Eyes like yours Teil 17

Autor: Fullmoon
veröffentlicht am: 18.07.2007




Es war erstaunlich wie normal Lilianes Leben wieder verlief. Sie ging wie gewohnt zur Arbeit und traf sich wie gewohnt samstags mit ihren Freundinnen und Freunden.
Sie konnte wieder lachen und lächeln. Sie hatte wieder gute Laune und sprühte nahezu vor Enthusiasmus.
Aber nur tagsüber, wenn alles in Ordnung war.
Tagsüber war alles Fassade. Tagsüber war sie eine unechte Persönlichkeit. Kein Mensch.Nachts konnte sie fast nie einschlafen und musste Schlaftabletten nehmen.
Nachts, wenn sie wieder an Ian erinnert wurde, den sie sonst verdrängt hatte. Nachts, wenn ihr wieder bewusst wurde, dass sie ihn liebte.
Ihre Wohnung, die nur grelle, fröhliche Farben hatte, kam ihr vor wie eine Gefängniszelle, die ihr viel zu hell war.
Es war der 16. Juni, einen Monat später.
Liliane fuhr gerade von der Arbeit nach Hause und hielt kurz beim Chinesen. Sie hatte keine Lust auf ein aufwändiges Abendessen und das anschließende Abwaschen. Sie war doch sowieso allein.
Allein. Diesem Wort begegnete sie in den letzten Wochen andauernd.
Langsam sollte sie doch wirklich über Ian hinweg sein. Sie hatte ihren zwei besten Freundinnen von ihm erzählt, aber seitdem hatte sie nicht mehr geweint. Es war, als hätte ihr Körper schon genug getrauert, aber ihre Seele fand sich nicht so einfach damit ab.
Sie betrat das Restaurant und bestellte ein paar Sachen von der Speisekarte und eine Cola, um sich die Wartezeit etwas zu verkürzen.
Jane und Matt waren gerade in Paris und hatten ihr eine Postkarte vom Eiffelturm geschickt.Ihr Aufenthalt dort würde noch eine Woche dauern und dann würden sie wieder zurück nach New York fliegen.
Der Kellner servierte die Cola und einem zusätzlichen Reisschnaps, der auf das Haus ging.Sie war oft hier und auch mit der Chefin befreundet, doch heute schien sie nicht da zu sein.Angeekelt sah sie auf den Schnaps, trank ihn jedoch mit einem Schluck herunter und spülte mit Cola nach, um den Nachgeschmack zu entfernen.
Sie schüttelte sich.
Die Ladentür ging auf und ein Paar kam herein. Der Kellner führte sie an einen Fensterplatz und reichte ihnen die Speisekarten.
Dann bimmelte es von irgendwo her und der Kellner eilte zurück. Lilianes Bestellung war fertig. Sie freute sich immer auf die Krabbenchips, die es zusätzlich dazugab, plus einen Glückskeks.
Sie bezahlte und wandte sich zum Gehen.
Doch plötzlich durchzuckte sie scharfer Schmerz und sie keuchte auf. Etwas in ihrem Innern wurde von einem unsichtbarem Messer durchbohrt.
Sie hielt sich die Hand vor den Bauch und sank zu Boden. Was war das?
Der Kellner und das Paar eilten ihr zu Hilfe und stützten sie.
Immer noch benommen von dem Schmerz, versuchte sie scharf zu sehen, doch alles war verschwommen.
Sie blinzelte ein paar Mal und langsam ging der Schmerz weg und alles wurde wieder schärfer.
Sie bedankte sich bei ihren Helfern und stürzte hinaus in die frische Luft. Sie rang nach Luft und stützte sich an ihrem Auto ab. War das der Reisschnaps? Oder hatte sie Kreislaufstörungen? Ihr war schon die ganze Woche so übel.
Vielleicht wurde sie ja krank.
Liliane öffnete die Autotür und stieg ein. Komisch war das schon, aber sie würde gleich morgen früh in die Apotheke gehen und sich ein Mittel dagegen holen. Oder besser noch, zum Arzt. Mit zitternden Händen drehte sie den Autoschlüssel um.
Als sie auf der Kreuzung wegen einer Ampel hielt, dachte sie wieder unwillkürlich an Ian.Und wie gerne sie jetzt bei ihm wäre...

Ians Bürotür ging auf und Lance betrat den Raum. Es war gerade Mittagspause.
'Hast du schon Fortschritte, wegen dem Jenkins-Fall?' fragte er und ließ sich erschöpft auf den Sessel fallen.
Ian blickte von seinen Unterlagen auf. 'Nein. Was willst du hier?'
'Nichts.'
'Dann kannst du auch wieder gehen. Ich muss arbeiten.'
Lance warf seinem Freund einen besorgten Blick zu, schwieg jedoch noch.
Ian sah überhaupt nicht gut aus. Er hatte tiefe Augenringe und war immer todmüde.
Doch Ian war sein momentanes Aussehen egal, er musste diesen Fall gewinnen, koste was es wolle.
Cassandra hatte sich nur gegen ihren Ex-Freund gewehrt und das würde er dem Richter und den Geschworenen schon noch beweisen. Der erste Gerichtstermin war in einer Woche und das hieß natürlich viel Stress. Cassandra wohnte zurzeit in einer teuren Suite eines Nobelhotels. Als er sie vor einem Monat abgeholt hatte, war er nicht besonders freundlich zu ihr gewesen. Lil ging ihm damals und immer noch durch den Kopf. Er konnte sie einfach nicht vergessen und dachte nach, ob er nicht doch die falsche Entscheidung getroffen hatte.Wenn ja, dann war er der größte Trottel überhaupt. Verdammt, er vermisste sie so.Er vermisste ihre grünen Augen, ihr süßes Lächeln und ihr Lachen. Er wollte sie wieder spüren und sie festhalten. Cassandra war sowieso ein wenig traumatisiert und hatte jederzeit eine Psychologin in ihrer Suite, die sie betreute. Sie hatte einen Wahnsinnskörper von dem er sich sofort angezogen gefühlt hatte, doch er wagte keine Annäherungsversuche. Erstens, war sie psychisch ziemlich schwer angeschlagen und zweitens, war Lil noch in seinem Kopf.'Ian, du solltest nicht so viel arbeiten.' sagte Lance schließlich. 'Du bist total kaputt, Mann.''Es geht mir gut.'
'Dir geht es überhaupt nicht gut. Guck doch mal in den Spiegel.'
Ian warf Lance einen ärgerlichen Blick zu. 'Lass mich in Ruhe.'
'Seit vier Wochen machst du andauernd Überstunden. Was ist passiert?'
'Nichts ist passiert!' knurrte Ian.
'Du bist gestern auf dem Schreibtisch eingeschlafen.'
'Schnüffelst du mir etwa nach?'
'Nicht direkt...' Lance rutschte etwas verlegen auf dem Sessel herum. 'Ich war noch hier mit... äh... Tory.'
'Hast ihr wohl das Hirn aus dem Kopf gevögelt, was?'
'Das tut nichts zur Sache. Tatsache ist, dass ich dich hier gefunden habe.'
'Und? Ich hab geschlafen, super, habe ich jetzt etwa eine tödliche Krankheit?'
'Du hast im Schlaf geredet.' fuhr Lance fort.
Ian wurde unruhig. 'Ach, wirklich?'
'Du hast immer ‚Lil' vor dich her gemurmelt.'
Ian wich Lances Blick aus und sagte nichts.
'Los, sag. Was ist zwischen euch passiert?'
'Sie ist weg.' sagte Ian leise. 'Ich hab gesagt, dass sie zurück nach Deutschland fliegen soll.''Bereust du es etwa?'
'Das ist es ja! Ich weiß es nicht.'
'Wenn du schon anfängst dir darüber so viele Gedanken zu machen, dann bereust du es.''Aber es ist doch besser für sie gewesen! Ich meine, sie hat ihr Leben und ich habe meins! Sie wollte für immer hier bleiben, Lance! Hast du schon mal so was dummes gehört? Und alles nur wegen mir! Das ist doch bescheuert! Sie wollte ihr ganzes vorheriges Leben wegwerfen für einen Mistkerl wie mich!'
Lance musterte seinen Freund nachdenklich. 'Und was willst du jetzt machen?'
Seufzend blickte Ian wieder auf seine Unterlagen. 'Keine Ahnung.'
'Und wegen ihr hast du so viele Überstunden gemacht?'
'Ich konnte nicht schlafen, Lance.'
'Du hattest sie also wirklich gern. Oder liebst du sie sogar?'
'Nein!' sagte Ian laut. 'Ich liebe sie ganz bestimmt nicht.'
Lance zog eine Augenbraue in die Höhe. 'Wenn du meinst.'
Sie schwiegen für einen Augenblick, bis Ian das Gespräch fortfuhr.
'Sag mal... hast du schon mal eine Frau richtig geliebt?' fragte er und wurde zu Lances' Überraschung leicht rot.
Dieser lehnte sich zurück und sah gedankenverloren aus dem Fenster. 'Das mit der Liebe ist so eine Sache.' antwortete er. 'Ich bin auch nicht mehr der jüngste im Gegensatz zu dir. Ich habe meine Frau geliebt. Aber es hat trotzdem nicht geklappt. Die Liebe kommt und geht wann sie will. So war es jedenfalls bei ihr.'
'Liebst du sie immer noch?'
'Sagen wir mal so, Ian... Ich wäre nicht abgeneigt, wenn sie wieder zu mir zurück kommen würde.'
'Woher weiß man eigentlich, wenn man jemanden liebt?'
'Du stellst heute ziemlich komische Fragen, mein Freund.' sagte Lance. 'Du weißt es einfach. Man kann so etwas nicht genau beschreiben oder so. Es ist als würde irgendwo in deinem Kopf ein Licht aufgehen und du sagst so was wie ‚Oh!', wenn du es endlich merkst.'Nachdenklich spielte Ian mit seinem Kugelschreiber herum. Er hatte keinen blassen Schimmer, was gerade in ihm vorging. So ganz genau wollte er es, ehrlich gesagt, auch gar nicht wissen.
'Mach heute nicht so lange, okay? Ich hole dich um sechs ab und dann gehen wir zusammen was trinken.'
Mit diesen Worten erhob sich Lance und verschwand aus seinem Büro.
Ja, er hatte Recht. Er könnte wirklich mal ein wenig Abwechslung vertragen. Er musste einen Weg finden, Liliane zu vergessen. Er hatte sogar Angst vor dem Schlafengehen, weil er wieder Albträume bekam. Diese Albträume, die ihm immer wieder weismachten, was für ein Arschloch er doch war. Und dieser warmherzige Blick, mit dem sie ihn immer ansah, machte alles nur noch schlimmer.
Er hatte sich in die Arbeit gestürzt und wie besessen an dem Jenkins-Fall gesessen.
Sein Vater rief ihn ab und zu an und lud ihn zu sich und seiner Mutter nach Ohio ein, aber er lehnte jedes Mal ab. Er liebte seine Eltern, doch sein Vater würde nur über die Arbeit sprechen und seine Mutter würde ihn wieder behandeln wie ein Muttersöhnchen und das war das letzte was er wollte.
Er wollte Liliane endlich vergessen. Für jemanden wie ihn war das Vergessen doch einfach.Doch je mehr er sie vergessen wollte, desto mehr erinnerte er sich an jedes einzelne Detail von ihr. Er wusste sogar noch, dass sie unterhalb von ihrem Bauchnabel ein kleines Muttermal hatte!
‚Ich werde noch verrückt.', dachte er.
Er sah auf das Blatt und erschrak, als er anstatt den Buchstaben und Zahlen, Lilianes Gesicht sah. Erschrocken schob er seinen Sessel vom Schreibtisch weg und drehte ihn in Richtung Fenster.
Der Himmel war strahlend blau und passte überhaupt nicht zu den sturmartigen Gefühlen in seinem Innern.
Verdammt, Liliane, bitte lass mich endlich in Ruhe.

Zwei Tage nach dem leichten Zusammenbruch in dem chinesischen Restaurant, ging es Liliane, den Umständen entsprechend, wieder besser.
Sie war mit ihren Freundinnen in Frankfurt shoppen und diese gaben sich besonders viel Mühe sie von dem ‚taktlosen Hurensohn' abzulenken.
Eleonore, von allen aber nur Nora genannt, hatte sich zu ihrer linken eingehakt und Michelle zu ihrer rechten.
'Oh Gott, Liliane, schau mal, der Typ da vor H&M! Sieht der nicht toll aus?' rief Nora und warf dem schwarzhaarigen Mann schmachtenden Blicke zu.
'Wo, wo, wo?' fragte Michelle und sah sich hektisch um.
'Links.'
'Links?'
'Links.'
'Oh! Links! Himmel, was für ein Körper!' seufzte Michelle und ließ ihren Blick an dem braungebrannten Körper heruntergleiten. 'Zum Anbeißen, nicht wahr, Liliane?'
'Äh... ja.' Sie zog ihre beiden Freundinnen etwas weiter weg. 'Könnt ihr nicht etwas unauffälliger gaffen? Ihr seid so was von peinlich. Kommt, ich hab Hunger auf ein Eis.'Lily traktierte Michelle und Nora in eine Eisdiele und sie setzten sich an einem freien Tisch stehen, den Nora ausgesucht hatte, was hieß, dass der Tisch neben ihnen voll mit jungen Männern war, was Liliane überraschte, denn sonst war Nora nicht so kontaktfreudig.Ein erfrischend kühler Wind trat auf und zerzauste ihnen die Haare.
'Gahh! Diese Scheißhaare!' regte sich Nora auf und deutete auf ihre dunkelbraunen Locken. 'Seid froh, dass ihr nicht so was auf dem Kopf habt wie ich.'
Michelles blauen Augen funkelten vergnügt und sie strich behutsam durch ihre lange Mähne. 'Ich mag deine Locken. Meine Haare sind immer so schwer zu kämmen. Ich hab das Gefühl, ich krieg bald ne Glatze.'
Beide warfen einen neidischen Blick auf Lilianes Haare, die eine Mischung von ihren Haaren waren. Lang und nur leichte Locken.
Abwehrend hob Lily ihre Hände. 'Ich kann auch nichts für meine Haare. Bringt mich bitte nicht dafür um.'
Nora, die immer einen leichten Hang zum Verrückten hatte, durchbohrte sie mit ihren eindringlichen braunen Augen und sagte mit Grabesstimme: 'Buuuh, wir holen dich gleich!'Der Kellner kam und nahm ihre Bestellung auf. Michelle starrte ihm hinterher.'Der ist auch nicht schlecht.' meinte sie.
'Ich dachte, wir wollten shoppen gehen und nicht Ausschau nach Männern halten.' sagte Liliane.
'Gucken darf man doch, oder?'
'Ja, natürlich, aber ich dachte du bist mit Stefan zusammen!'
Liliane musste feststellen, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. Michelle sah auf ihre Schuhe und Nora fing an, an ihren Fingernägeln rumzukauen.
'Wir sind nicht mehr zusammen.' sagte Michelle schließlich.
'Aber... aber... warum nicht? Ihr wart doch glücklich, oder nicht?' fragte Liliane und drückte ihrer Freundin sanft die Hand.
'Der Mistkerl hat sie betrogen.' mischte sich jetzt Nora ein und zog ihren Daumen aus dem Mund und betrachtete ihn. 'Bäh, ich sollte wirklich damit aufhören.'
'Wann hast du es denn rausgefunden?' bohrte Liliane weiter.
'Kurz nachdem du nach Amiland geflogen bist. Ich hab sofort Schluss gemacht.'
'Und weißt du, was er gesagt, dieses Schwein?' Nora tat als würde sie jemanden erwürgen. 'Boah, wie ich ihn hasse. Er hat gesagt, sie hätte zu viel zugenommen! ZUGENOMMEN! Ist das zu fassen? Wie kann er nur so was sagen? Wenn er jetzt irgendwo hier wäre...' Sie sah sich um. 'Dann würde ich ohne zu zögern meinen Revolver zücken und ihn erschießen!'Liliane bekam Mitleid. Ihre Freundin hatte Kurven an den richtigen Stellen, während sie aussah wie ein Stock. Außerdem war Michelle richtig hübsch und sie konnte nicht fassen, dass Stefan so etwas gesagt hatte.
'Warum hast du mir das nicht früher gesagt?'
'Du warst doch so traurig, wegen du-weißt-schon-wem.'
Irgendwie hatten es sich Nora und Michelle zur Angewohnheit gemacht, Ian nicht bei Namen zu nennen.
'Aber das ist doch egal. Mir geht es wieder besser.'
'Na ja, aber ich wollte dir nicht noch mit meinem Problem die Ohren voll heulen, wo du doch selbst welche hast.' Michelle zuckte mit den Schultern. 'Egal, das ist jetzt fast zwei Monate her. Wir sind selbstständige und moderne Frauen. Wir lernen daraus und das nächste Mal schnappen wir uns halt einen besseren Typen.'
Nora nickte zustimmend. 'Genau.'
Der sexy Kellner kam zu ihnen an dem Tisch und servierte ihnen die Eisbecher.Liliane hatte sich einen Exotik-Becher bestellt und fing an, die Honigmelone aufzuessen.Gestern hatte sie etwas ziemlich merkwürdig gemacht. Sie hatte einen Heißhunger auf Schokolade gehabt, aber das eigenartige war, dass sie den Drang verspürt hatte, sie mit Ketchup zu essen. Als sie merkte was sie da tat, hatte sie zunächst gelacht und sich anschließend erbrochen.
'Ist was, Süße?' fragte Nora und tauchte ihren Löffel in ihren Eisbecher.
'Äh... nein. Alles in Ordnung. Was soll sein?'
Liliane lächelte.
Sie tratschten noch eine Weile und Lily erfuhr die neuesten Gerüchte, nämlich dass Irene, ein wirklich komisches Weib, mit einem Stripper zusammen war.
'Irene? Und Stripper?' wiederholte Liliane und verschluckte sich an ihrem Eis. 'Wie hat sie das denn gemacht? Ich finde ein Collegeprofessor, mindestens zwanzig Jahre älter, würde besser zu ihr passen.'
Sie prusteten los.
Trotz dem Spaß, den Liliane mit ihren Freundinnen hatte, konnte sie nicht den Schmerz vergessen, den sie im Restaurant verspürt hatte. Am Abend, als Nora und Michelle weg waren, fuhr sie mit ihrem gelben VW Beatle zur Apotheke, um sich ein Mittel dagegen zu holen.
Sie ging die Reihen entlang und las die verschiedenen Medikamente. Allein von den Namen bekam sie schon Kopfschmerzen. Sie griff nach einer Packung Schlaftabletten.
Als sie an dem Kondomregal vorbeiging, beeilte sie sich ein wenig.
Irgendwie war es ihr immer noch peinlich Kondome zu kaufen, obwohl sie eigentlich nie welche gebraucht hatte. Als Teenager hatte sie mal zum Spaß eine Packung mit Geschmack gekauft und sie anschließend mit Michelle und Nora aufgeblasen, bis sie geplatzt waren.Früher fand sie das noch ziemlich witzig, aber heute konnte sie gar nicht mehr darüber lachen.Liliane blieb an einem Regal stehen und starrte auf die Produkte.
Schwangerschaftstests.
Sie schüttelte innerlich den Kopf. Unmöglich. Sie war nicht schwanger.
Warum beschlich sie dann so ein komisches Gefühl? Ihre Regel war schon einen Monat überfällig, aber sie hatte kurz nach ihrer Ankunft deswegen ihre Frauenärztin aufgesucht und ihr davon erzählt. Diese meinte, dass es wegen dem Stress sein könnte und der Veränderung des Umfelds. Trauer könnte auch zum Ausfall einer Regel verleiten. Sie hatte ihr aber geraten in einer Woche wiederzukommen, was Liliane aber nicht gemacht hatte, weil sie sich so schlecht fühlte. Und seitdem hatte sie es immer wieder verschoben.
Mit zitternden Händen griff sie nach einem Schwangerschaftstest.
Das war nur, damit sie sich sicher war, nicht schwanger zu sein. Anschließend würde sie bestimmt über ihren Verdacht lachen.
Sie ging zur Kasse und bezahlte.
Als sie die Wohnungstür aufschloss und sich gleich ins Bad verzog, wurde das unruhige Gefühl in ihr immer stärker.
Sie riss die Packung auf und las sich gründlich die Anleitung durch.
Nach einer Weile atmete sie tief durch. Sie hatte noch nicht geguckt, welche Farbe der Streifen hatte.
‚Also gut, Liliane.' ermutigte sie sich. ‚Dreh das Ding jetzt um und guck drauf.'Sie drehte es um.

Jane hielt sich am Treppengeländer fest und schnaufte. Matt tat es ihr gleich.
'Muss sie unbedingt im vierten Stock wohnen?' stöhnte er und half seiner Frau die letzten Stufen hoch. 'Und ausgerechnet heute ist der Aufzug defekt!'
'Wir haben doch immer so ein Glück, das weißt du doch, Schatz.' keuchte Jane und lehnte sich erst einmal gegen die kalte Wand.
'Was ist, wenn sie gar nicht da ist?'
'Sie ist da, glaub mir.'
Es war Janes Idee gewesen Liliane einen Überraschungsbesuch abzustatten und Matt hatte eingewilligt. Er wollte sowieso sehen, wie es ihr gerade ging und wie sie die Sache mit Ian verarbeitet hatte. Sie waren von Paris nach Frankfurt geflogen und hatten sich einen Wagen gemietet.
'Ich bin ziemlich gespannt, was sie für ein Gesicht machen wird.' sagte Jane voller Vorfreude und rieb sich die Hände.
Sie ging zu Lilys Wohnungstür und wollte gerade klingeln, als sie den Schlüssel noch im Schloss baumeln sah. Verwirrt drehte sie ihn um und die Tür öffnete sich leise.
'Was ist?' flüsterte Matt.
'Sie hat... ihren Schlüssel stecken lassen.' antwortete Jane und hatte ein ungutes Gefühl. 'Sie vergisst n i e den Schlüssel wieder rauszuziehen!'
In Lilianes Wohnung war es dunkel. Alle Vorhänge waren zugezogen und es war kein Licht an.
'Lily?' rief Jane. 'Bist du da?'
Von irgendwo her war ein Schluchzen zu hören. Matt ging, wohl aus Instinkt, schnurstracks ins Badezimmer und fand Liliane weinend vor dem Badewannenrand liegen.
'Liliane!' Er kniete sich zu ihr hin und strich ihr die nassen Haare aus dem Gesicht. 'Was ist los? Was ist passiert?'
Jane betrat gerade den Raum und erschrak ein wenig, als sie Liliane sah. Sie war leichenblass. Auch sie kniete sich hin und umarmte ihre Schwester. Beruhigend streichelte sie ihr Rückgrat und tröstete sie.
Liliane konnte nichts sagen, sie konnte einfach nur schluchzen und weinen und wimmern.Da entdeckte Matt den Inhalt der Badewanne.
Sie war voller Schwangerschaftstest.
Und alle zeigten das gleiche Ergebnis. Er hob einen auf und zeigte ihn Jane, die fast so blass wurde wie Liliane.
'Oh mein Gott.' flüsterte sie und blickte auf Liliane herab. 'Matt, hilf mir sie ins Bett zu bringen.'
Matt trug Liliane ins Schlafzimmer und legte sie behutsam auf das Bett.
Er sah sie voller Sorge an. Jane brachte ihr ein Glas Wasser und setzte sich auf den Bettrand.'I-ich... i-ich, dachte...' fing Liliane an zu sprechen, doch Jane unterbrach sie.'Du musst jetzt viel schlafen.'
'J-Jane, M-Matt...! B-bin ich... wirklich... sch-schwanger?' schluchzte sie und als beide mit ernstem Gesicht nickten, schluchzte sie noch lauter. 'D-dann... ist es... Ians Kind... e-es ist sein Kind...!'
'Beruhige dich erst mal.' sagte Matt und deckte sie zu. 'Wir bleiben hier und passen auf dich auf.'
Liliane wollte nie wie ein Kind behandelt werden und sie brauchte auch keinen Babysitter.Aber jetzt war sie darüber froh. Sie fügte sich und schloss die Augen. Im nächsten Moment war sie auch schon eingeschlafen.
Es war der 20. Juni.







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