Mondfinsternis Teil 11

Autor: Jiyu no Kotoba
veröffentlicht am: 30.09.2008




Kapitel 11 - Prinz und Bestie

Missmutig trat ich in die Pedale. Der Regen floss mir in Str?men ?ber den K?rper und sorgte daf?r, dass kein einziger trockener Fleck an mir zur?ck blieb.
Ich musste vorsichtig fahren, da meine Fahrradlampe kaum durch Dunkelheit und Regen drang. Und je langsamer ich fuhr, umso schw?cher wurde das Licht. Ein elender Teufelskreis. Und warum das alles? Weil ich so doof gewesen war, am T?mpel einzuschlafen. Aufgeweckt hatten mich erst die schweren Tropfen, die mir ins Gesicht klatschten. Und, als w?re das nicht schon genug, war das einzige, was ich gesehen hatte, als ich die Augen aufschlug, ein pechschwarzer Himmel.
Ich machte mir ein bisschen Sorgen um meine Schulsachen, die hinten in meinem Korb lagen. Ich hoffte, dass nicht allzu viel kaputt ging.
Irritiert hob ich den Kopf. War da nicht ein Ger?usch gewesen? Au?er dem alles einh?llenden Regengeprassel? Da war es wieder. Ein leises Dr?hnen, das n?her zu kommen schien. Im n?chsten Moment wurde ich von hinten mit Licht ?berflutet.
Erschrocken fuhr ich herum und blickte direkt in ein paar helle Scheinwerfer. Langsam rollte das Auto neben mich und der Fahrer ?ffnete, ungeachtet des starken Regens, das Fenster.'Hey M?dchen, soll ich dich vielleicht nach Hause fahren? Hier drau?en holst du dir ja den Tod'
Er hatte eine angenehm tiefe, leicht brummige Stimme. Mir fiel ein leichter Akzent auf. Wahrscheinlich Engl?nder. Ich sah kurz zu ihm r?ber, bevor ich wieder auf den Weg achten musste. Da er die Innenbeleuchtung an hatte, konnte ich ihn ganz gut erkennen. Er hatte kurze, braunblonde Haare und graue Augen. Um seine muskul?se Brust spannte sich ein schwarzes T-Shirt und er trug eine verwaschene Jeans. Er musste wohl so um die siebenundzwanzig sein. Trotz seines sympathischen Aussehens lief es mir kalt den R?cken runter.
'Nein, dankesch?n' antwortete ich auf seine Frage und trat schneller in die Pedale. Prompt brachte mich eine Wurzel fast zu Fall.
'Bist du dir sicher?' Er hatte ebenfalls leicht beschleunigt. 'Du siehst doch die Hand vor Augen nicht.'
'Es ist nicht mehr weit.' Verbissen starrte ich nach vorne. Pl?tzlich sah ich links von mir einen Weg aus dem Regenvorhang auftauchen, der fast direkt zu mir nach Hause f?hrte. Hastig bog ich ab. Der Kerl l?ste Panik in mir aus.
Dadurch, dass ich so scharf abgebogen war, kam er mit seinem Auto nicht hinterher. Ich atmete ein wenig auf und fuhr schneller, um den Abstand zu vergr??ern. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, wodurch ich den Weg vor mir besser erkannte. Gerade als ich erleichtert zu dem Schluss kam, dass er mich jetzt wohl in Ruhe lassen w?rde, da ich weder Motorenger?usch h?rte, noch, wie er mir hinterherlief, packte mich eine Hand am Oberarm und riss mich vom Fahrrad. Entsetzt starrte ich ihn an. Er war gr??er, als ich gedacht hatte und hielt mich wie ein Schraubstock umfasst. Nur das bewahrte mich in diesem Moment vorm Zusammenbrechen. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden.
Er hatte rote Augen.
'W-was willst du?' Meine Stimme klang d?nn, irgendwie zerbrochen. Es fiel mir schwer, zu sprechen. Wieder machte sich diese elende K?lte in mir breit, die mir damals an der Bushaltestelle die Seele eingefroren hatte.
Wie ein Raubtier sah er mich an. Ich kam mir vor, wie ein Hase, im Maul eines Fuchses. Vermutlich f?hlte er sich gerade wie der Fuchs. Dann l?chelte er, nein, bleckte die Z?hne.Wie versteinert stand ich da, gefesselt und verst?rt durch das was ich sah. Er hatte spitze Eckz?hne.
'Was ich will? Ich will dein Blut.'
Langsam n?herten sich seine F?nge meiner Kehle.
Wie bet?ubt starrte ich in die Dunkelheit. Durch den kalten Regen hindurch sp?rte ich die W?rme des Mannes, der dicht vor mir stand und seine Raubtierz?hne nahe meines Halses hatte. Ich sp?rte seinen Atem auf meiner Haut. Mein Herz begann zu rasen, beziehungsweise schlug noch schneller, als es ohnehin schon tat. Das Denken fiel mir zunehmend schwerer. Als er mir mit den Z?hnen ?ber die Haut an meinem Hals schabte, lief mir ein eisiger Schauer ?ber den R?cken. Aber warum biss er nicht zu? So wenig ich das wollte? die Angst davor, die er mit seinem Warten unertr?glich in die L?nge zog, war schlimmer.
Pl?tzlich waren wir in einen hellen Lichtkegel geh?llt und der Kerl fuhr mit einem Knurren zur?ck und verschwand ?bernat?rlich schnell im Wald.
'Hey Leo! Komm da aus dem Regen raus!'
Der Lichtkegel war der Scheinwerfer eines gro?en Wagens gewesen. Die Fahrert?r sprang auf und Sven kam auf mich zu.
'Schnell ins Auto, du holst dir ja sonst den Tod.' Er schob mich in Richtung Auto und nahm mein Fahrrad, das noch immer im Schlamm lag. W?hrend ich verst?rt einstieg, packte er es in den Kofferraum. Dann setzte er sich, fast genauso nass, wie ich war, auf den Fahrersitz und fuhr los.
'Deine Eltern haben sich ziemliche Sorgen gemacht. Wieso bist du denn nicht gekommen, bevor es angefangen hat, zu regnen?'
Ich starrte blicklos nach drau?en und antwortete matt: 'Bin eingeschlafen.'
'Du siehst auch immer noch nicht allzu wach aus.'
'Hm.' Ich starrte weiter in die Finsternis.
'Ist alles in Ordnung?'
Oh Gott? Er hatte mich fast gebissen!
'Leo?'
'Hm?'
'Bist du in Ordnung?'
'Eh? ja' log ich. 'F?hl mich nur ein bisschen krank.'
'Das wundert mich nicht.' Sven hielt vor dem Hotel. 'So lange, wie du da drau?en warst, kann man nur hoffen, dass du dir keine b?se Erk?ltung holst.'
Wir stiegen aus und er ging vor mir her auf den Eingang unseres Hauses zu. Mit schwachem Schritt wankte ich hinter ihm her. Ich hatte das Gef?hl, als ob mich meine Beine nicht mehr wirklich tragen w?rden.
'Ich geh hoch' nuschelte ich m?de.
'Ja okay, tu das. Ich sag deinen Eltern bescheid.'
Ich nickte und ging zur Treppe. Ich war gerade mal zwei Stufen hochgestiegen, als sich der Raum um mich herum zu drehen begann. Dann wurde mir schwarz vor Augen. Meinen Aufprall sp?rte ich schon gar nicht mehr.

Die n?chsten Tage bekam ich nicht wirklich mit. Ich hatte hohes Fieber und selbst wenn ich wach war, wusste ich nicht wirklich, was um mich herum vor sich ging.
Irgendwann, als ich wieder in diesem seltsamen Wachzustand dalag, glaubte ich, v?llig durchgedreht zu sein. Mein Lieblingsteddy, den ich zu meiner Geburt von meiner vor sechs Jahren verstorbenen Tante bekommen hatte, zwinkerte mir aus seinem verbliebenen rechten Auge zu. Dann hob er die Stoffpfote und winkte fr?hlich.
Ein paar Minuten sp?ter sa? Conny auf dem Boden neben meinem Bett, grinste mich an und kaute wie eh und je auf ihren N?geln herum.
Ich schlief wieder ein und als ich das n?chste Mal aufwachte, stand die Sonne schon tief. M?de sah ich oben. Ich f?hlte mich irgendwie ges?nder, wenn auch noch nicht ganz gesund. Doch durch das Fieber war mein K?rper ziemlich fertig. Lange Zeit starrte ich einfach an die Decke. Als ich, kurz bevor ich wieder einschlief, nach drau?en sah, ging die Sonne gerade blutrot unter. Und vor dem Fenster sah ich Darren, der besorgt hereinsah. Halluzination hin oder her, dieses Bild gefiel mir. L?chelnd schlief ich ein.

G?hnen streckte ich mich. Warme Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer und spielten mit dem Staub in der Luft. Ich stand auf und ging mit nochleicht wackeligen Schritten ins Badezimmer. Nachdem ich kurz geduscht und mir die Z?hne geputzt hatte, trottete ich m?de zur?ck und legte mich noch mal hin.

'Guten Morgen, Elli. Wie f?hlst du dich?' Meine Mutter betrat mein Zimmer und setzte sich besorgt neben mein Bett.
'Eigentlich ganz gut.' Ich betrachtete das Gesicht meiner Mutter. So kannte ich sie gar nicht. Nicht das kleinste Bisschen Schalk war in ihren Augen zu sehen. 'Ma? Was ist los?'Pl?tzlich traten ihr Tr?nen in die Augen und sie dr?ckte mich fest an sich.
'Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Sonst wirst du so selten krank? und jetzt hattest du tagelang Fieber.'
'Tagelang?' fragte ich verdutzt, als sie mich loslie?. 'Was f?r einen Tag haben wir denn?''Montag. Du bist die letzten drei Tage nicht mehr wirklich augewacht.'
Ich brachte nicht viel mehr als ein erstauntes 'Oh?' heraus. Das war wirklich lang.'Ach, jetzt h?tte ich es fast vergessen. Du hast Besuch. Soll ich ihn hochschicken? Oder willst du runterkommen?'
'Nee. Auf den Beinen bin ich noch nicht so fit.'
'Okay.' Sie stand auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
'Ma! Ich bin doch kein Kind mehr!' Ich wischte mir ?ber die Stirn. Sie lachte nur und verlie? das Zimmer.
Ich stellte mein Kissen auf und lehnte mich hinten gegen.
Es klopfte. In Erwartung von Marions braunem Krauskopf sah ich zur T?r.
'Darf ich reinkommen?'
Das war nicht Marion? Ein bisschen z?gernd betrat Darren mein Zimmer.
'?h? ja klar.' Was auch immer da gerade in meinem Bauch hauste, schlug einen Purzelbaum nach dem anderen.
'Ich habe mir so ein bisschen Sorgen gemacht, als du weder Freitag noch heute in der Schule warst.' Er setzte sich auf den Stuhl neben mir. Er hatte sich Sorgen gemacht. 'Ich dachte ja erst, ich h?tte dich einfach nicht gesehen, aber als du auch beim Theater nicht aufgetaucht bist?'
'Beim Theater?' Was meinte er denn mit Theater?
Verwundert sah er mich an. 'Hast du den Zettel nicht bekommen?'
'Eh?' So langsam kam die Erinnerung zur?ck. Der Streit mit Marion, das Bild, der Zettel, den Herr Vango mir am Ende der letzten Stunde gegeben hatte.
Darren sah mich halb grinsend, halb ernst an. 'Du hast ihn gar nicht gelesen, oder?''Ehm? nee.' Ich wurde rot. 'Ich, eh, ich wollte den eigentlich zu Hause lesen, und ich bin Donnerstag erst abends zur?ck gekommen und bin dann zusammenge?' Ich unterbrach mich und starrte auf das dunkle Gr?n meiner Bettdecke.
'Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen' lachte er. 'Naja, auf jeden Fall bist du dabei. Elo?' Er sah mir besorgt ins Gesicht. 'Ist alles in Ordnung?'
Ich reagierte nicht. Ich sah einfach nur auf die Decke. Donnerstagabend. Im Wald. Ich fing an zu zittern.
'Hey, Elo. Was ist los?' Vorsichtig setzte Darren sich neben mich aufs Bett und legte mir die Hand auf die Schulter. Ich versuchte die Tr?nen zur?ckzuhalten, doch es kamen immer mehr Erinnerungen zur?ck, so dass ich anfing zu schluchzen.
'Elo, oh Gott, was ist los?' Er nahm mich in den Arm. Hemmungslos schluchzend weinte ich mich an seiner Brust aus. Seine Arme hielten mich tr?stend fest und sanft strich er mir ?bers Haar. 'Alles ist gut, Elo, alles ist gut.'
'Er hat? er hat?' Ich krallte mich in sein T-Shirt. 'Darren, er hat mich fast gebissen.' Meine Stimme versagte. Ich sp?rte wieder seine Z?hne ?ber meinen Hals schaben und legte hastig die Hand an die Stelle, wie um mich davon zu ?berzeugen, dass er nicht da war. Ich sp?rte, wie Darren sich anspannte. Nur ein wenig. Doch von seinem K?rper umschlossen, der mir ein sch?tzendes Gef?hl gab, sp?rte ich es dennoch.
'Wer, Elo, wer hat dich fast gebissen?' Seine Stimme klang leise, sanft. Sie beruhigte mich. Ein bisschen.
'Ich wei? es nicht. Er war? war auf einmal da.' Je ruhiger ich wurde, um so bekloppter kam ich mir vor. Was erz?hlte ich ihm denn da? Er musste mich f?r v?llig durchgeknallt halten.'Keine Sorge, er wird dir nichts mehr tun. Das verspreche ich dir.' Sein Ton klang ernst, nicht so, als w?rde er mir nicht glauben.
'Danke.' Ich schloss die Augen und atmete seinen Duft ein. Dann l?ste ich mich von ihm und wischte mir die Tr?nen aus dem Gesicht.
'Besser?'
'Ja.' Ich l?chelte. 'Viel.'
Wir redeten noch ?ber dies und jenes, ?ber Gott und die Welt. Irgendwann sah Darren auf die Uhr, die ?ber meinem Schreibtisch hing.
'Ach Mist!' Hastig sprang er auf.
'Was ist?'
'Ich h?tte schon l?ngst zur Arbeit gemusst.' Er verzog das Gesicht. Das sollte wohl verzweifelt aussehen, doch ich musste anfangen zu lachen. Auch er grinste schief.
'Warte, ich bringe dich zur T?r.'
'Brauchst du nicht.'
'Ich wei?.' Ich schwang meine Beine aus dem Bett. 'Aber ich mache es trotzdem.'
Neben ihm her ging ich durchs Haus. Ich betrachtete ihn aus dem Augenwinkel. Sein Gesicht war ruhig. Er schien nachzudenken.
An der T?r zog er sich seine schwarzen Turnschuhe an. 'Machs gut.' Er ?ffnete sie und ging raus. Als ich Anstalten machte, an die Haut?r zu treten, meinte er: 'Lass mal. Bleib am besten drinnen.'
'Wieso?'
'Naja.' Er wurde ein kleines bisschen rot, grinste aber breit. 'Nicht, dass du wieder krank wirst. In dem Outfit.' Noch immer grinsend zog er die T?r hinter sich zu.
Leicht irritiert ging ich in Richtung meines Zimmers. In meinem Outfit? Ach schei?e! Ich sah an mir herunter. Ich hatte mein Nachthemd an. Ein ziemlich? kurzes Nachthemd.







Teil 1 Teil 2 Teil 3 Teil 4 Teil 5 Teil 6 Teil 7 Teil 8 Teil 9 Teil 10 Teil 11 Teil 12 Teil 13 Teil 14 Teil 15 Teil 16 Teil 17 Teil 18 Teil 19 Teil 20


© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz