Nachti
Tana
Nur mit Mühe schaffte ich es, die Sündenfresserin zurückzudrängen und der Engelsseite die Macht zu verleihen. Reines Licht durchflutete mich und verschloss die Schatten in einem Eisblock. Wenn ich Zeit hatte, würde ich mich um sie kümmern. Doch jetzt galt es Naveens Verletzungen zu versorgen, er machte nämlich keinen guten Eindruck.
Voller Sorge eilte ich zu ihm und das Eis unter meinen Füßen schmolz dahin, bis ich bei ihm ankam. Ich ging in die Knie, begutachtete die Wunde und hielt meine Hände direkt über der Wunde, um die reine Engelsenergie in ihn fließen zu lassen. Durch den Energieschub der Sündenfresserin profitierte nun meine Engelsseite.
> Es tut mir leid. Wegen mir bist du verletzt worden.< murmelte ich geknickt und gab mir allergrößte Mühe, um seine Wunde und das Gift zu reinigen.
Alvaro
Mein Herz trommelte wild in der Brust, während ich das Bild in meinen Händen anstarrte. Vielleicht zitterten sie sogar, keine Ahnung, ich hatte mich irgendwie nicht mehr unter Kontrolle. Bilder aus der Vergangenheit brachen über mich herein, doch als ich zwei kleine Hände an meinen Wangen wahrnahm, klärte sich meine Sicht und ich blickte überrascht auf. Ich sah das Mädchen an. In seinen sturmgrauen Augen erkannte ich etwas, das ich nicht beschreiben konnte und mein Herz zog sich qualvoll zusammen.
Illya beugte sich vor, die Unterarme auf den Oberschenkeln aufgestützt und ein sorgenvoller Ausdruck im Gesicht. > Alva? Alles in Ordnung? Weißt du mehr über das Bild? Über Elin?<
Ich brauchte ein paar Anläufe, um meine Stimme zu finden. > Das, das hat Irene gemalt. Sie zog mich im Wald auf für eine ziemlich lange Zeit. Als sie starb, starb auch mein Zuhause und nichts, absolut gar nichts hätte überleben können. Doch das hier, das würde ich überall wiedererkennen. Das ist Irenes Stil.< Gegen Ende brach meine Stimme. Ich würde verdammt nochmal nicht rührselig werden.
Wieder schaute ich das Mädchen an, das mich unverwandt musterte. Sie schien tief in meine Seele blicken zu wollen. > Woher hast du das?< fragte ich sie direkt. Auch wenn Illya vorhin meinte, sie würde nicht viel sprechen, so erwartete Antworten. Antworten, mit denen ich etwas anfangen konnte.
> Alvaro.< quiekte sie freudig. Es klang eher nach
Alvallo, als nach meinem richtigen Namen, aber sie schien tatsächlich mich zu meinen. Jetzt war ich noch verwirrter. Hilfesuchend schaute ich den Russen an, neben ihm nun seine Frau, die auf der Sessellehne Platz genommen hatte. Sie schien einfach nur Augen für das kleine Mädchen zu haben. Das musste wohl so eine Muttersache sein.
> Tut mir leid, ich weiß nicht mehr als du. Sie tauchte vor drei Tagen bei uns im Garten auf, mit nichts als einem weißen Kleidchen. Es kam uns vor, als wäre sie direkt vom Himmel gesandt worden, doch ihre Aura ist eine, die ich nie zuvor gesehen habe. Selbst mein Vater kann nicht sagen, was sie ist. Ein Mensch jedenfalls nicht, das hätte man ihr sofort angesehen. Enya konnte leider auch nichts über ihre Herkunft herausfinden.< Er sah mich entschuldigend an.
> Alvalloooo.< quietschte das Mädchen erneut und hopste auf meinem Schoß herum, als wäre ich eine Springburg. Ich legte meine Hände auf ihre Taille und brachte sie in eine sitzende Position, weil ich es einfach nicht gewohnt war, kleine Kinder auf dem Schoß zu haben. Es kostete mich wahnsinnig viel Kraft, sie nicht einfach auf dem Boden abzustellen und das Weite zu suchen. Das hier kostete mich viel zu viel Nerv. Irenes Zeichnung und die Kleine.
> Und was soll ich jetzt machen? Ich kann sie nicht mit zu mir nehmen. Allein mein Job lässt das nicht zu. Ich würde sie direkt in den Tod schicken, würde sie bei mir bleiben und ich habe nicht vor, den Daddy zu spielen.< Leise Wut schlich in meine Stimme. Wenn ich über etwas die Kontrolle verlor, verlor ich ganz schnell meine Schokoladenseite.
Enya richtete sich mit scharfem Blick auf, als die Kleine kurz darauf zu weinen begann und nahm sie sofort in den Arm. Hatte ich jetzt was Falsches gesagt? Verstand sie überhaupt das ganze Erwachsenenzeug, was wir von uns gaben? Unruhig fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht. Ich war überfordert.