Super
Beth:
Später am Abend mache ich Sammy fertig für das Bett und lese ihr noch ihre Lieblingsgeschichte vor. Sie ist aufgewühlt und deswegen kommt sie nicht zur Ruhe. Während ich umblättere sehe ich sie an ihren Fingernägeln kauen. Eigentlich ist Sammy ein eher ruhiges Kind und sie bringt nicht so schnell etwas aus der Fassung. Allerdings hat der laute Streit zwischen Dominik und seinem Vater das geschafft.
"So, jetzt schläft du." - sage ich, als ich aus dem Bett klettere und das Buch auf den Nachttisch lege. "Ich habe dich liebe. Gute Nacht, meine Süße." - wünsche ich ihr noch, lege die Decke über sie und dabei gebe ich ihr noch einen Kuss auf die Stirn.
"Gute Nacht, Mama. Hab dich lieb." - höre ich ihre Stimme, als ich an der Tür stehe. Ich lächle sie noch an und ziehe die Tür dann leise hinter mir zu.
Doch jetzt, wo ich für niemanden mehr die Fassung erhalten muss, legte sich dieses Gefühl um meine Schultern. Ich bin aufgewühlt, aufgeregt, traurig und wirklich durcheinander.
Erneut muss ich an Dominics Gesichtsaudruck denken, als er aus dem Haus geflohen ist. Es ist wie damals gewesen, als sein Vater ihm das Leben zur Hölle gemacht hat und anscheinend nimmt es einfach kein Ende.
Ich erreiche die letzte Stufe, als die Tür aufgeht und Tom reintritt.
"Hi." - begrüße ich ihn. Er atmet tief durch und geht zu der Couch, auf die er sie fallen lässt. "Soll ich dir einen Tee kochen?" - bitte ich ihm an.
"Nein." - lehnt er ab und fährt sich mti der Hand über das Gesicht. "Warum muss dieser Idiot auch hier auftauchen? Keiner hat ihn darum gebeten." - sagt er aufgebracht.
"Tom, seine Mutter ist gestorben. Da hat er wohl ein Recht darauf, ihr die letzte Ehre zu erweisen." - bemerke ich und ernete einen bösen Blick.
"Aber er hat sich auch nicht verpflichtet gefühlt zurückzukehren, als sie ihn darum gebeten hat." - sagt Tom noch dazu.
"Tom, wir wissen beide, warum er das nicht konnte."
"Ja, weil er ein Feigling ist." - bemerkt Tom und ich verspüre das Bedüfnis Dominic in Schutz zu nehmen. Ich weiß, dass das Tom gar nicht gefallen würde, doch ich kann nicht anders.
"Nein, Tom." - sage ich schneidend. "Er konnte einfach nicht zurückkommen, weil dein Vater ihm nach wie vor verachtet und du dich nicht für ihn einsetzte, wie du es auch nie getan hast." - werfe ich ihm vor und er steht auf.
"Er war immer schon ein Versager und er hat jeden Schlag verdient." - teilt Tom mir aufgebracht mit.
"Er hat nichts davon verdient. Er war ein kleiner Junge und dann ein verängstigter Teenager und es war keiner da, der ihn beschützt hat. Deine Mutter und Momo waren zu schwar, um sich deinem Vater in den Weg zu stellen und du ..." - ich beende meinen Satz nicht, weil er selbst weiß, warum er sich ständig auf die Seite seines Vaters geschlagen hatte. Er wollte immer der gute Sohn bleiben und sich bloß keinen Fehler erlauben.
"Dominic hat nicht auf die Reihe bekommen in seinem Leben und nie was richtig gemacht. Er machte nur Fehler." - wütet Tom weiter und geht auf meine Aussage gar nicht ein. Tief in seinem Inneren fühlt er sich schuldig, doch er wird es nie zugeben. Denn einen Fehler einzugestehen ist eine Schwäche, die er meint, sich nicht erlauben zu dürfen.
"Ist Sammy auch ein Fehler?" - frage ich, weil ich mich durch seine Worte geklänkt fühle.
"So habe ich es nicht gemeint." - ruddert er zurück.
"Ja." - sage ich nur und atme tief durch. Ich habe das Gefühl keine Luft zu bekommen, deshalb drehe ich mich um und gehe zur Tür.
"Wo willst du hin?" - ruft Tom mir nach.
"Ich muss an die frische Luft." - sage ich, bevor ich das Haus verlasse.
Ich sehe mich um, weil ich nicht weiß, wohin ich gehen will. Die ganze Zeit muss ich an Dominic denken und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Wie es ihm wohl geht? Sicherlich nicht allzu gut.
Ich setze mich ans Steuer des Wagens und fahre in die Stadt. Vor dem einzigem Hotel in der Stadt bleibe ich stehen und sehe einige Minuten zu der Eingangstür. Dominic muss also hier ein Zimmer gemietet haben.