Mondfinsternis Teil 2

Autor: Jiyu no Kotoba
veröffentlicht am: 28.04.2008




Kapitel 2 - Neuanfang

M?de w?lzte ich mich im Bett hin und her. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Nach einer Woche Eingew?hnungszeit in meinem neuen Heim waren die Osterferien vor?ber und mir stand die n?chste Folter bevor. Mein erster Schultag.
Irgendwann gab ich meine Einschlafversuche auf und griff nach einem Buch. Dracula. Vielleicht nicht die perfekte Abendlekt?re, aber allemal besser, als ewig wach zu liegen und vor Nachdenken kirre zu werden.
Als ich nach vielen Seiten die Augen kaum noch offen halten konnte und ich die Abs?tze dreimal las, ohne sie zu verstehen, legte ich das Buch zur Seite und schlief ein.

Verdammt, verdammt, verdammt! Hastig biss ich von meinem Brot ab, w?hrend ich w?tend in die Pedale trat. Vielleicht h?tte ich gestern doch nicht so lange lesen sollen. Jetzt hatte ich gleich am ersten Tag verschlafen und hatte Stress. Au?erdem war Fr?hst?cken auf dem Fahrrad wirklich nicht empfehlenswert.
Als ich nach einer halben Stunde halsbrecherischer Raserei - hauts?chlich ?ber schlechte Wege im Wald - auf dem Schulhof stand, hatte es schon geschellt. Der Schulhof war leer. Ich schloss mein Fahrrad in dem ?berf?llten Fahrradschuppen ab. Jetzt hie? es nur noch das Sekretariat finden und mich auf lauter neue, mich anstarrende Gesichter zu freuen. Ganz toll.Der Hauptbau der Schule war mindestens genauso alt und verwinkelt, wie unser Haus. Nur leider hatte ich von diesem Geb?ude keinen Plan zur Hand. Dementsprechend lange dauerte es, bis ich an meinem Ziel angekommen war. Z?gernd klopfte ich an.
'Herein' erklang eine freundliche Stimme.
Langsam ?ffnete ich die T?r und schob mich sch?chtern durch den Spalt. Vor mir sa? eine junge Frau mit braunen Locken, die aussahen, als ob keine B?rste der Welt sie b?ndigen konnte, an einem alten Schreibtisch, der mit Papierkram ?berladen war.
'Guten Morgen. Kann ich dir helfen?'
'?h, ja, ich denke schon. Ich bin neu hier und soll mich im Sekretariat melden.'
'Achja genau. Herr Vango hat so etwas gesagt. Eleonora Heinrichs, nicht war?'
'Eh, genau' antwortete ich verdutzt. Sie musste ein gutes Namensged?chtnis haben.
'Ich bin Marie-Sonja Hallerberg. Aber alle nennen mich nur Sony.' Sie stand auf und kam um den Schreibtisch herum auf mich zu. 'Dann komm mal mit, ich bring dich zu deiner neuen Klasse.'
Als wir durch die leeren Flure gingen, meinte Sony: 'Komm bitte in der ersten gro?en Pause noch mal. Bei uns an der Schloss-Nachtstein-Schule ist es so eine Art Brauch, dass sich ein Sch?ler aus der Oberstufe die ersten paar Tage um Neulinge k?mmert. Nur so lange, bis sie sich an der Schule gut genug auskennen, um sich alleine zurecht zu finden. Ich stelle dir deinen, na ja, ich sage mal ?Aufpasser', dann vor. Er f?hrt dich dann durch die Schule und zeigt dir das Gel?nde, damit du schon mal einen ?berblick erh?ltst.'
Ich st?hnte innerlich auf. Das System war zwar in einer so verwinkelten und gro?en Schule ganz n?tzlich, aber ich hatte dennoch keinen Bock auf jemanden, der Babysitter f?r mich spielte.
'Hier, dein Klassenraum. Dein Klassenlehrer hei?t Herr Vango. Wenn ich mich richtig erinnere, m?sste er auch gerade unterrichten.' Schwungvoll ?ffnete Sony die T?r. 'Guten Morgen Markus!'
'Ah, Moin Sony.'
Ich lehnte an der T?r und ignorierte die neugierigen Blicke, die die Sch?ler mir zuwarfen. Aber die Blicke waren ja nicht unerwartet. Erstens, weil ich neu war, und zweitens, weil ich anders war. Mein Stil unterschied sich von dem der Leute hier. Da, wo ich herkam, hatte man ?fters Leute mit meinem Stil gesehen. Vielleicht nicht unbedingt in meinem Dorf, aber in den n?chstgr??eren St?dten allemal. Ich hatte eine schwarze Kurzhaarfrisur mit roten Str?hnen und langem Pony, welcher mir ?ber das rechte Auge fiel. In der rechten Unterlippe und in der linken Augenbraue hatte ich je einen Piercing. Unter dem schwarzen Haar und dem dunklen Lidschatten wirkte meine gr?nen Augen, laut meiner Mutter, immer extrem stechend.'Darf ich vorstellen, Eleonora Heinrichs. Sie geht ab heute hier zur Schule. So, und ich geh' dann mal wieder an die Arbeit. Tsch?ss!' Sie winkte fr?hlich in die Runde und ging an mir vorbei durch die T?r.
Herr Vango war ein ?lterer Herr mit dichtem, wei?en Haar und freundlichen, mausgrauen Augen. Mit einer einladenden Handbewegung sagte er: 'So, du bist also Eleonora. Komm doch mal her und stell dich vor.'
Genervt stie? ich mich vom T?rrahmen ab und trat neben ihn.
'Ich bin Eleonora Heinrichs, 16 Jahre alt, komme aus einem kleinen Kaff in Lippe, meine Mutter ist rein lippisch, mein Vater stammt aus Hessen.'
'Wollt ihr noch etwas wissen?' wandte sich Vango an die Klasse. Na ganz toll. Neugierige Fragen.
Mehrere H?nde schossen in die H?he.
'Ja, Marion?' rief er ein M?dchen mit kurzen, braunen Haaren auf.
'Was hast du f?r Hobbys?'
'Theater, Zeichnen, Lesen, Musik h?ren.'
'Hast du Geschwister?' rief ein rothaariger Kerl in die Klasse.
'Nein.'
'Bist du immer so gespr?chig?'
'Ja.'
'Warum seid ihr umgezogen?'
Genervt sah ich das Blondchen an, das diese Frage gestellt hatte und ?berlegte, ob ich darauf antworten sollte. Bevor ich zu einem Entschluss gekommen war, ert?nte ein kurzer Gong und aus den Lautsprechern erklang eine Durchsage:
'Darren Surudoi bitte ins Sekretariat. Darren Surudoi bitte.'
Auf mehreren Gesichtern erschien ein wissendes Grinsen und ich h?rte Gekicher. Der Rotschopf fragte gut gelaunt: 'Was hat er denn jetzt schon wieder ausgefressen?'Herr Vango antwortete, genauso gut gelaunt, aber gespielt ernst: 'Aber, aber. Vielleicht hat er ja mal gar nichts angestellt.'
'Das glauben sie aber nicht im Ernst, oder?' fragte Marion verdutzt und erntete ein Lachen, seitens ihres Lehrers.
'Wann ist Surudoi schon mal ins Sekretariat bestellt worden, wenn er nichts angestellt hat?'Ich konnte diesem Darren dankbar sein. Er hatte mich von der Beantwortung der Frage befreit, da die Aufmerksamkeit der Klasse dank ihm von mir abgelenkt war.
'Du kannst dich neben Marion setzen' wies mir Herr Vango den einzigen, noch freien Platz der Klasse zu. Das M?del, welches mir die erste Frage gestellt hatte, nahm ihre Tasche von dem Stuhl neben sich und ich pflanzte mich neben ihr.
'Duhu, Eleonora?' fl?sterte sie mir nach ein paar Minuten zu.
'Hm?'
'Darf ich dich Leo nennen? Eleonora ist so lang.'
'Solange du mich nicht Elli nennst, ist mir alles recht.'
'Hast du Haustiere?'
'Nein.'
'H?ttest du gern eins?'
'Ja.'
'Was denn f?r eins?'
'Hm. 'nen Hund.'
Marion war anscheinend ein ziemlich neugieriger Mensch. Aber irgendwie war sie mir dennoch sympatisch.
'Was f?r Musik h?rst du?'
'Alles. Aber am meisten J-Rock.'
'Was ist das?'
'Das ist-'
'Marion!' wurde ich von Herrn Vangos tiefer Stimme unterbrochen. 'Du musst unseren Neuzugang doch nicht gleich am ersten Tag mit deiner Fragerei verschrecken.'
Marion lief rot an und schwieg.
Der Tadel wirkte auch noch f?r die n?chste Stunde. Mathe. Genau wie der vorangegangene Biounterricht eines der F?cher, die f?r mich unverst?ndlicher waren, als eine fremde Sprache. Unterrichtet wurden wir von einer spie?igen Mittdrei?igerin mit unangenehmer Stimme und doppelter Schicht Make-up.
Nach dem Gong zur Pause fragte ich Marion: 'Kannst du mir den Weg zum Sekretariat zeigen? Ich glaube nicht, dass ich das wiederfinde.'
'Klar. Komm mit.' Munter lief Marion los.
'Aber sag mal, was ist J-Rock jetzt eigentlich?'
'Japanischer Rock.'
'Japanisch? Kannst du das denn?'
'Hm. Mehr weniger.'
'Aber wieso h?rst du's denn, wenn du's nicht verstehst?'
'Ich mag die Musik. Und ist es ja nicht so, dass ich nicht wei?, was sie singen. Au?erdem gibt es gen?gend Leute, die spanische Songs h?ren, ohne es zu verstehen.'
'Stimmt. Da hab ich gar nicht dran gedacht.'
Nach kurzer Zeit hatten wir das Sekretariat erreicht.
'Ich muss dann jetzt raus in die Pause. Viel Spa? noch. Hoffentlich bekommst du 'nen s??en Jungen zugeteilt.' Sie zwinkerte mir zu und ging dann den Gang runter.
Ich drehte mich zur T?r und klopfte. Auf Sonys 'Herein' trat ich ein.
'Hi!' begr??te sie mich. 'Tut mir leid, aber du musst noch warten. Leider hat der Sch?ler, den wir dir zugeteilt haben, ein Talent f?r Versp?tungen.'
'Is' egal.'
'Komm setz dich doch so lange.'
Ich setzte mich auf einen Stuhl neben der T?r und beobachtete Sony beim Arbeiten.Nach geschlagenen zehn Minuten wurde pl?tzlich die T?r aufgerissen und jemand st?rmte in den Raum. Ich konnte ihn nicht sehen, da die offene T?r zwischen uns beiden war.
'Du bist ganz sch?n sp?t, Darren.'
'Ja, ich wei?. Ich war eingeschlafen.'
Oh mein Gott. Die Stimme kam mir bekannt vor. Ich linste an der offenen T?r vorbei um zu gucken, ob ich mit meiner Vermutung richtig lag. Ich tat es. Leider. Der Kerl, der mich anscheinend ?bers ganze Gel?nde f?hren sollte, war niemand anderes, als der Freak aus dem Wald.
'Komm mal her Eleonora. Darf ich dir vorstellen? Darren Surudoi. Er zeigt dir die Schule.''Ah, kennen wir uns nicht?'
'Hm. Ja.' Leider.
'Wunderbar, dann haben war es ja ganz gut, dass wir Darren f?r dich ausgesucht haben!'
freute sich Sony.
'Ja.' Ganz toll.
'Na, dann komm mal mit.'
Ich ergab mich meinem Schicksal und folgte ihm.

Die Schule war in mehrere Bereiche geteilt. In dem Teil, der sich in der N?he des Einganges befand, waren B?ros, wie Sekretariat oder Hausmeisterb?ro, die Kantine und ein Teil der Aula. Sie ging ?ber zwei Etagen, was ihr ein ziemlich imposantes Aussehen verlieh.
Im s?dlichen Teil der Schule waren Fremdsprachen untergebracht und dar?ber Kunst- und Musikr?ume. Im n?rdlichen Fl?gel waren Mathe-, Deutsch-, Religions- und Philosophieklassen. Der mittlere Teil wurde, abgesehen von den schon genannten R?umlichkeiten, von Fachr?umen wie Erdkunde oder Geschichte eingenommen. Au?erdem befanden sich hier auch ein paar 'Allzweckr?ume'.
Die zweite Etage war, bis auf einen kleinen Teil, der so eine Art Abstellkammer darstellte, eine riesige Galerie. Arbeiten der Kunstkurse waren hier ausgestellt. Darren und ich kamen auch ?fters an kreativen Arbeiten der Deutschkurse vorbei. Oder an Kombinationen aus beidem.
Wenn man ?ber den Hof ging, kam man zu einem weitaus j?ngeren Bau als das Hauptgeb?ude. Hier waren im Erdgeschoss die Biofachr?ume untergebracht. In der ersten Etage befand sich die Physik und in der letzten die Chemie.
Noch ein St?ck weiter hinter diesem Geb?ude befand sich die Turnhalle der Schule.Auf dem ganzen Gel?nde gab es viele Wiesen und B?ume. Alles in allem machte die Schule einen freundlichen Eindruck.
Nach der 'F?hrung' streckten wir uns auf einer der Wiesen aus. Ich legte mich auf den R?cken und beobachtete die Wolken. Als ich zu Darren r?bersah, hatte er sich auf den Bauch gelegt und den Kopf auf die verschr?nkten Arme gelegt, so, dass sein Gesicht im Schatten lag.Wir schwiegen. Ich f?r meinen Teil genoss die Ruhe und den Frieden. Wenn er die Klappe hielt, war Darren eigentlich sogar recht ertr?glich.
Nach kurzer Zeit stand er auf und setzte sich ein St?ck weiter weg in den Schatten eines Baumes.
'Was ist? Magst du keine Sonne?'
'Doch, im Grunde genommen schon. Aber ich bekomme ziemlich schnell Sonnenbrand. Au?erdem habe ich eine leichte Sonnenallergie und ziemlich lichtempfindliche Augen.''Oh.' Deswegen hatte er also eben sein Gesicht im Schatten gehalten.
Laut ert?nte der Gong zur Pause ?ber den noch leeren Hof und das Gel?nde f?llte sich rasch mit Leben. Die Wiesen der Schule waren wohl bei sch?nem Wetter der Lieblingsplatz der Sch?ler. Die meisten setzten sich mit Freunden zusammen ins Gras oder legten sich in die Sonne.
Schon von weitem sah ich Marion auf mich zu laufen. Als sie sich neben mir ins Gras fallen lie?, fragte sie:
'Und, wie war's?'
'Hm. Ganz okay.'
'Wer war denn dein F?hrer?'
Ich nickte vage in Richtung der Baumgruppe, unter der Darren mit ein paar Kumpeln sa?.'Wer von denen denn?'
'Darren Surudoi.'
Marion gab ein undefinierbares Ger?usch von sich, welches sich am besten als ?berraschtes Gequieke eines kleinen Schweinchens beschreiben lie?.
'Das ist nicht dein Ernst. Oder?'
'Doch.'
'Oh, du Gl?ckspilz! Von allen tollen Kerlen bekommst du Surudoi ab!' Mit einem leicht bedauernden Blick sah sie zu ihm hin. 'W?r' ich jemand andres und nicht ich, w?rde ich richtig eifers?chtig werden.'
Eifers?chtig? Auf mich? Wegen dem? Irritiert sah ich r?ber zu Darren. Im selben Moment schaute auch er zu mir. Er grinste mich an, winkte kurz und wandte sich dann wieder seinem Kumpel zu, der ihn gerade zu zu texten schien.
Na toll. Jetzt hatten die mir doch tats?chlich einen der beliebtesten Sch?ler zugeordnet.







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