Schmetterlinge Im Bauch

Autor: fairlynn
veröffentlicht am: 05.07.2008




Ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf die Platte vor sich.

Aber es ergab keine Melodie sondern nur ein monotones Tocktocktock. Wo sie nur blieb? War sie am Ende schon wieder weg? Vielleicht war sie nur zu Besuch hier und nun abgereist. Vor fünf Tagen hatte er sie das erste Mal gesehen. Er kam mit Kevin, einem
Theologiestudenten, von einer Filmvorführung. Als sie die Grünanlagen durchquerten sah er sie. Sie war in Begleitung einer Frau, die er vom Sehen kannte. Die beiden Frauen unterhielten sich angeregt und nahmen ihn gar nicht wahr. Doch er nahm sie war. Ihre blitzenden Augen und das schelmische Lächeln. Er spürte sofort, dass es um ihn geschehen war. Seitdem hatte er sie jeden Tag aus der Ferne gesehen - in der Cafeteria, im Park. Ihm hatte bisher der Mut gefehlt, doch heute wollte er sich ein Herz nehmen, wollte sie ansprechen. Er wusste, er hatte Konkurrenz. Er hatte sehr wohl bemerkt, dass auch andere Männer ein Auge auf sie geworfen hatten und ganz unverhohlen ihre Nähe suchten. Das schien sie allerdings gar nicht zu bemerken, aber vielleicht tat sie auch nur so ...?

Da, endlich! Ein tiefer Seufzer entfuhr langsam seiner Brust. Kevin, der als einziger eingeweiht war, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Nein, wie sah sie heute wieder hübsch aus: Sie trug ein blaues Sommerkleid, welches wunderbar mit der Farbe ihrer Augen harmonierte.

Ihre Begleiterin hatte er noch nie zuvor gesehen. Auch sie wirkte wie eine erfrischende Sommerbrise. Ihr blondes Haar war kurz und strubbelig frisiert und gab ihr etwas Freches, Keckes. Das schien auch Kevin zu finden, der auf eine Frage nur unaufmerksam antwortete und ganz gefangen schien vom Anblick der beiden Schönheiten. Was tat er denn jetzt? Kevin steuerte schnurstracks den Tisch an, dem die beiden jungen Frauen offensichtlich auch zustrebten. Zur selben Zeit kamen die vier an. Man machte sich miteinander bekannt. Die Kecke hieß Julia und studierte Sozialpädagogik. Sie und Kevin schienen auf gleicher Wellenlänge zu schwimmen, denn sie vertieften sich sogleich in ein angeregtes Gespräch.

Er stellte sich als Jakob vor und bewunderte den ebenso ungewöhnlichen wie schönen Namen seiner Angebeteten: Rabea. Ein Name wie ein Atemhauch!

Als er ihr dies sagte, lächelte sie wieder dieses schelmische Lächeln und verzückt entdeckte er ein kleines Grübchen auf ihrer rechten Wange.

Der Name käme aus dem arabischen Sprachraum und bedeute Frühling, erklärte sie. Ihr Vater hatte den Namen ausgewählt, weil sie am 21.

März, dem kalendarischen Frühlingsbeginn, geboren war. Dann folgte eine leicht verlegene Pause, bis sie zur selben Zeit wieder zu sprechen anhoben. Lachend wollte jeder dem anderen den Vortritt lassen.

Schließlich gab Rabea nach und erzählte, dass sie vor kurzem ihren Arbeitsplatz gewechselt hätte, weil sie das ewige Pendeln leid war, außerdem wurde es Zeit sich vom Elternhaus abzunabeln. Es sei viel praktischer nahe dem Arbeitsplatz zu wohnen, sie könne jetzt morgens länger schlafen. Jakob nickte, das konnte er nur bestätigen. Er erinnerte sich noch gut an die Zeit, als auch er mit dem Bus zur Arbeit fuhr.Nachdem Kevin die gewünschten Getränke besorgt hatte unterhielt man sich jetzt zu viert. Es gab viel zu Lachen und der Nachmittag verflog wie im Fluge. Jakob und warf immer wieder verstohlene Blicke in Rabeas Richtung, welche verträumt am Strohhalm sog. Schließlich brachen die Frauen auf, so dass sich auch die beiden Männer auf den Heimweg machten.

***

Jakob warf in regelmäßigen Abständen ungeduldige Blicke zu der großen Uhr an der gegenüberliegenden Wand. Aus irgendeinem Grund schien die Zeit heute langsamer zu vergehen. Dabei war er doch so aufgeregt, Er konnte sich nicht so recht auf die Arbeit konzentrieren, so dass ihm bereits Fehler unterlaufen waren, was ihm einen Tadel seines Vorarbeiters einbrachte. Paul, sein Kollege zur Rechten, grinste anzüglich. Jakob schnitt ihm eine Grimasse, ging jedoch auf die anzüglichen Sprüche, die dann folgten, nicht ein, sondern arbeitete stoisch weiter. Dann endlich: Das Feierabendläuten. Jetzt aber nichts wie raus hier. Noch eben schnell die Hände waschen und dann, ja dann...

Er tastete mit der Hand nach dem kleinen Päckchen in der Hosentasche.

Darin befand sich ein wunderschöner Freundschaftsring. Für Rabea von Jakob in ewiger Liebe, war darin eingraviert. Billi, der neue Zivi hatte ihn beim Kauf beraten, aber bezahlt hatte er ganz allein. Seit vier Monaten hatte er darauf gespart und heute sollte Rabea den Ring erhalten. Kevin war zurück an der Uni, so dass er Jakob keinen Mut zusprechen konnte. Du machst das schon, hatte er gestern am Telefon zu Jakob gesagt, wer verliebt ist, dem wachsen bekanntlich Flügel.

***

Hatte Jakob sie etwa versetzt? Rabea sah auf die Uhr, die über der breiten Werkstatttür hing. Aber nein, sie selbst war viel zu früh. Und außerdem befand sich Jakobs Arbeitsplatz am anderen Ende des Geländes.

Irgendetwas hatte er im Sinn. Er tat bereits seit ein paar Tagen recht geheimnisvoll. Nun, da konnte sie mithalten, auch sie hatte eine Überraschung - falls Jakob wollte! Sie hatte heute Vormittag erfahren, dass ein Doppelappartement frei wurde, weil die jetzigen Bewohner in das eigens umgebaute Haus der Eltern des Mannes zogen. Wenn sie schnellstmöglich den ausgefüllten Bewerbungsbogen abgaben, hätten sie gute Chancen, die Wohnung zu bekommen. Aber ob Jakob das auch so sehr wünschte wie sie selbst? Während Rabea ihren Gedanken nachhing kam Jakob um die Ecke gefahren. Sein Gesicht strahlte. Er fuhr auf Rabea zu und hielt direkt vor ihr, so dass er ihr beim Überreichen des Schmuckstücks direkt in die Augen sehen konnte. Laut las er ihr die Inschrift vor, dabei streichelte er liebevoll Rabeas verkrampfte Hand. Die Finger entspannten sich und er streifte ihr den Ring über. In ihrem Bauch flatterten tausend Schmetterlinge.

***

Viele Leute im Park, denen sie begegneten, drehten sich verwundert nach ihnen um und sahen ihnen lange nach, wie sie Seite an Seite in den Sonnenuntergang fuhren - ein glückliches Lächeln im Gesicht. Stolz bediente Rabea den Steuerknüppel mit der silber beringten Hand und die letzten Sonnenstrahlen wurden golden reflektiert.









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