Snow on the Sahara - Unter den Flügeln des Ra

Autor: Kati
veröffentlicht am: 23.05.2008




*Um achtzehn Uhr landete unser Flugzeug in Kairo. Von dort aus startete unser kleiner Reisebus in Richtung Wüste. Abu, unser Reiseführer ist sehr nett und wir kommen alle gut mit ihm aus. Er hat uns viel erklärt und ist auch sehr geduldig mit mir. Selbst, wenn ich wirklich nur sehr dumme Fragen stelle, nimmt er sich die Zeit, um sie mir zu beantworten. Ich freue mich schon wahnsinnig auf unseren Trip und kann den morgigen Tag kaum noch abwarten. Steve, Sue und Niklas schlafen bereits und auch ich werde jetzt noch ein wenig die Augen schließen.
12. Mai 2006*
Lynn schlug ihr Tagebuch zu und blickte aus dem Fenster des kleinen Reisebusses. Sie hatte vor kurzem ihr Studium als Ägyptologin und Archäologin beendet und nun freute sie sich auf ihre bevorstehende, erste große Studie. Sie wollte zusammen mit ihren Studienkollegen von Pyramide zu Pyramide reisen, um dort alles live und in Farbe entdecken und erforschen zu können. Mit zittrigen Händen faltete Lynn eine Art Pergament auf, auf dem in schmieriger Schrift ein kurzer Text verfasst war. Er war in arabisch geschrieben und Abu war so nett und hatte ihn übersetzt.
Ihre Augen flogen über den Text und ein Lächeln huschte durch ihr Gesicht. Mit einer Gruppe von Nomaden auf Kamelen und Pferden durch die Wüste. Welch ein Abenteuer.
*Sehr geehrte Miss Hutton,
ich erkläre mich dazu bereit, Sie und ihre Begleiter in meiner Gruppe auf zu nehmen und zu den Pyramiden zu führen. Ich erwarte sie alle um neun Uhr ägyptischer Zeit vor den Stadttoren Kairos. Hochachtungsvoll Neferhotep, li-cher-nofret Sechem-Rê-Sa-anch-taui*
Lynn schüttelte ihre blonden Haare und schmunzelte über diesen furchtbar langen Namen. Und überhaupt, was war das wohl für ein Mann, der sich nach einem ägyptischen König der dreizehnten Dynastie benannte? Sicher war er unglaublich eingebildet und hochnäsig. Sie hatte schon einen Tag vor der Abreise begonnen, seinen Namen sprechen zu lernen, damit er nicht gleich bei der Begrüßung ausrasten würde. Man weiß ja nie. Nach etlichen Knoten in der Zunge und einigen Lachkrämpfen hatte Lynn es auch geschafft und so hoffte sie, dass er ihr das wenigstens anerkennen würde. Sie schloss ihre Augen und träumte etwas vor sich hin. Nach einer halben Stunde hielt der Bus vor einem kleinen Hotel und alle wurden langsam wieder wach. Nachdem sie ihr Gepäck in ihre Zimmer geschleppt hatten, fielen sie in ihre Betten und schliefen weiter. Das Auspacken hätte sich eh nicht gelohnt und so würden sie am nächsten Morgen einfach das, was sie bräuchten direkt aus den Taschen holen. Die Nacht war leider sehr schnell um und so begaben sich alle gegen sieben Uhr morgens zum Frühstück.
„Lynn! Sitz doch bitte still! Da wird einem ja ganz übel, wenn du immer so wild auf dem Stuhl herum rutschst.“
„Mensch Sue, ich bin eben aufgeregt. Lass mich doch.“
„Aufgeregt, wie ein kleines Mädchen, dass gleich einen Lolli bekommt.“ stimmte Steve mit ein und fing schallend an zu lachen. Eine Eigenart, die er hatte, nämlich, über seine eigenen, meist nicht komischen Witze zu lachen. Aber die anderen hatten sich daran gewöhnt und so kehrte auch bald wieder Ruhe ein.
„Habt ihr diesen Neferhotep schon mal gesehen?“ fragte Lynn und kaute auf ihrem Brötchen herum.Alles schüttelte den Kopf.
„Ich sah ihn schon!“ rief Abu von dem kalten Buffet aus und kam langsam zu dem Tisch geschlendert.„Wie ist er so?“ fragte Lynn ihn interessiert.
„Nun, er ist nicht sehr kontaktfreudig und um ehrlich zu sein, wundert es mich auch, dass er es uns allen gestattet mit seiner Gruppe mit zu ziehen.“
„Ist er so ein komischer Kauz?“
„Nun ja, Kauz würde ich ihn nicht nennen...“
„Vor allem nicht, wenn er vor dir steht!“ fügte Steve hinzu und lachte sich mal wieder schlapp.Lynn verdrehte kurz die Augen und trank ihren Orangensaft aus. Schließlich machten sich dann alle wieder auf den Weg zu dem kleinen Reisebus, der sie vor die Stadttore von Kairo bringen würde. Es war noch früh am Morgen, doch die Sonne ließ die Temperaturen bereits ins unermessliche steigen. Lynn wischte sich den Schweiß von der Stirn und sog die ägyptische Atmosphäre um sich herum ein. Die Straßen Kairo´s waren noch relativ ruhig, was wohl daran lag, dass die Menschen wegen der großen Hitze tagsüber ruhten und erst am Abend aktiv wurden. Schon bald stiegen alle wieder aus und blickten sich um. Am vereinbarten Treffpunkt war nichts weiter außer Sand, Sand und nochmals Sand. Von Kamelen, Pferden oder gar menschlichem Leben war keine Spur. Lynn kniff ihre Augen zusammen und drückte sich die Hand als Schattenspender auf die Stirn, um in die Ferne zu blicken. Der Wind wehte ein paar Sandkörner auf und ließ sie sanft umher toben.
„Wo sind sie denn?“ unterbrach Sue die Stille, die aufgekommen war.
„Vielleicht verspäten sie sich etwas.“ entgegnete Abu ihr.
Geduldig warteten sie und nach einer halben Stunde ließ Lynn sich enttäuscht auf ihrem Gepäck nieder. Hatte dieser Neferhotep sie vielleicht vergessen?
„Wir sollten die Zeit nutzen und ich erkläre einfach mal, was es so zu beachten gibt.“ Abu hob seinen Zeigefinger in die Luft und vergewisserte sich, dass man ihm auch zu hörte.
„Also, Neferhotep ist der Anführer des Nomadenstammes und ihm gilt höchster Respekt. Er ist bis zur Unkenntlichkeit verschleiert und so sollte es auch möglichst bleiben.“
„Ist er so hässlich?“ widersprach Lynn und alles begann zu lachen.
„Nein, das gehört zu seiner Religion. Er zeigt nur denen sein Gesicht, die er liebt oder die er töten wird. Damit ist also nicht zu scherzen. Sollte es einmal vorkommen, dass er unverhüllt ist, dann hütet euch davor, ihn an zu sehen! Das ist wirklich wichtig! Dieses Verhalten kann euer Leben retten.“Alles nickte Abu zu und Lynn kritzelte alles in ihr Logbuch, dass sie anlässlich der Reise angelegt hatte.Plötzlich ertönte ein greller Schrei, gefolgt von unzähligen weiteren, die die Ruhe vor den Toren Kairo´s unsanft unterbrach. Hinter einer großen Düne wirbelte der Sand durch die Luft und die Hitze ließ die Luft flimmern.
„Das sind sie!“ rief Abu und sprang von seinem Reisegepäck auf. Alle anderen erhoben sich nun auch und blickten in die Richtung, aus der sie die Schreie vernommen hatten.
Am Gipfel der Düne tauchten schließlich ein paar Reiter auf und preschten auf ihren Pferden den Hügel hinab. Die Hufe der Pferde versanken in dem losen Sand und wirbelten ihn wild auf. An einem langen Seil folgte ihnen eine kleine Schar Kamele. Kurz darauf stoppten die Reiter vor der Reisetruppe und alles stieg ab.
Lynn warf einen kritischen Blick auf ihre Uhr, die ihr unverblühmt kurz nach zehn an zeigte.„Du kannst denen mal sagen, dass sie zu spät sind.“ stichelte Lynn Abu an und verschränkte die Arme.
„Lieber nicht!“ entgegnete der und versank in einer tiefen Verbeugung. Prüfend blickte der Mann, der über und über mit schwarzen Tüchern umhüllt und verdeckt war, in die Gesichter der Gruppe und nickte schließlich, als auch alle anderen sich vor ihm verbeugten.
'Eingebildeter Spinner. Was glaubt der, wer er ist?' ging es Lynn durch den Kopf, doch auch sie hatte sich verbeugt und erhob sich nun langsam wieder.
Ohne Zweifel musste dieser Typ Neferhotep sein. Ganz sicher war er das.
Besagter drehte sich schließlich zu Abu und winkte ihn zu sich heran. Leise sprach er ihn an und stieg wieder auf das Pferd.
Abu drehte sich zu seiner Gruppe und begann zu grinsen.
„Seid ihr schon mal auf einem Kamel geritten?“
Den anderen war klar, was das zu bedeuten hatte und so machten sie sich daran die Tiere mit ihrem Gepäck zu beladen. Die beiden anderen Reiter, die Neferhotep begleiteten, halfen dabei und stiegen schließlich wieder auf ihre Pferde.
„Wie soll ich denn da hoch kommen?“ Lynn stapfte mit ihrem Fuß in den Sand und überlegte. Das Kamel hatte weder Steigeisen, noch sonst etwas, an dem man sich hätte hoch ziehen können. Belustigt blickte Neferhotep zu ihr und stieg wieder von seinem Pferd. Mit seiner Gerte strich er dem Kamel über die Vorderbeine, woraufhin es gehorsam zu Boden sank.
„Danke!“ entfuhr es Lynn und im selben Moment schoss ihr durch den Kopf, dass er sie ja gar nicht versteht. Sie stieg auf den Rücken des Tieres und krallte sich fest, als es sich wieder aufrichtete. Nachdem auch alle anderen auf ihren Kamelen saßen, zog die Karawane langsam los. Wieder die große Düne hinauf, an deren Gipfel sich der Sand verwirbelte.
Eigentlich hatte Lynn allen Grund, sauer auf diesen Neferhotep zu sein. Wozu hatte sie schließlich seinen ewig langen Namen geübt, wenn er sich gar nicht mit ihr unterhielt? Und überhaupt. Hatte dieser Typ noch nie etwas von Freundlichkeit gehört? Man grüßt doch, wenn man wen sieht. Aber naja, sie hatte eh besseres zu tun und wenn dieser Mann sie nicht grüßte oder mit ihr sprechen wollte, dann hatte er eben Pech gehabt. Am Gipfel der großen Düne angekommen, eröffnete sich die weite, unendlich groß wirkende Wüste, die sie durchqueren würden. Lynn´s Herz hüpfte auf vor Freude, doch das Geschaukel des Kamels war unerträglich und so galt es erstmal die aufkommende Übelkeit in den Griff zu bekommen. Sehr nervig war auch dieser olle Strohhut, den sie auf dem Kopf trug, um sich vor einem Sonnenstich zu schützen. Leider staute sich darunter die Hitze bis ins unermessliche und so nahm sie ihn ab und an vom Kopf und wedelte sich damit etwas kühlende Luft ins Gesicht.
Nach einer Weile erhob Neferhotep seine Hand und zeigte auf eine Gruppe von Reitern, die etwas abschüssig im Tal zwischen zwei Dünen Rast machten. Wieder tuschelte er etwas vor sich hin.Abu drehte sich zu Lynn und ihrer Gefolgschaft und verkündete freudig, dass sie die Karawane erreicht hätten.
„Dort unten, seht ihr? Das sind sie!“
„Wo denn?“
Lynn beugte sich nach vorne und legte sich mit der Hand an der Stirn einen Schatten ins Gesicht. Schließlich entdeckte sie die restliche Karawane und klatschte freudig in die Hände.
Plötzlich begann das Kamel zu steigen und legte einen flotten Trab an den Start. Verschreckt quiekte Lynn auf und klammerte sich an die Zügel des Tieres.
„Guckt nicht so blöd! Helft mir lieber!“ kreischte sie plötzlich, als das Kamel sich auf den Weg machte, die Düne hinunter zu stürmen. Mit einem lauten Schrei folgte ihr auf einmal Neferhotep auf seinem schwarzen Pferd. Irgendwie hatte er etwas animalisches an sich. Die schwarzen Schleier wehten wild hinter ihm her und Lynn stockte der Atem, als sie für den Bruchteil einer Sekunde in seine tief braunen Augen blickte, die einerseits lieblich, fast wie gemalt wirkten, sie aber andererseits so kühl und berechnend anblickten.
Mit einem lauten Knall klatschte seine Gerte auf das Maul des Kamels, wonach es sofort stoppte und wild schnaubte.
Wutentbrannt schimpfte er auf das Tier ein und ritt dann unbehelligt weiter, ohne auch nur zu fragen, ob es Lynn gut ging.
Die pustete sich sauer ihre Haare aus dem Gesicht und blies die Backen auf.
„Eingebildeter... Mieser, kleiner....“
Der Rest ging in leisem Geblubber unter und das war auch besser so, denn die anderen konnten sich vor Lachen eh kaum noch im Sattel halten. Sue reichte ihr ihren Sonnenhut und blickte sie belustigt an.
„Hier Süße, den hast du verloren.“
„Danke...“ murmelte Lynn vor sich hin und setzte den Hut auf ihren Kopf. Gleich brüllten wieder alle los, als sich aus diesem Strohungetüm die halbe Sahara auf ihren Kopf ergoss.
„Boah! Findet ihr das witzig oder was?!“
„Allerdings!“ brüllte Sue plötzlich los und kippte vor Lachen fast aus dem Sattel des Kamels.Langsam reichte es wirklich. Lynn stiegen Tränen der Wut in die Augen und eingeschnappt verschränkte sie ihre Arme. Es war schon schlimm genug, dass sie ohnehin in jedes Fettnäpfchen trat, da musste man ihr nicht noch solche Streiche spielen, zumal dieser Streich wirklich sehr kindisch war. Wie alt waren ihre Studienkollegen gleich nochmal? Waren die nicht schon alle Ende zwanzig, so wie sie? Scheinbar nicht.
Erleichtert atmete Lynn auf, als sie die Raststätte von Neferhotep´s Karawane erreichten. Mit noch immer recht flauem Magen stürzte Lynn von ihrem eigenwilligen Kamel und landete mit einem dumpfen Knall im heißen Sand. Prima. Sicher hatte sie schon bei allen einen recht guten Eindruck hinterlassen. Die vertrottele Planschkuh aus Europa. Beim nächsten Sturz schlägt sie dann Bodenwellen.
Ja, ja. Schlank war sie nun mal nicht. Egal, wie viele Diäten sie probierte, irgendwann hatte sie mindestens das wieder auf den Rippen, was sie sich so mühsam herunter gehungert hatte. Wenn nicht noch mehr. Mittlerweile hatte sie sich damit abgefunden und versuchte schon gar nicht mehr ab zu nehmen. Wenn sie dünner wurde war es gut und wenn nicht, dann eben nicht. Fünfundsiebzig Kilo bei einem Meter sechzig war natürlich zu viel und gesund war es bestimmt auch nicht, aber was soll´s? Sie hatte ein hübsches Gesicht, blaue Augen und lange Wimpern. Außerdem musste sie ihre Beine nicht rasieren! Ein großer Vorteil, gerade in der Wüste, wo Wasser nun eher Mangelware war.Etwas missmutig hievte Lynn ihr Gepäck von ihrem störrischen Kamel und ließ es unsanft auf den Boden fallen. Erschöpft blickte sie sich um. Um sie herum herrschte reges Treiben. Die Frauen liefen voll verschleiert herum und zerrten die Kinder hinter sich her, die laut lachten und Lynn mit ihren großen, dunklen Kulleraugen betrachteten. Die Männer hatten aus einer Art Leinenstoff Zelte gebaut, sodass der Rastplatz wie ein kleines Dorf wirkte.
„Wo ist unser Zelt, Abu?“ fragte Sue schließlich, die sich nichts ahnend an der Stirn kratzte.
„Ich werde Neferhotep sofort fragen!“
Eilig machte Abu sich auf den Weg zu dem großen Zelt, welches schon am Eingang mit Gold behangen und geschmückt war. Ein untrügerisches Zeichen dafür, dass hier eine Persönlichkeit wohnte.
Am Eingang des Zeltes waren zwei Wachposten justiert, bei denen Abu höflichst um Einlass bat. Schließlich verschwand er hinter einem großen, schwarzen Schleier.
„Neferhotep! Großer, allwissender...“
„Du kleiner, schmieriger Schleimer! Es ist mir ein Rätsel, wie du es immer wieder schaffst, deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Selbst Treibsand vermag dich nicht auf zu halten.“
„Aber mein König...“
„Du wagst es über mich zu spotten?! Glaubst du denn, dass ich nicht ahne, wie du über mich denkst?! Dich interessiert es doch nicht, wer ich bin. Selbst mit meiner gezogenen Klinge würdest du noch versuchen mich zu bestehlen, du Wurm!“
„Tragt Ihr mir dieses Missgeschick etwa immer noch nach, mein König?“
„Tzz...“
Neferhotep drehte sich ein wenig von Abu weg und nahm einen Zug aus seiner Wasserpfeife. Leise gluckste das Wasser darin auf und der Duft von edlem Tabak erfüllte das riesige Zelt. Eine Frau trat schließlich ein und stellte ein goldenes Tablett mit Datteln auf einen kleinen Beistelltisch. Zaghaft verneigte sie sich und eilte wieder heraus. Mit glänzenden Augen schielte Abu auf die süßen Früchte.„Willst du welche?“ fragte Neferhotep schließlich.
„Sicher!“ antwortete Abu flott und packte zu. Im selben Moment klatschte es laut und er zog seine Hand zurück.
„Warum schlagt Ihr nach mir?“
„Du hast erst dann etwas von meinem Obst zu essen, wenn ich es dir erlaube! Eher würde ich die Datteln an die Kamele verfüttern.“
„Aber mein König...“
„Schleimer! Was willst du überhaupt hier? Schätze wirst du hier nicht finden du kleiner Dieb!“„Nun, vielmehr wollte ich Euch fragen, wo die Herrschaften aus Europa schlafen sollen.“„Was für eine Frage. In ihrem Zelt natürlich!“
„Nun, mein König...“ Abu schielte wieder auf die Datteln und wartete einen günstigen Zeitpunkt ab, um sich eine Hand voll in die Hosentasche zu stopfen. „Ich glaube, dass die Herrschaften kein Zelt mit sich führen.“
„Was?!“
Neferhotep brüllte so laut auf, dass die Stoffbahnen seines Zeltes beinahe abhoben.
„Ich ließ ausdrücklich darauf hinweisen, dass sie ein Zelt brauchen! Mein Volk braucht niemanden, den sie noch durchfüttern müssen!“
„Ich weiß, ich weiß, mein König. Aber wie Ihr sicher gesehen habt, sind die Europäer etwas dümmlich. Ich meine, also, Ihr wisst was ich meine.“
„Sprichst du von dem blonden Weib?“
„Nicht nur sie, mein König! Alle sind ein bisschen... naja...“
Abu hob die Hand und zeigte dem König den Scheibenwischer. Der wiederum zog eine Augenbraue hoch und blickte ihn missbilligend an.
„Gut, dann sollen Nadim und Gamal eben ein Zelt für die Fremden aufbauen.“
„Gut, ich werde es ihnen sagen.“
„Du wirst dich unterstehen meinem Volk einen Befehl zu erteilen. Auch nicht in meinem Namen. Numair! Numair!“
Leise schob sich der schwarze Schleier am Eingang des Zeltes bei Seite und ein groß gewachsener, kräftiger Mann trat ein.
„Mein König!“
„Numair! Nadim und Gamal sollen sich daran machen, ein Zelt für die Fremden zu erreichten. Oder besser zwei, denn die Frauen schlafen sicher nicht mit bei den Männern.“
„Sehr wohl...“
„Aber mein König!“ unterbrach Abu die beiden unhöflich. „In Europa...“
„Schweig du niederer Wurm! Raus mit dir!“
Abu machte verschreckt Kehrt und schlich an Numair vorbei.
„Ach und Abu?“
„Ja mein König?“
„Lass die Datteln hier, du Ratte! Numair, sei ihm doch beim Entleeren der Taschen behilflich.“„Sehr wohl, mein König.“
„Was meint ihr? Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir doch unsere Zelte mitgebracht hätten. Ich meine, jetzt müssen die sicher was aufbauen oder schlimmer. WIR müssen was aufbauen.“Lynn wedelte sich angestrengt etwas kühlende Luft zu und wischte sich den Schweiß von der Stirn.„Abu sagte doch, dass es ausreicht, wenn wir ein paar Decken mit bringen.“
Sue schüttelte beruhigend ihre Hände und und kontrollierte in ihrem kleinen Handspiegel, ob ihr Make-up verlaufen war. Überhaupt. Jedes mal wenn Sue ihre Handtasche öffnete, holte sie irgendwelche Schminkutensilien heraus. In der Wüste! Lynn beobachtete sie, wie sie ihre Haare striegelte, als wäre sie ein Pferd. Wie konnte man nur so eitel sein? Schlimm genug, dass sie ihre Haare immer so schrecklich kunstvoll hoch steckte, sie kleisterte ihr Gesicht auch noch mit Tonnen von Make-up zu. Man konnte vermuten, dass Sue Abends mit dem Trennschleifer die oberen Schichten der Schminke ablöste. Die unteren Schichten hatten sich sicher schon in die Haut gefressen. Einfach schrecklich.
Lynn schüttelte den Kopf und wedelte munter weiter mit ihrem Strohhut vor dem Gesicht herum, als Gamal und Nadim schließlich begannen, zwei Zelte auf zu schlagen.
„Abu!“ rief Steve, der die ganze Reise über recht schweigsam war. Das lag wohl daran, dass er damit beschäftigt war, sich nicht erbrechen zu müssen. Das Geschaukel auf den Kamelen war fü+r ihn wirklich unerträglich. „Da bist du ja! Und? Was hat Nefi gesagt?“
„Allah sei ihm gnädig! Steve! So darfst du ihn nicht nennen!“
„Was denn? Er versteht es doch eh nicht.“
„Man weiß es nie! Die Dünen haben hier Ohren!“
„Die Dünen?“
„Allerdings. Nun, Neferhotep lässt zwei Zelte errichten, in denen könnt ihr nächtigen.“„Wie nett von ihm!“
Lynn verdrehte die Augen und beobachtete Gamal und Nadim, wie sie die Zelte errichteten. Sie waren sehr geschickt und nach nur zehn Minuten standen zwei Zelte, in denen es recht geräumig und vor allem kühl war. Die beiden Frauen warfen ihr Gepäck hinein und ließen sich im Schatten der Stoffbahnen nieder.
Die Männer taten es ihnen gleich, warfen ihr Gepäck in das Zelt und ruhten sich ein wenig aus. Wie sollte das nur werden, wenn die Reise erst richtig los ging?
Kaum hatten Lynn und Sue die Augen geschlossen, stand schon jemand am Eingang ihres Zeltes. Eine Frau schob den Schleier bei Seite und blickte die beiden fragend an.
„König Neferhotep bittet um Einlass.“
Erstaunt blickten Lynn und Sue sich an. Die Frau sprach ja Englisch!
„Er soll nur rein kommen.“ antwortete Sue schließlich.
Die verhüllte Frau nickte leicht und schob die Schleier bei Seite, damit Neferhotep eintreten konnte. Fragend blickte er Sue und Lynn an.
„Er bittet darum sich setzen zu dürfen.“ entgegnete ihnen die Frau.
„Bitte...“ Lynn zeigte auf eines der unzähligen Sitzkissen und so nahmen die beiden Platz.
„Mein Name ist Shadan. Ich bin die sechste Frau des Königs Neferhotep. Er spricht nicht mit Fremden, deshalb bin ich hier. Ich hoffe, es bereitet Ihnen nicht zu große Umstände.“
„Nein, nein. Um es einfacher zu machen, sollten wir uns alle beim Vornamen nennen. Mein Name ist Lynn und das ist Sue.
„Lünn? Zue?“ wiederholte Shadan etwas verdattert.
„Nein, nein. Lynn, mein Name ist Lynn. Und das ist Sue.“
„Lynn, Sue. Richtig?“
„Ja genau!“
„Gut, also Fräulein Lynn, Fräulein Sue. König Neferhotep heißt Sie willkommen in seinem Nomadenstamm. Die Frauen haben das Recht und die Ehre gleich der Frauen des Harems zu hausen und zu reisen. Morgen treten wir die Reise zur ersten Pyramide an. Sie reisen mit mir und den anderen sieben Frauen. Ihre männliche Begleitung wird zusammen mit Gamal und Nadim reisen. Dass sind die beiden Männer gewesen, die Ihnen das Zelt errichten haben.“
„Ach so ist das!“
Lynn´s Augen begannen zu funkeln. Sie ahnte ja nicht, was es hieß, so zu reisen, wie die Frauen des königlichen Harems.









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