Mondfinsternis Teil 15

Autor: Jiyu no Kotoba
veröffentlicht am: 27.02.2009




Kapitel 15 - Schutzengel

'Ein? Vampir?' Ungl?ubig starrte ich abwechselnd Yoshio und Darren an. 'H?rt mal? ihr verarscht mich doch.'
Darren sah betreten zu Boden und sein Vater sch?ttelte kaum merklich den Kopf.
'I-ich steh zwar auf Vampirromane? oder Filme? aber mal ganz im Ernst? ihr denkt doch nicht echt, dass ich euch das glaube?!'
Ich hatte das Gef?hl, als ob mein Herz durch meine Rippen zu brechen versuchte. Ein Vampir. Ein Vampir. Eine verzweifelte Stimme in mir schrie: ?Ich hab's gewusst! Und er wird mich holen! Er wird mich umbringen!'. Doch ich erstickte diese Stimme. Meine Vernunft suchte sie zu ?bert?nen. Ich wollte das nicht glauben. Es gab keine Vampire. Niemals.
'Elo?' Darrens zaghafte Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
'Ich? Ihr spinnt doch!' Ruckartig stand ich auf. 'Ich geh heim!'
'Warte bitte.' Es klang fast ein wenig flehend, doch ich griff mit zitternder Hand nach der Klinke, und verlie? den Raum. Wie in Trance schloss ich auch die Haust?r hinter mir, ?ffnete mein Fahrradschloss, schwang mich auf und radelte los. Ich war v?llig durch den Wind.Warum glaubte ich ihnen eigentlich nicht? Das war doch genau das, was ich mir selber schon so oft ?berlegt hatte. Aber es konnte ?berhaupt nicht stimmen! Es war einfach nicht m?glich! F?r den Vorfall im Wald musste es eine andere Erkl?rung geben. Eine realistische. Der Kerl dort war einfach ein Psychopath gewesen. Ein kranker Freak. Mehr nicht.

V?llige Dunkelheit. Jeder Schritt nach vorne, ein Strampeln auf der Stelle. Jeder Schritt zur?ck, l?sst mich fallen. M?hsam ?ffne ich die Augen. Gr?n. Es ist so gr?n. Ein Wald? Es wird klarer. Ein Wald. Ich bekomme G?nsehaut. Es ist kalt. Rote Augen. ?berall. Ich schreie.Sie beobachten mich. Jemand tritt aus dem Schatten der B?ume. Tritt auf mich zu. Jemand mit langen Z?hnen. Ich schreie.
Ich springe auf. Renne so schnell ich kann. Aber ich komme kaum vorw?rts. Langsam. Langsam kommt er auf mich zu. Ich weine. Klebrig warm laufen die Tr?nen ?ber mein Gesicht. Tropfen auf meine Kleidung. Ich wische sie ab und meine H?nde sind rot. Blutrot. Ich schreie.
Vor mir auf der Lichtung liegt ein M?dchen. Sie liegt in einem See aus Blut. Ihrem Blut. Ich lecke mir ?ber die Lippen Es schmeckt gut.
Leer. Ich bin in der Schwebe. Nichts. Hier gibt es nichts. Alles ist leer und schwarz. Bin ich tot? Pl?tzlich zwei Gesichter. Sie starren mich vorwurfsvoll an. Der eine - er hat lange schwarze Dreats und ein asiatisches Gesicht, das mir bekannt vorkommt - ?ffnet seinen Mund.
'Wir haben dich gewarnt. Das hast du nun davon.'
Ich schreie.

Schwer atmend setzte ich mich auf. Bilder eines vergangenen Traumes zuckten durch meinen Kopf. Ein Wald, ein Mann, Blut, Gesichter. Ich versuchte die Bilder zu verdr?ngen und wieder zu Atem zu kommen. Als sich mein Herz wieder etwas beruhigt hatte, rollte ich mich zusammen und schlief irgendwann wieder ein.

Das ganze Wochenende und den gesamten Montagvormittag lie? mich der Gedanke nicht los, dass Yoshio die Wahrheit gesagt hatte. Ich gr?belte und gr?belte, zermarterte mir den Kopf, doch ich kam zu keinem Entschluss. Was sollte ich machen?
Als ich die Aula betrat, waren schon fast alle da. Ich suchte den Raum mit den Augen nach Darren ab. Irgendwann entdeckte ich ihn. Er sah m?de aus. Ich wollte mit ihm reden, doch ich traute mich nicht.
In der Theatergruppe wurde heute noch nicht geprobt. Wir besprachen erst einmal, welches St?ck wir spielen wollten. Beim letzten Mal, wo ich ja krank im Bett gelegen hatte, hatte man sich auf M?rchen geeinigt. Jetzt war nur noch die Frage, welche wir spielen wollten.Ich h?rte nur mit halbem Ohr zu. Zu sehr besch?ftigten mich meine eigenen Gedanken und das Chaos meiner Gef?hle.
Darren verlie? den Raum, bevor ich ?berhaupt realisiert hatte, dass die Besprechung beendet war.
Traurig verlie? ich das Geb?ude. Ich war ratlos, wusste ?berhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich vermisste seine Stimme, sein Lachen. Seine N?he. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass ich das wohl noch l?nger missen w?rde, wenn ich nicht etwas unternahm. Doch noch immer weigerte sich meine Vernunft, zu glauben, was sie mir erz?hlt hatten.

Niedergeschlagen betrat ich die K?che. Der Tisch war ungedeckt, da meine Mutter noch weg war und mein Vater eh noch zu tun hatte.
Ich setzte ich hin, legte meine H?nde auf die Tischplatte und lie? meinen Kopf darauf sinken. Meine Gedanken drehten sich im Kreis und langsam stiegen mir Tr?nen in die Augen.
Nach einiger Zeit h?rte ich, wie jemand das Zimmer betrat. Dem Schritt nach zu urteilen, war es meine Mutter. Ein Stuhl schabte ?ber den Boden, dann setzte sie sich neben mich.'Elli? Ist irgendetwas?' Vorsichtig legte sie ihre Hand auf meine Schulter.
'Ich?' Mit Tr?nen verhangenem Blick sah ich sie an.
'Schatz, was ist denn los?' Sanft strich sie mir durchs Haar, so, wie sie es fr?her immer getan hatte, als ich noch ein kleines Kind war.
'Ach, Mama.' Schluchzend lehnte ich mich gegen sie. Und sie hielt mich im Arm. Es tat gut, wieder festgehalten zu werden, wie ein Kind. Mit dem ?lterwerden verliert man schnell aus dem Blick, dass man doch mit seinen Sorgen immer schon zu seiner Mutter kommen konnte und sie einen tr?stet. Man verliert aus den Augen, warum einem seine Mutter eigentlich so viel bedeutet.
'M?chtest du dar?ber reden?'
'Ich?' Ich stoppte. Was sollt ich denn sagen? Der Kerl, in den ich verliebt bin, behauptet, dass mich ein Vampir verfolgt? Wohl eher nicht. 'Wenn? wenn jemand, der dir?', ich stockte kurz, 'der dir sehr viel bedeutet. Der dir schon oft geholfen hat, dem du eigentlich total vertraust? wenn dir so jemand etwas sagen w?rde, dass?etwas ist, dass unm?glich ist, etwas, von dem man eigentlich wei?, dass es das nicht gibt, etwas, an das doch heutzutage niemand mehr glaubt? Was w?rdest du dann tun?' Hilfe suchend schaute ich zu ihr auf.Einen Moment lang schwieg sie nachdenklich. Dann begann sie zu sprechen. 'Ich w?rde es nicht sofort f?r bare M?nze nehmen, aber auch nicht als Unwahrheit abstempeln. Denn warum sollte so jemand, wie du ihn beschrieben hast, warum sollte er mich anl?gen? Ich denke, ich w?rde versuchen, herauszufinden, ob das, was er sagt, stimmt. Aber,' sie schaute mir mit einem leicht entr?ckten Blick in die Augen, 'wenn ich eines in meinem Leben gelernt habe, Elli, dann, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als die Menschen wahr haben wollen.'
Verwundert sah ich sie an. 'Wie meinst du das?' Solche Worte passten irgendwie nicht zu ihr.
'Nun, dass du noch am Leben bist, ist eigentlich der beste Beweis daf?r' l?chelte sie.'Wie?? Wie meinst du das?' konnte ich nur verdutzt wiederholen.
Vertr?umt schaute sie mich an. 'Nun? Wei?t du, ich habe fr?her nie an ?bernat?rliche Dinge oder Schicksal geglaubt. Bis ein Schutzengel meiner kleinen Tochter Leben und Gesundheit rettete. Und das mehr als einmal.'
Gebannt lauschte ich ihr. An so etwas konnte ich mich gar nicht erinnern.
'Ich glaube fast, du hast mehr als nur einen Engel an deiner Seite. Der erste, an den ich mich erinnern kann, war ein kleines M?dchen. Du hast auf dem Spielplatz gespielt, als sie pl?tzlich vor dir stand. Du warst, glaube ich, dreieinhalb Jahre. Sie hat dir, ohne ein Wort zu sagen, deine Puppe weggenommen und ist damit weggegangen. Du bist nat?rlich weinend hinterher gelaufen.
Kannst du dir meinen Schreck vorstellen, als das Bein von einem der Ger?ste, aus noch immer ungekl?rten Gr?nden, durchbrach, und es dahin st?rzte, wo du Sekunden zuvor noch friedlich gespielt hast? Du hattest davon gar nichts mitbekommen, viel zu eingenommen warst du von dem Diebstahl deiner Puppe. Als du freudestrahlend zur?ckkamst, weil du deine Lisa wieder hattest, warst du ganz ?berrascht, weshalb das Ger?st da lag. Das kleine M?dchen war ?brigens verschwunden.' Sie dachte einen Augenblick nach, bevor sie fortfuhr: 'Oder einmal, vielleicht erinnerst du dich noch daran, du warst immerhin schon sechs, da waren wir im Italienurlaub. Unsere Ferienwohnung lag ganz dicht am Meer.
An einem Tag bist du schon vorgelaufen. Wir konnten dich zwar sehen, aber viel mehr auch nicht. Du wollest gerade ?ber die Stra?e laufen, als ein Hund, es war ein ziemlich gro?er Stra?enhund, der einem echt Angst einjagen konnte, auf jeden Fall ist dieser Hund pl?tzlich auf dich zugesprungen und hat sich in deinem T-Shirt verbissen. Vor Schreck, und wohl auch Angst, hast du aufgeschrieen. Dein Vater und ich sind zu dir gerannt. Aber bevor wir uns dir irgendwie gen?hert hatten, raste ein Auto um die Kurve. Bei seiner Geschwindigkeit h?tte es unm?glich noch rechtzeitig bremsen k?nnen, wenn du tats?chlich die Stra?e ?berquert h?ttest.Als das Auto vorbei war, hat dich der Hund sofort wieder losgelassen und ist weggelaufen. Du hast als Kind nat?rlich viel schneller geschaltet, als wir Erwachsenen und hast ihm ?Danke' hinterher gerufen.'
Ich nickte. Ja, die Situation kam mir bekannt vor. Ganz schleierhaft konnte ich mich noch daran erinnern.
'Und an eine Sache erinnerst du dich sicherlich noch. Wei?t du noch, an meinem letzten Geburtstag? Du hast den Bus verpasst und bist dadurch zu sp?t gekommen.'
'Ja! Meinst du, als mich dieser eine Kerl umgerannt hat, und mir der Bus deswegen vor der Nase weggefahren ist?'
'Ja, genau das meine ich.'
Irritiert sah ich sie an. 'Aber? Inwiefern soll ich dadurch denn Gl?ck gehabt haben?' Ich grinste ein wenig. 'Wenn ich mich recht erinnere, hat mir Papa danach ordentlich die Leviten gelesen. Darauf h?tte ich auch gerne verzichtet.'
'Am n?chsten Tag war ein Bericht in der Zeitung. Der Bus, den du eigentlich nehmen wolltest, hatte einen schweren Unfall. Dabei sind drei Insassen gestorben und die meisten anderen schwer verletzt worden.'
'Oh?' Ich bekam eine G?nsehaut.
'Verstehst du, was ich dir sagen will?' Sie strich mir wieder durchs Haar.
'Ja! Danke, Ma!' Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange und hastete aus dem Haus. 'Bis sp?ter!'
Mit Vollgas radelte ich los. Ich war so ein Dummkopf! Warum sollte es keine Vampire geben? Wenn ich nicht mal meinen eigenen Augen oder dem Mann, den ich liebte, glauben konnte, wem dann?
Meine Gedanken rasten. Sie sprangen immer wieder von Darren zu meiner Mutter und zur?ck. Damals an der Bushaltestelle hatte mich der Bus gerettet. Im Wald war es Sven gewesen.
Und dann war da noch Darren. Er hatte mich davor bewahrt, durchzudrehen. Ich hatte das Gef?hl, als h?tte er meine Seele gerettet. Auch dank der Gef?hle, die ich mittlerweile f?r ihn hegte.
Ich musste ihn sehen. Musste mich entschuldigen. Musste bei ihm sein.
Atemlos klingelte ich bei den Surodois. Yukiko ?ffnete mir und sah mir verwundert in das erhitzte Gesicht.
'Ist Darren da?'
'Eh, nein. Der arbeitet. Und danach will er zu einem Freund. Darren kommt erst morgen nach der Schule wieder nach Hause.'







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