Lass mich nicht im stich

Autor: *+eLFENbUNNY+*
veröffentlicht am: 22.04.2008




Meine Haare fühlten sich an, als würden sie gleich meine Kopfhaut abreisen. Doch er wollte nicht aufhörnen. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen.
Er ließ mich los. Der Schmerz ließ langsam nach. Doch mein ganzer Kopf fing an zu pochen. Er hatte es schon wieder gemacht. Er hatte mir schon wieder wehgetan. Ich hatte mir doch so gewünscht, dass sich jetzt alles ändert.
Ich merkte, dass jemand hinter mir stand. Ich konnte es nicht glauben. Ich drehte mich um und blickte sofort in das ausdruckslose Gesicht meiner Mutter. Sie hatte es endlich mal richtig mitbekommen. Sag doch was. Schmeiß ihn raus. Du hast das jetzt doch gesehen. So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf. Meine Mutter zeigte erst keine Reaktion. Dann schaute sie erst meinen Stiefvater an. Lächelte. Sie schaute mich an. Schaute in meine verweinten Augen. Stränge überzog ihr Gesicht. Wieso sagst du nichts. Sie drehte sich um, ohne auf die Fragen zu antworten, die in meinem Kopf so sehr pochten. Sie hatte sich endgültig entschieden. Sie nahm ihren Autoschlüssel und ging raus. Ich hörte den Motor und die Steine unter ihrem Auto knirschen, als sie vom Hof fuhr. Alles in mir brach zusammen. Alls schwankte um mich, alles war verschwommen. Ich ging hoch, holte meinen Rucksack und ging raus. Ich hörte nicht, dass die Tür laut ins Schloss fiel, Spürte nicht meine Füße gehen, spürte nicht den Regen, der meine Jacke durchnässte und den Wind, der meine Haare aus meine Gesicht blies. Lehre. Nichts. Ich ging zur Bushaltestelle. Keiner war da. Ich setzte mich in die hinterste Ecke. Langsam, aber nur ganz langsam wurde mir bewusst, was gerade geschehen war. Er hatte es schon wieder gemacht und ich hab mir doch so gewünscht, dass nach dem Umzug alles wieder in Ordnung ist. Er hatte mich doch so lange nicht mehr….Tränen stiegen mir erneut in die Augen. Mir war plötzlich kalt. Ich spürte mein kaltes Gesicht. Ich spürte die Nässe auf meiner Jacke. Ich wollte sie ausziehen. Ich wollte alles ausziehen. Ich wollte weg. Nicht wieder nach Hause. Die Tür der Bushaltestelle öffnete sich. Da waren sie. Meine großen Schwestern kamen sofort zu mir. Sie wollten mich trösten. Nur meine kleine Schwester blieb in der Tür stehen. Ganz vorsichtig kam sie nun auch in die Bushaltestelle und setzte sich in die andere Ecke. Meine großen Schwestern straften sie mit bösen Blicken. Sie dachte, sie wäre schuld. Sie war es nicht. Sie konnte nichts dafür. Aber ich war zu schwach, um es ihr zu sagen, dass ich nicht sauer auf sie bin und dass sie keine Schuld trifft. Es war bloß seine Schuld. Jetzt kam alles aus mir raus. Meine Schwestern gaben mir abwechselnd Taschentücher an. Meine größte Schwester ergriff das Wort. Sie versprach mir, dass sie Papa bescheid sagen würde. Er würde mir helfen können. Ich hoffte, dass er irgendetwas machen konnte. Irgendetwas. Schon so oft habe ich versucht es ihm zu erzählen. Ihm zu sagen, was mein Stiefvater immer mit uns macht. Ich habe soviel Zeichen gegeben, aber er hat sie nicht erkannt. Wie alle anderen hat er einfach weggesehen. Nicht daran gedacht, das so etwas in der eigenen Familie passieren kann. So was passiert bloß bei anderen. So hätte er es mir vielleicht sogar auch nicht geglaubt. Mit Schminke versuchten wir mich wieder hinzubekommen. Da kamen auch schon die anderen. Sie sahen nichts. Es interessierte sie nicht. Wie immer. Es war ein Geheimnis. Jeder konnte es herausfinden. Niemand wollte es herausfinden. Zu viel arbeit. Sie haben alle ihre eigenen Probleme. Der Bus kam. Wir stiegen ein. Manche redeten, manche lernten noch einmal für die anstehenden Arbeiten. Ich wollte schreien. Sie wollten meine Freunde sein. Sie sind es nicht. Aber ich schwieg. Die Schule. Ich stieg aus. Regen fegte mir ins Gesicht. Die Schminke verwischte. Schnell rannte ich den Berg zur Schule hoch. Da warteten sie auch schon. Ich umarmte alle. Tat so als wäre alles okay. Sie sind die gleichen Roboter. Sie würden merken was los ist, wenn sie sich dafür interessieren würden. Aber sie wollen es nicht wissen. Sie wollen weiter in ihrer Welt leben, in der Welt, in der alles in Ordnung ist. Wir gingen in die Klasse. Kunst. Ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich fand einfach keinen Eingang zum Unterricht. Ich musste immer wieder an die Szene von heute morgen denken. Jedes mal durchfuhr es mich. Sie hatte sich entschieden. Mir wurde heiß und kalt. Wenn ich daran denke, dass ich nachher wieder nach Hause muss, wird mir ganz schwindelig. Ich fühlte mich so eingedrängt. Ich will weg. Ich fing an auf dem Stuhl hin und her zurutschen. Ich wollte aufspringen. Ich wollte weglaufen. Ich konnte es nicht länger aushalten. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte schreien. Es ging nicht mehr. Doch plötzlich stockte mir der Atem, als ich hörte, was meine Lehrerin gerade sagte. Sie sagte: … Manchmal muss man sich im Leben entscheiden. Bei solchen wichtigen Entscheidungen muss man einfach auf sein Herz hören. Sonst schafft man den Weg nicht, denn aus dem Herz nimmt man seine ganze Kraft. Es ist schwer, aber am Ende kann man mit jedem Ausgang zufrieden sein, denn man hat das gemacht, was einen erlöst.' Es durchfuhr mich. Ich fühlte mich plötzlich ganz leicht. Es fühlte sich so an, als hätte ich die ganze Zeit einen riesigen Mehlsack mit mir herumgetragen, der jetzt von mir abfiel. Mir würde plötzlich warm. Aber es war eine schöne Wärme die mich umgab. Die ganze Zeit hab ich nach einer Antwort gesucht und dabei habe ich ganz vergessen auf mein Herz zu hören. Jetzt weiß ich die Antwort. Ich muss gehen. Ich werde gehen. Egal was es für Auswirkungen hat. Es geht hier um mein Leben. Ich hob meinen Finger. Fragte meine Lehrerin ob ich zur Toilette gehen kann. Nach ihrer Genehmigung ging ich hinaus. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und rief meinen Vater an und erzählte ihm ganz ruhig die ganze Geschichte. Ich weinte nicht. Ich lachte nicht. Er hörte mir bis zum Ende zu. Ich fragte ihn: ,,Glaubst du mir?' Es dauerte eine Ewigkeit bis er antwortete: ,,Ja ich glaube dir und ich werde dir da heraushelfen.'









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