stieg aus dem Fahrstuhl, da er im vierten Stock wohnte.
'Ich warte morgen auf euch beide, dann können wir zusammen zur Schule.', versicherte er, ohne eine negative Antwort zu erwarten. Beide Mädchen sahen zu, wie sich die elektronische Tür zuschob und die Sicht zu Martin schloss.
Schweigend standen sie nun nebeneinander und klotzten die Tür an. Als diese sich wieder öffnete brauste Tracy nach draußen, Klingelte Sturm und schlug die Wohnungstür hinter sich zu.
Geknickt betrat Imogen ihr neues zu Hause. Das Mädchen tat ihr so unendlich Leid, ihre Wut kam nicht aus dem nichts. Da war etwas, was sie belastete und sie wusste genau, dass sie raus finden musste was. Lag es wirklich nur an den Eltern oder an etwas anderem? Das würde sie jetzt herausfinden.

Sie vergewisserte sich, dass ihr Flur Blickdicht war und machte sich unsichtbar, danach schrumpfte sie zu einer Größe von zwanzig Zentimetern und flog durch das offene Fenster einmal ums Haus herum. Sie suchte die ganzen Glasscheiben ab, bis sie in Tracys Zimmer ein offenes Entdeckt hatte. Ein stickiger Mief schlug ihr brutal entgegen und ließ Imogen aufwürgen. Sie musste es jedoch vermeiden irgendwelche Geräusche zu machen. Allem Anschein befand sie sich nun im Wohnzimmer. Ein Mann lag auf der Couch und kippte sich gerade eine Flasche Bier den Hals herunter. Der Fernseher war eingeschaltet und dröhnte in voller Lautstärke. Dazu war die Wohnung völlig zugemüllt. Leere Flaschen, Chipstüten, dreckige Teller, alles lag einfach verstreut. Imogen konnte ihren Augen nicht trauen. Sollte es sich um eine Vatermorgana handeln? Nein, leider nicht.
'TRACY!', brüllte die Mutter plötzlich unerwartet aus der Küche. Diese hatte schon leicht gräuliches Haar, welches mit Lockenwickler geschmückt war, dazu trug sie ein Blumenverziertes Kleid.
Mit hängendem Kopf kam Tracy aus ihrem Zimmer geschlürft und sah ihre Mutter unmotiviert an: 'Was?'
'Was soll denn dieser Zettel, den ich auf dem Küchentisch gefunden habe?', die Frau schwenkte mit einem Blatt Papier vor der Nase ihrer Tochter herum.
'Eine Anmeldung für den Führerschein.', antwortete sie achselzuckend.
'Bist du verrückt geworden?! Wo soll denn das Geld herkommen?'
'Ich hab jetzt einen Job. Ich trage Zeitungen aus.', erklärte Tracy, wobei sie nichts als den verschmutzen Teppich anstarrte.
'So? Das Geld wirst du schön abdrücken. Ich glaub es geht los?!'
'Was?!', die Entrüstung war ihr ins Gesicht geschrieben, 'nichts werde ich! Meinst du ich will so enden wie ihr?! Besoffen rum liegen?! Niemals! Ihr werdet staunen, was ich erreichen werde.'
Eine Ohrfeige knallte in ihr Gesicht. Ihre Mutter hatte die Augen geweitet und fixierten das junge Mädchen starr. Der Vater brach plötzlich in schallendem Gelächter aus, er hatte ebenfalls zugehört und gab sich nun erst recht die Kante. Imogen hatte bereits Tränen in den Augen. Ein stechender Schmerz bohrte sich in Imogens Herz. Sie war sich noch nie so sicher gewesen: Sie musste all ihre Kraft opfern, um diesem Mädchen zu helfen.
'Jetzt lacht ihr noch! Ihr werdet es schon sehen!', fing Tracy erneut an.
'Du schaffst doch nicht mal das Schuljahr, du wirst wieder sitzen bleiben und auf die Hauptschule gehen. Du kannst doch gar nichts!', die Mutter zerriss den Zettel vor den Augen aller. Demonstrativ ließ sie das Papier auf den Teppich gleiten.
Tracy rannte ohne ein weiteres Wort aus der Tür. Imogen flog schnell hinterher. Tracy weinte. Die Tränen rannen über ihr Gesicht ohne aufzuhören. Auf einmal richtete sie ihren Blick wieder und sah die Tür zu Imogens Tür mit schiefem Blick an und machte einen Schritt darauf zu. Wollte sie etwa…? Im rasenden Tempo glitt Imogen wieder in Tracys Wohnung zurück, durchs Wohnzimmerfenster und in ihr eigenes. Gerade, als sie wieder normale Gestalt angenommen hatte, klingelte es.
Imogen zupfte ihre Klamotten zurecht, damit man ihr die Hektik nicht ansah, atmete tief ein und öffnete die Tür: 'Tracy-'
'Könntest du doch mit mir lernen?'







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