Liebesgeschichte 788

Autor: Jacky
veröffentlicht am: 25.07.2011


Liebes Tagebuch,

Heute ist Sebastian zusammen gebrochen während wir auf dem alten Ziegeleigelände waren. Wir waren alle sehr erschrocken, vor allem weil er beinahe eine Treppe runtergefallen wäre. Daniel und Kevin, zwei meiner Freunde, waren aber schneller und konnten ihn zum Glück noch abfangen. Uns war allen klar, dass wir schnell handeln mussten und wir wussten auch, dass wir ihn schnell ins neue Krankenhaus bringen mussten, welches nicht weit weg war. Wir konnten keinen Krankenwagen rufen, weil wir auf einem Gelände waren, welches mit einem großen Schild versehen war auf dem Stand: „Betreten wegen Einsturzgefahr verboten!“.
Kurzerhand packten wir Sebastian um ihn ins Krankenhaus zu tragen. Unterwegs riefen wir im Krankenhaus an um alle zu informieren, dass wir ihn dorthin bringen würden. Sebastian war nicht grade schwer, weil er wegen seinem Tumor im Magen wenig aß. Dadurch hatte er öfters keinen Hunger.
Im Krankenhaus wurden wir von vier oder fünf Ärzten empfangen. Total aus der Puste, besorgt aber irgendwie auch erleichtert, übergaben wir ihnen Sebastian. Besorgt, weil Sebastian unterwegs das Bewusstsein verloren hatte und glücklich, weil wir es geschafft hatten ihn hierher zu bringen. Leider war der Zusammenbruch so stark gewesen, dass sie ihn sofort operieren mussten. Wir wurden gebeten zu warten. Kevin, Daniel, Timo, Tim, Dennis, Kai, Nico, Nicola und ich, warteten 3 Stunden, welche sich wie drei Tage anfühlten. Uns ging das Schlimmste durch den Kopf! Würde er sterben, würden wir uns Jahre lang Vorwürfe machen, weil wir das Schild welches vor Einsturzgefahr warnte einfach ignoriert hatten und wir auch nicht den Mut hatten den Krankenwagen zu rufen, aus Angst, dass wir großen Ärger mit Sebastians Mutter bekommen hätten. Ich hielt das nicht aus! Vor lauter Sorge brach ich auf dem Flur zusammen. Ich wollte nur noch zu Sebastian, meinem Freund und den liebevollsten Menschen auf Erden.
Als sie endlich mit der OP fertig waren, wurden wir informiert und wir waren alle glücklich, dass Sebastian das so gut überstanden hatte. Nach 6 Stunden langem Warten, ist Sebastian endlich aufgewacht. Ich war so glücklich wie noch nie! Endlich konnte ich wieder in seine eisblauen Augen schauen. Er schaute sich im Raum um und frage Daniel wie er hier her gekommen war und nahm mich bei der Frage in den Arm. Daniel erzählte ihm alles ausführlich und etwas witzig, weil wir alle etwas Entspannung brauchten. Sebastian bedankte sich bei uns und nahm jeden einzelnen in den Arm. Ich hatte meine Mutter angerufen und ihr gesagt, dass ich bei einer Freundin übernachte, weil meine Mutter nicht wollte dass ich mich mit den Jungs treffe. Angeblich haben sie einen schlechten Einfluss auf mich...Somit blieb ich also die ganze Nacht bei Sebastian und wartete bis er am nächsten Tag entlassen wurde, rief die Jungs an und wir brachten Sebastian nach Hause und gingen dann alle nach und nach auch nach Hause.

Was wir alle in diesen Tagen noch nicht wussten war, dass wir bald nur noch zu neunt und nicht zu zehnt sein würden…
Meine Eltern fingen an sich zu streiten. Von Tag zu Tag wurde es schlimmer. In dieser Zeit konnte ich zum Glück immer zu den Jungs gehen und mich trösten lassen. Es ist einfach schön zu wissen, dass man jemanden hat, der einen immer auffängt wenn es mir mal nicht gut geht.
Es wurde Weihnachten ohne Zwischenfäll. Doch an einem Morgen merkte ich, dass was nicht stimmte:
Um 15 Uhr klingelte das Telefon... Es war das Krankenhaus! Mein Opa war an einem Herzinfarkt gestorben... Tolle Weihnachten... Ich dachte schlimmer könnte es nicht mehr kommen... Nun ja, falsch gedacht!!!

Es kam noch schlimmer! Um 20:00 Uhr fingen meine Eltern schon wieder an sich zu streiten und danach erfuhr ich, dass meine Mutter und ich nächstes Jahr am 31.1. nach Lemwerder umziehen würden. Über 400km weit weg von Sebastian und den andern! Wie sollte ich das aushalten?! Und was wird aus der Gruppe?! Viele Fragen auf die es bald eine Antwort gab. Aber ob sie mir gefallen würde? …

Meine Mutter und ich packten nach und nach unsere Sachen zusammen und täglich wurde ich trauriger. Alle waren gekommen um sich von mir zu verabschieden. Das war so süß! Mir wurde ein Teddy zum Abschied geschenkt. Sebastian zog mich etwas weiter weg von der Menge und machte mit mir Schluss. Seine Begründung war, dass er sich so voll und ganz auf seine Krankheit konzentrieren kann. Er versicherte mir noch, dass wir oft telefonieren würden und nahm mich in den Arm und streichelte mir ein letztes Mal über meine Wange. Ich stieg total niedergeschlagen und heulend ins Auto. Es tat weh. Die Fahrt dauerte vier Stunden und ich weinte ununterbrochen! Als wir dann bei meiner Oma angekommen waren, legte ich mich ins Bett und weinte dort ungestört weiter bis mir meine Tränen ausgingen.
Nach Anfänglichen Problemen hatte ich mich dann doch ganz gut eingelebt und mit den Jungs telefonierte ich fast täglich. Im April 2010 war Sebastian zu Besuch und erzählte mir folgendes:
„Die Ärzte sagen ich habe nur noch vier Monate zu leben. Das heißt, ich werde den September nicht mehr erleben.“
Ich war geschockt, gelähmt und sah ihn schweigend an. Unmöglich kann ich beschreiben, was in mir vorging. Es war Wut, Hass und Trauer zugleich. Wütend war ich, weil ich nicht wusste wie ich ihm helfen könnte, mein Hass auf alles war auf sein Pech, welches ihn so sehr verfolgte und Trauer, weil er nur noch so wenig Zeit zum Leben hatte…
Nach einer Woche musste er leider zurück nach Berlin. Die Ärzte hatten sich jedoch zum Glück geirrt: Sebastian überlebte den September, den Oktober, den November und den Dezember. Die Ärzte erklärten sich bereit, den Tumor wenigstens zu verkleinern, weil er die Schmerzen so lange ausgehalten hatte. Er sollte am 27.1.2011 operiert werden und als ich das von seiner Mutter hörte, war ich überglücklich. So hätte er eine etwas größere Chance den Tumor ganz los zu werden.

Einen Tag vor seiner OP kam spät abends in Berlin an. Ich durfte bei Kevin übernachten. Früh am Morgen ging ich los zum Krankenhaus. Am Abend zuvor hatte Sebastian noch angerufen und mir gesagt, dass er mich vor der OP noch mal sprechen wollte. Es war ihm wichtig, dass er vorher mit mir alleine sprach. Dieses Gespräch würde ich nie mehr vergessen:
„Sorry, Jacky aber die Op. schaffe ich nicht mehr.“ Während er das sagte nahm er die ganzen Schläuche die an ihm waren ab und nahm mich fest in den Arm. „Du schaffst das!“, sagte ich und fing ich an zu weinen.
„Jacky es tut mir leid. In der Schublade dort liegen Abschiedsbriefe und auch mein Schal. Der ist für dich. Auf den Abschiedsbriefen stehen die Namen drauf von denen, für die sie bestimmt sind. Ich fände es sehr nett von dir, wenn du sie an die richtigen Personen verteilen könntest. Es sind zwanzig Stück, von denen einer auch für dich ist.“
Er zog mich zu sich hoch zu sich ans Bett und gab mir einen langen Kuss. Er fing an mir
„ Ich liebe dich“
ins Ohr zu flüstern und er streichelte mir über den Kopf. Mein Herz schlug langsam und jeder Atemzug tat weh. Ich genoss jede einzelne Sekunde in seinen Armen. Nach zehn schrecklichen Minuten, schlief er in meinen Armen ein... Die ganze Zeit über habe ich geweint und innerlich zerbrach ich in Tausend Stücke. Nach einiger Zeit rief ich die Schwester. Diese kam und ich schaute sie nur mit gefühlslosen Augen an. Ich konnte nichts sagen! Sie sah meine Tränen und Sebastian, wie er tot auf seinem Bett lag, rief den Arzt und während sie das tat schaute ich in die Schublade von der mir Sebastian kurz vor seinem Tod erzählt hatte. Ich fand den Schal, die Abschiedsbriefe und einen Teddy an dem ein Zettel klebte auf dem stand:
„Sei bitte nicht traurig. Ich weiß, dass es sehr schwer ist, aber du schaffst das! Du bist ein tolles Mädchen und du wirst wieder glücklich. Zwar nicht mit mir, aber mit jemand anderem.“
Ich fing wieder an zu weinen...
Ich verteilte die Abschiedsbriefe und alle fingen an zu weinen. Die Briefe waren so süß und lieb geschrieben! Da war auch noch ein Buch in der Schublade, in welchem Fotos von mir alleine und mit ihm zusammen waren. Dieses Buch gab ich seiner Mutter, die mir sagte, dass ich es bei seiner Beerdigung wieder bekäme. Für unbestimmte Zeit verlor ich das Zeitgefühl. Ich konnte niemanden sagen wie spät es war oder welcher Tag oder welches Jahr wir hatten. Es war so, als wäre ich in einen tiefen Schlaf gesunken…
Der letzte Wunsch von Sebastian war, dass wir alle auf seiner Beerdigung erscheinen. Deswegen wird er auch erst am 27.7. beerdigt. Ein weiterer Wunsch war, dass ich auf der Beerdigung sein Lieblingslied, „Stark“, von „Ich-und-Ich“ singe.





© rockundliebe.de - Impressum Datenschutz