Mondfinsternis Teil 10

Autor: Jiyu no Kotoba
veröffentlicht am: 31.08.2008




Kaptitel 10 - Traumbild

'Wer war denn das?' Neugierig kam meine Mutter in den Flur. Sie hatte uns durchs Fenster gesehen. Oder beobachtet.
'Darren.'
'Der Junge, der angerufen hat?'
'Ja.'
'Ist er nett?'
'Eh, ja.'
'Magst du ihn?'
Ich dachte einen Moment nach. Irgendwie… '…Ja.'
'Seehr?'
'Ma!'
Unschuldig sah sie mich an. 'Was denn?'
'Darren ist einfach nur ein netter Kerl, mit dem ich Laufen gehe, da wir sonst alleine laufen müssten. Nicht mehr und nicht weniger.'
Sie schwieg einen Moment. Dann fragte sie leicht enttäuscht: 'Sicher?'
Ich verdrehte die Augen und ging, ohne eine Antwort, nach oben. Dort holte ich mir frische Klamotten und ging duschen. Es tat mehr als gut, mir den Schweiß ab zu waschen. Genüsslich schloss ich die Augen und ließ mir das kühle Wasser über den Körper fließen. Dabei schweiften meine Gedanken immer öfter ab. Was Darren wohl gerade tat? Fast schon gewaltsam musste ich meine Gedanken ständig in eine andere Richtung lenken. Nach dem duschen trocknete ich mich ab und zog mich an. Marion würde das jetzt wieder ‚Chiller-Look' nennen. Ich trug eine kurze, schwarze Hose und ein dunkelgrünes T-Shirt. Beides zu groß und beides schon oft getragen. Ich ging in mein Zimmer und setzte mich an die Hausaufgaben. Ich machte alles was ich auf hatte und versuchte es möglichst ausführlich zu machen. Als ich fertig war, suchte ich nach einer anderen Beschäftigung, die meine volle Aufmerksamkeit brauchte. Gerade hatte ich mich dazu entschieden Französisch und Mathe zu lernen, da rief meine Mutter zum Essen.

Müde krabbelte ich ins Bett und schloss die Augen. Doch an Schlaf war jetzt erstmal nicht zu denken. Aller aufgaben beraubt, beschäftigte sich mein Gehirn wieder mit ihm… Darren. Warum kamen meine Gedanken immer und immer wieder zu ihm zurück? Warum fühlte ich mich in seiner Nähe so wohl und gleichzeitig so verunsichert? Seufzend drehte ich mich auf die andere Seite. Die einzige Erklärung, die mir einfiel, gefiel mir ganz und gar nicht. Wütend biss ich die Zähne zusammen. Darren konnte zwar ganz nett sein, aber im Großen und Ganzen war er doch nur ein nerviger, immer zu gut gelaunter, doofer, fauler Oberstüfler! In so jemanden würde ich mich doch niemals verlieben! …oder?
Nein! Ich setzte mich auf und schüttelte entschieden den Kopf. Niemals. Um mich abzulenken, griff ich nach dem erstbesten Buch, das ich erreichte. Biss zum Morgengrauen. Ich kam bis zu der Stelle, als Bella von Edward und Jake träumte, dann fielen mir die Augen zu.

Ich gehe über einen schmalen Weg, der durch einen hellen Wald verläuft. Die Sonne scheint und ich höre das Zwitschern und Pfeifen der Vögel. Ich lächle. Hier ist es schön. Ich schaue nach vorne. Dort steht jemand. Fröhlich gehe ich näher. Der Wald ist friedlich. Voller Leben. Hier kann mir nichts passieren. Meinte Schritte werden schneller. Ich kenne ihn. Die langen, schwarzen Dreads fallen im auf den Rücken. Außer einer kurzen Hose trägt er nichts. Keine Schuhe, kein Oberteil. Er dreht sich zu mir um, streckt die Hand aus. Es ist Darren. Er riecht wunderbar. Ich gehe näher, nehme seine Hand. Er schaut mir in die Augen. Irgendetwas ist anders. Dann fällt es mir auf. Die sonst dunkelbraunen Augen sind heller. Ein helles, gelbliches Braun. Wolfsaugen.
Er lächelt mich an. Dabei entblößt er seine Zähne. Auch sie haben sich verändert. Er hat spitze Eckzähne. Vampirzähne.
Ich lächle zurück. Er wird mir nichts tun. Bei ihm bin ich sicher. Ganz bestimmt. Gemeinsam schlendern wir durch den Wald.

'Aufstehen!' Die Stimme meiner Mutter drang durch die verschlossene Tür. Mühsam öffnete ich die Augen. Ich versuchte mich an meinen Traum zu erinnern. Es war ein schöner Traum gewesen. Doch je mehr ich versuchte, ihn zu fassen, umso schwieriger wurde es. Schließlich gab ich es auf, schlug meine Bettdecke zurück und stand auf. Beim Anziehen fiel mein Blick auf einen Zettel. Wütend zerriss ich ihn und warf ihn weg. Wofür brauchte ich schon Darrens Nummer?
'Bin dann weg!' Hinter mir fiel die Tür ins Schloss.

'Sag mal, was ist eigentlich heute los mit dir?' Sauer sah Marion mich von der Seite an. Es war die zweite große Pause und wir saßen auf einer der Wiesen. Beziehungsweise sie saß und ich lag. 'Den ganzen Tag zickst du rum, bist unfreundlich und ignorierst alle.'
'Ich ignoriere niemanden!' fauchte ich.
'Ach, und was war heute früh mit Darren? Jetzt sag nicht, du hättest ihn nicht gesehen.''Ich habe ihn aber nicht gesehen' knurrte ich. Tja, lügen ohne rot zu werden, das konnte ich. Ich hatte ihn wohl gesehen, als wir heute früh zum Chemieraum gegangen waren. Er hatte mit ein paar Leuten aus seinem Kurs neben der Treppe gestanden und uns zu gewunken. Ich hatte so getan, als ob ich es nicht gesehen hatte. Ihn nicht gesehen hatte. Und dieses verfluchte Gefühl… dieses verdammte Kribbeln in meinem Bauch nicht gefühlt hatte.
'Ach Leo, mit dir kann man heute echt nichts anfangen.'
Ruckartig setzte ich mich auf. 'Dann lass es doch!' Wütend sprang ich auf und stampfte davon.
'Leoo, warte, so war das nicht gemeint!'
Ich fuhr zu ihr herum. 'Lass mich einfach in Ruhe, okay?' zischte ich und starrte sie wütend an. Manchmal hasste ich meine Größe. Ich musste immer zu allen hoch schauen.'Leo…' Bittend sah Marion mich an. Doch ich ignorierte es, ignorierte sie und ging weg.Nach einer Pause, die ich alleine umherwandernd verbracht hatte, saß ich neben Marion im Physikunterricht. Doch da ich weder Lust hatte, mir das langweilige Gerede anzutun, noch mit Marion sprechen wollte, holte ich meinen kleinen Zeichenblock heraus und begann gedankenverloren zu zeichnen. Solange ich in Physik saß, hatte ich nichts zu befürchten, da die Lehrerin nicht sonderlich darauf achtete, ob jemand ihren Monologen lauschte, oder nicht. In Deutsch passte ich ebenfalls nicht wirklich auf, obwohl ich dieses Fach eigentlich mochte.'Eleonora? Hättest du die Güte, dich am Unterricht zu beteiligen?' Ertönte Herrn Vangos Stimme.
'Eh, was?' Erschrocken sah ich auf und versuchte, den Block unterm Tisch verschwinden zu lassen. Was ich wohl besser nicht getan hätte. Dadurch wurde er erst auf meine Nebentätigkeit aufmerksam.
'Und was ist das?' Er kam auf meinen Tisch.
'Äh, nichts.' Ich merkte, wie ich rot wurde. Bei den letzten paar Strichen war mir aufgefallen, was ich zeichnete. Es war eine Stelle aus meinem Traum. Nach und nach fielen mir immer mehr Einzelheiten ein, die ich geträumt hatte. Man konnte denjenigen, den ich gezeichnet hatte, noch nicht so genau erkennen, aber ich wusste, wer es war. Und es war mir peinlich.'Gib mal her.' Herr Vango streckte die Hand aus.
'Aber - '
'Du kannst es dir am des Jahres abholen' unterbrach er mich. Sauer sah ich ihm nach, als er mit Block in der Hand nach vorne ging. Für den restlichen Unterricht ignorierte ich ihn und die Tafel. Könnte der Tag eigentlich noch schlimmer werden?
Endlich erlöste mich die Schulglocke. Mit dem ersten Ton griff ich mir meine Tasche, die schon seit fünf Minuten gepackt neben dem Tisch stand.
'Leo, wartest du nicht auf mich?' Marion sah mich leicht beleidigt an.
'Ich fahr eh nicht nach Hause.' Für die Eröffnungsfeier hatte ich jetzt überhaupt keinen Nerv.An der Tür kam Herr Vango noch mal auf mich zu. Er hielt mir einen DIN A5 Zettel hin.'Hier, bevor ich es noch vergesse. Den sollte ich dir geben.'
Ich nickte und steckte das Teil ungelesen in den Ranzen. Das konnte ich mir auch noch später ansehen. Eilig verließ ich dann das Gebäude. Am Fahrradschuppen angekommen, schloss ich mein Rad auf und holte mein Handy raus und schrieb meiner Mutter eine SMS.

‚Komme erst später. Geh noch in den wald oder so. Lg, eleonora'

Ich steckte das Handy wieder ein und fuhr los. Wo genau ich jetzt hin wollte, wusste ich nicht. Vermutlich einfach planlos durch den Wald fahren. Oder mir einen ruhigen Platz suchen und abschalten. Aber auf alle fälle wollte ich meine Ruhe. Anfangs fuhr ich meinen normalen Schulweg nach Hause, doch als ich im Wald war, bog ich irgendwann aufs Geratewohl nach rechts ab. Mittlerweile brauchte ich nicht mehr wirklich zu befürchten, dass ich mich verlief. Beziehungsweise verfuhr. Ich war oft genug hier. Nach kurzem sah ich einen Trampelpfad, von dem ich wusste, dass er an dem kleinen Tümpel endete, an den ich mich gerne zurückzog. Ich stieg ab und rollte das Fahrrad. Der Pfad war zu uneben, als dass ich hier hätte fahren können.
Neben dem Tümpel legte ich das Rad auf den Boden. Dann setzte ich mich auf das weiche Gras und ließ mich auf den Rücken fallen. Das kühle Grün war angenehm beruhigend.Müde schloss ich die Augen. Es war hier so schön ruhig. Vereinzelte Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch das Blätterdach gefunden hatten, kitzelten mein Gesicht. Ich atmete tief durch. So ließ es sich leben.
Ich war kurz vorm Einschlafen, als mir ein Gedanke durch den Kopf schoss. Auch wenn ich es nicht wahrhaben wollte, verdammt, ich hatte mich in Darren verliebt.







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